Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbefugnis bei Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

Bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, daß nach Vollbeendigung einer Personengesellschaft der Rechtsnachfolger Klage- und Antragsbefugnis hat, wenn er gleichzeitig ehemaliger Gesellschafter der Personengesellschaft ist.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Antragstellerin, eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin einer KG (Klägerin). An der Klägerin waren im Streitjahr 1973 neben der GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin die Eheleute X als Kommanditisten beteiligt. Der Anteil des Gesellschafters H X, der im Hauptverfahren beigeladen ist (Beigeladener), belief sich auf 93,2 v. H.

Gegen Ende des Jahres 1972 übertrug der Beigeladene Bargeld in Höhe von 1,5 Mio. DM und Wertpapiere im Wert von 410 641 DM, die bei deutschen Banken deponiert waren und zu seinem Privatvermögen gehörten, auf eine Schweizer Bank. Dort wurde das Bargeld in Aktien und Obligationen angelegt, bei denen sich im Jahr 1973 ein Kursverlust von 474 890 DM ergab. Der im Jahr 1973 bei dieser Vermögensanlage insgesamt eingetretene Verlust belief sich unter Berücksichtigung von Dividenden und Zinserträgen sowie Bankgebühren und sonstigen Aufwendungen auf 413 963 DM.

In der Erklärung der Klägerin zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr wurden die genannten Verluste als Sonderbetriebsausgaben des Beigeladenen geltend gemacht.

Der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) erkannte nach einer Betriebsprüfung die in der Schweiz deponierten Wertpapiere wegen fehlender Verbuchung im Streitjahr nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen an und ließ bei der Feststellung der Einkünfte die erklärten Sonderbetriebsausgaben nicht zum Abzug zu. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, das FA habe die Kursverluste der bei der Schweizer Bank deponierten Wertpapiere zu Recht nicht als Sonderbetriebsausgaben des Beigeladenen berücksichtigt. Diese Wertpapiere seien unbeschadet ihrer grundsätzlichen Eignung zur Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nicht in ein Betriebsvermögen eingelegt worden. Der hierfür erforderliche Widmungsakt, der eine unmittelbare buchmäßige Erfassung verlangt hätte, habe im Streitjahr nicht stattgefunden.

Mit der Revision, die im Namen der Klägerin eingelegt wurde, wird Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend gemacht. Die Steuerpflichtigen seien in ihren Rechten insofern verletzt, als das Urteil gegen die §§ 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verstoße. Vor dem FG sei beantragt worden, den Zeitpunkt der Einlage des in Frage stehenden Vermögens - Bargeld in Höhe von 1,5 Mio. DM sowie Wertpapiere im Kurswert von 410 641 DM - in das Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen auf den 1. Januar 1973 Null Uhr festzulegen. Entschluß, Durchführung und Dokumentation des Handelns seien eindeutig. Das Finanzvermögen sei in der eigens für die Erfassung des gewillkürten Betriebsvermögens angelegten Buchführung festgehalten. Es handele sich dabei um eine ,,laufende" Buchführung, in der aufgrund der vierteljährlichen Abrechnung der Schweizer Bank deren Ergebnisse verarbeitet worden seien. Das FG-Urteil enthalte einen Verstoß gegen die Denkgesetze. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG sei Vertagung beantragt worden, weil neues Beweismaterial vorgelegt werden sollte. Dies sei verweigert worden. Das FG habe ohne die Beweismittel gegen die Klägerin entschieden. Darin liege eine Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs.

Das FA ist der Auffassung, daß das FG weder das rechtliche Gehör verletzt noch gegen die Denkgesetze verstoßen habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruhe das Urteil auch nicht auf einer Verletzung der §§ 4, 5 EStG.

Während des Revisionsverfahrens hat die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides 1973 begehrt. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden ernstliche Zweifel.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1973 auszusetzen, soweit es sich um den strittigen Verlust von 474 890 DM handelt.

Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen. Es ist der Auffassung, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden keine ernstlichen Zweifel.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1973 ist zulässig und begründet.

1. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ist die Anrufung eines Gerichts erst dann zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt oder zu erkennen gegeben hat, daß sie ihn ablehnen werde. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn das FA hat nach Erlaß des FG-Urteils zu erkennen gegeben, daß es einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnen werde.

2. Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung unbillig ist. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656).

Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.

3. Die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO erlischt, wie der erkennende Senat im Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85 (BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520) entschieden hat, mit der Vollbeendigung einer Personengesellschaft. Sie geht nicht auf einen Rechtsnachfolger über. Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft kann ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angegriffen werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die den anzugreifenden Gewinnfeststellungsbescheid betrifft. Entsprechendes gilt für die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts.

Im Streitfall ist die Antragstellerin - im Gegensatz zu dem vom Senat in BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520 entschiedenen Fall - nicht nur Rechtsnachfolgerin der Klägerin, sondern gleichzeitig auch ehemalige Gesellschafterin der Klägerin. Bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, daß eine Rechtsnachfolgerin unter diesen Umständen Klage- und Antragsbefugnis hat. Die abschließende Beurteilung dieser Frage ist dem Hauptverfahren vorzubehalten.

4. Das FG hat seine Entscheidung, daß das Finanzvermögen nicht gewillkürtes Betriebsvermögen ist, weil es an einer Widmungshandlung fehle, sehr eingehend begründet und gewichtige Argumente für seine Auffassung angeführt. Demgegenüber hat die Antragstellerin Ausführungen gemacht, die nicht von vornherein als unbeachtlich angesehen werden können. Sie hat näher dargelegt, daß entgegen den Ausführungen des FG eine Einlage des Finanzvermögens gegeben sei und daß es sich hierbei um Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen handele.

Die hierdurch aufgeworfenen Fragen sind im vorliegenden Verfahren, das nur eine summarische Prüfung gebietet, nicht abschließend zu beurteilen. Es genügt, daß sowohl für das eine als auch für das andere Ergebnis gewichtige Gründe sprechen und somit den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids das Merkmal der Ernstlichkeit nicht bestritten werden kann. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist zur Aussetzung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO nicht zu fordern (BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1967 II B 17/67, BFHE 90, 532, BStBl II 1968, 229, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416182

BFH/NV 1989, 528

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