Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung von Bescheiden während des Revisionsverfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Ändert ein neu zuständig gewordenes FA die streitigen Steuerbescheide während des Revisionsverfahrens und stellt der Kläger den Antrag nach § 68 FGO, wird dieses FA zum Beteiligten des Revisionsverfahrens.

2. Die Revision des FA ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn es mit während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheiden dem von ihm mit der Revision bekämpften Begehren der Kläger abhilft.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 115

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte als Zahnarzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Für die Streitjahre ermittelte er seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Aufgrund einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt (FA) am 6. April 1988 geänderte Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung, in denen es die Einkommensteuer für 1983 auf 104182 DM, für 1984 auf 156471 DM, für 1985 auf 125336 DM und für 1986 auf 131836 DM heraufsetzte.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt und setzte die Einkommensteuer für 1983 auf 100384 DM, für 1984 auf 148971 DM, für 1985 auf 116810 DM und für 1986 auf 123551 DM fest.

Dagegen hat das FA A Revision eingelegt und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, daß für die Veranlagugnszeiträume 1983 bis 1985 wegen § 54 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1991 für zwei Kinder zusätzliche Kinderfreibeträge in Höhe von jeweils insgesamt 3400 DM gewährt werden.

Nach Revisionseinlegung hat das FA B am 16. September 1992 an die Kläger gerichtete Einkommensteueränderungsbescheide für die streitigen Zeiträume erlassen, in denen es die Einkommensteuer für 1983 auf 98518 DM, für 1984 auf 147097 DM, für 1985 auf 114874 DM und für 1986 auf 123550 DM festsetzte. In der Begründung führt es aus, die Bescheide änderten die mit der Revision angefochtenen Steuerfestsetzungen des FG-Urteils. Aus der Begründung ist ferner ersichtlich, daß das FA für die Streitjahre 1983 bis 1985 die erhöhten Kinderfreibeträge gewährt hat. Im Anschreiben, mit dem die Änderungsbescheide übersandt wurden, begehrt das FA A die Einkommensteuer auf die Beträge heraufzusetzen, die sich unter Hinzurechnung der streitigen Schuldzinsen und nach Abzug der zusätzlichen Kinderfreibeträge ergeben würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Kläger hat die Änderungsbescheide vom 16. September 1992 gemäß § 123 Satz 2, § 68 FGO wirksam in das Revisionsverfahren übergeleitet, da diese Bescheide die angefochtenen geändert und ersetzt haben. Sie sind insbesondere gemäß § 124 der Abgabenordnung (AO 1977) wirksam geworden, da sie dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger bekanntgegeben wurden. Der Senat geht davon aus, daß das FA B infolge Wohnsitzwechsels der Kläger örtlich zuständig geworden ist. Dies kann allerdings letztlich dahinstehen, da die örtliche Zuständigkeit keinen Einfluß auf die Wirksamkeit eines Steuerbescheides hat.

Die Kläger sind zur Stellung des Antrags nach § 68 FGO berechtigt, auch wenn sie selbst nicht Revision eingelegt haben (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1988 II R 241/84, BFHE 155, 245, BStBl II 1989, 370). Revisionskläger ist indes nicht mehr das FA A, das die vorhergehenden Bescheide erließ, sondern das FA B, von dem die Änderungsbescheide stammen (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 5/66, BFHE 96, 89, BStBl II 1969, 593).

2. Die Revision des FA ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da es mit den Änderungsbescheiden vom 16. September 1992 dem von ihm mit der Revision bekämpften Begehren der Kläger abgeholfen hat (vgl. BFH-Beschluß vom 17. November 1981 VIII R 193/80, BFHE 135, 21, BStBl II 1982, 263). Es hat die streitige Einkommensteuer sogar niedriger festgesetzt, als von den Klägern beim FG beantragt. Trotz entsprechenden Hinweises des Vorsitzenden des erkennenden Senats hat es das FA abgelehnt, deswegen die Hauptsache für erledigt zu erklären. Der BFH als Revisionsgericht ist nicht - wie das FA rechtsirrtümlich annimmt - in der Lage, dessen Steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen zu ändern.

Der Verfügungssatz der Änderungsbescheide, der die Steuerfestsetzung enthält, ist eindeutig und damit keiner Auslegung anhand des Inhalts der Begründung dieser Bescheide durch das FA B und des Anschreibens des FA A zugänglich, mit dem diese Bescheide übersandt wurden. Im übrigen folgt aus der Bescheidbegründung und dem Anschreiben nur, daß beide FÄ irrtümlich davon ausgingen, die Steuerfestsetzung des FG gemäß § 100 Abs. 2 FGO entfalte, obwohl noch nicht rechtskräftig (§ 110 FGO) und nicht auf Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG - (jetzt § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO) beruhend, bereits Bindungswirkung. Dieser Rechtsirrtum, der lediglich Motiv für die Änderungsbescheide war, ändert nichts an der Wirksamkeit und am Inhalt der in den Änderungsbescheiden enthaltenen Steuerfestsetzungen.

Insbesondere macht die Begründung der Bescheide sie nicht im Sinne einer Bedingung vom Bestand des FG-Urteils abhängig, da eine solche zum einen nicht klar und eindeutig ersichtlich ist und zum anderen nicht durch Rechtsvorschrift (z.B. den früheren Art. 3 § 4 VGFGEntlG) zugelassen ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1990 III R 75/85, BFHE 160, 395, BStBl II 1990, 747).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419113

BFH/NV 1994, 44

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge