Leitsatz (amtlich)

1. Erklären die Beteiligten, Steuerpflichtige und FA, übereinstimmend, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe, so ist das auch im Steuerprozeß für das Gericht maßgebend (Ergänzung zum Beschluß VI B 69/67 vom 29. September 1967, BFH 90, 259, BStBl II 1968, 35).

2. In der FGO ist eine Einigung der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens nicht vorgesehen. Sie kann aber als Anhalt für die Entscheidung des Gerichts nach § 138 Abs. 1 FGO dienen.

 

Normenkette

FGO § 138

 

Tatbestand

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung wurden die einheitlichen Gewinnfeststellungen 1961 bis 1963 berichtigt und die einheitliche Gewinnfeststellung 1964 erstmals durchgeführt. Nach Ansicht der Steuerpflichtigen, einer OHG, waren die Gewinne insgesamt um 93 592 DM zu hoch festgestellt. Der Einspruch führte zu einer Minderung um 2 500 DM, so daß 91 092 DM streitig blieben. Die Klage hatte in Höhe von 9 500 DM Erfolg. Die Revision, mit der noch 81 592 DM angegriffen wurden, erledigte sich nach der übereinstimmenden Erklärung der OHG und des FA dadurch, daß die festgestellten Gewinne nochmals um 33 092 DM gemindert wurden. Die OHG und das FA erklärten daraufhin die Sache für erledigt. Sie einigten sich dahin, daß jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten tragen und die Gerichtskosten jedem Beteiligten zur Hälfte zur Last fallen sollten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Hauptsache ist "erledigt", wenn die Klage dadurch gegenstandslos geworden ist, daß dem Klageantrag entsprochen wird. Das ist in dem vorliegenden Fall nur geschehen, soweit die angegriffenen Gewinne von insgesamt 81 592 DM um 33 092 DM gemindert wurden. In Höhe des Restes von 48 500 DM ist dem Klageantrag dagegen nicht entsprochen worden.

In der FGO ist nicht bestimmt, daß die übereinstimmende Erklärung der Beteiligten genügt, um die Hauptsache als erledigt anzusehen. Nach § 138 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht vielmehr nur, wenn "der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist", allein über die Kosten.

Die Erledigung in der Hauptsache ist ein außergerichtlicher Vorgang. Zu § 161 Abs. 2 VwGO, dem der § 138 Abs. 1 FGO nachgebildet ist, wird die Auffassung vertreten (Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Rdnr. 6 zu § 161, S. 702), daß die übereinstimmende Erklärung der Beteiligten für die Erledigung maßgebend sei. Dabei ist zu beachten, daß die VwGO einen Vergleich hinsichtlich der Hauptsache und auch hinsichtlich der Kosten zuläßt und, falls der Vergleich sich nur auf die Hauptsache bezieht, die Kosten so verteilt, wie es die OHG und das FA im vorliegenden Fall getan haben (§ 160 VwGO).

Wenngleich im Steuerprozeßrecht ein Vergleich nicht vorgesehen ist, vielmehr uneingeschränkt der Untersuchungsgrundsatz gilt und das Gericht an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 76 Abs. 1 FGO), kann das Gericht doch über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das spricht dafür, daß die Steuergerichte in der Hauptsache nicht mehr entscheiden können, wenn die Beteiligten übereinstimmend die Sache für erledigt erklären.

Erklären die Beteiligten die Hauptsache für erledigt, so liegt darin allerdings nicht immer auch eine Erledigungserklärung im Sinne von § 138 Abs. 1 FGO. Es ist vielmehr, wie der III. Senat im Beschluß III R 69/67 vom 5. Dezember 1967 (BFH 91, 20, BStBl II 1968, 203) zutreffend ausgeführt hat, im Einzelfall durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln, was die Beteiligten mit der Erledigungserklärung zum Ausdruck bringen wollten (vgl. auch den Beschluß des V. Senats V B 33/67 vom 12. Oktober 1967, BFH 90, 367, BStBl II 1968, 98).

Im Beschluß VI B 69/67 vom 29. September 1967 (BFH 90, 259, BStBl II 1968, 35) hat der Senat allerdings einen beim FG anhängigen Rechtsstreit nicht schon dadurch für erledigt angesehen, daß das FA dem Steuerpflichtigen die Änderung des angefochtenen Steuerbescheides in dem vom Steuerpflichtigen erstrebten Sinn zugesagt hatte, sondern hat angenommen, daß die Erledigung erst dadurch eintrete, daß das FA den Steuerbescheid auch tatsächlich wie zugesagt änderte. Erst wenn das FA seiner Zusage nachgekommen sei, dürfe das FG deshalb den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären. Zu diesem Ergebnis kam der Senat in dem damaligen Steuerfall, weil er die vom Steuerpflichtigen vor dem FG abgegebene Erledigungserklärung so auslegte, daß der Steuerpflichtige die Streitsache nur dann als erledigt betrachten wollte, wenn das FA seinem Klageantrag auch tatsächlich entsprochen hatte. Als dann das FA sich nicht an die Vereinbarung hielt, war auch der Steuerpflichtige an seine Erledigungserklärung nicht gebunden. Die nur unter diesem Vorbehalt gegebene Erklärung des Steuerpflichtigen berechtigte das FG nicht, die Sache sofort für erledigt zu erklären.

Hat sich - wie im vorliegenden Fall - der Rechtsstreit nach dem Willen und der eindeutigen Erklärung der Beteiligten in der Hauptsache erledigt, so bedarf es nicht des Ausspruchs, daß der Rechtsstreit erledigt sei. Tritt die Erledigung - wie im vorliegenden Fall - erst in der Revisionsinstanz ein, so ist ein solcher Ausspruch aber zweckmäßig, um auf diese Weise klarzustellen, daß das angegriffene Urteil des FG unwirksam ist (Eyermann-Fröhler, a. a. O., Rdnr. 9 zu § 161, S. 703).

Übrig bleibt dann noch die Kostenentscheidung. Die Möglichkeit, daß sich die Beteiligten über die Kosten einigen (vgl. § 98 ZPO und § 160 VwGO), ist in der FGO nicht vorgesehen. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 138 FGO und die Tatsache, daß in der FGO eine dem § 160 VwGO entsprechende Vorschrift fehlt, wird man auch nicht über § 140 FGO zu einer entsprechenden Anwendung des § 98 ZPO kommen können.

Nach § 138 Abs. 1 FGO ist, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden. Soweit der Rechtsstreit dadurch erledigt ist, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wurde, sind die Kosten nach § 138 Abs. 2 FGO dem FA aufzuerlegen. In dem vorliegenden Fall treffen beide Vorschriften zusammen. Wenngleich das Gericht bei seiner Kostenentscheidung an die Anträge der Beteiligten nicht gebunden ist (vgl. das Urteil des BFH IV 424/62 vom 23. Juni 1966, BFH 86, 561, BStBl III 1966, 594), kann die Kosteneinigung der Beteiligten doch jedenfalls dort als Anregung berücksichtigt werden, wo eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen ist. Haben sich die Beteiligten wie im vorliegenden Fall über die Kostenverteilung geeinigt, so ist es in aller Regel billig und trotz der Regelung des § 138 Abs. 2 FGO unbedenklich, der Einigung der Beteiligten zu folgen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67700

BStBl II 1968, 352

BFHE 1968, 403

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