Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für Beschwerdeverfahren - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unterlassener Vorlage des Armutszeugnisses

 

Leitsatz (NV)

Der Antrag auf PKH für ein Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, wenn der Antragsteller die Beschwerde persönlich erhoben hat und es versäumt, innerhalb der Beschwerdefrist die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen, und ihm wegen der Fristversäumung auch keine Wiedereinsetzung gewährt werden kann (Anschluß an den BFH-Beschluß vom 13. Mai 1989 VIII S 5-8/88, BFH/NV 1990, 316).

 

Normenkette

FGO §§ 56, 129, 142; ZPO §§ 114, 117; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Antragsteller hat gegen die Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986, in denen der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hatte, Anfechtungsklage erhoben und zugleich im Klageverfahren beantragt, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen. Seinen Anträgen, ihm für das Hauptsacheverfahren und das Aussetzungsverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren, gab das Finanzgericht (FG) in getrennten Beschlüssen in Höhe von 50 v. H. des Streitwertes statt und ordnete einen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten bei. Gegen diese beiden Beschlüsse des FG hat der Antragsteller persönlich Beschwerde erhoben und beantragt, ihm für beide Beschwerden PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war den Anträgen nicht beigefügt. Auf einen entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des Senats hat der Antragsteller den Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht und beantragt, ihm wegen Versäumung der Einreichungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

Die Anträge auf PKH sind zulässig, aber nicht begründet.

1. Die beiden Antragsverfahren betreffend Beschwerde in der Hauptsache und in der Aussetzungssache werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

2. Die Anträge auf Gewährung von PKH sind zulässig, aber unbegründet.

a) Der Zulässigkeit der Anträge steht nicht entgegen, daß der Antragsteller sie persönlich gestellt hat. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht für einen an den Bundesfinanzhof (BFH) gerichteten Antrag auf Gewährung von PKH kein Vertretungszwang (BFH-Beschlüsse vom 9. April 1986 II S 7/86, BFH/NV 1987, 465, und vom 23. Mai 1989 VIII S 5-8/88, BFH/NV 1990, 316 m. w. N.).

b) Die Anträge sind jedoch abzulehen, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Von einem Antragsteller persönlich erhobene Beschwerden gegen Teilablehnungsbeschlüsse des FG sind grundsätzlich unzulässig, weil vor dem BFH für das Beschwerdeverfahren Vertretungszwang besteht (Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Die Beschwerden könnten nur dann erfolgreich sein, wenn der Antragsteller sie - nach Gewährung der PKH für das Beschwerdeverfahren - durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erneut einlegen würde und ihm dann wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte. Im Streitfall kommt indes eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.

Ein Beteiligter, der nicht über genügend Mittel zur Übernahme der Kosten einer Prozeßführung verfügt, hat zwar grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist, wenn er sein PKH-Gesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hat und über dieses Gesuch erst nach Ablauf dieser Frist entschieden wird. Dies setzt jedoch voraus, daß der Beteiligte alles in seinen Kräften Stehende getan hat, damit ihm rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Dazu gehört es, daß er spätestens am letzten Tag der Beschwerdefrist den Antrag auf Gewährung von PKH stellt und diesem Antrag die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beifügt (vgl. den Beschluß in BFH/NV 1990, 316 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Antragsteller hat die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichen Vordruck erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht. Das genügt nicht. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse muß innerhalb der Beschwerdefrist beim BFH eingereicht werden, wenn Antrag auf PKH für ein Beschwerdeverfahren gestellt wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 1989 VII S 11/89, BFH/NV 1989, 802, und vom 3. April 1989 III S 7/88, BFH/NV 1990, 258, jeweils m. w. N.).

Reicht der Antragsteller den Vordruck mit der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der Beschwerdefrist ein, so kann ihm allerdings gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Das setzt jedoch gemäß § 56 Abs. 2 FGO voraus, daß die versäumte Rechtshandlung - Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird und die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung innerhalb der gleichen Frist vorgetragen werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO; Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 56 Anm. 50 m. w. N.). Der Antragsteller hat keine Tatsachen vorgetragen, die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen verspäteter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtfertigen könnten. Er hat lediglich auf seine immer noch vorhandene Obdachlosigkeit hingewiesen, ohne vorzutragen, warum er wegen dieses Umstandes gehindert war, den Vordruck mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtzeitig vorzulegen. Bereits das FG hatte den Antragsteller darauf hingewiesen, daß die Erklärung dem Antrag auf PKH beigefügt werden müsse.

Die vom Antragsteller persönlich erhobenen Beschwerden gegen die teilweise Ablehnung der PKH für das Hauptsacheverfahren und das Aussetzungsverfahren haben danach keine Aussicht auf Erfolg. Die Anträge auf Gewährung von PKH für die Beschwerdeverfahren sind deshalb abzulehnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417248

BFH/NV 1991, 183

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