Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren nach Art. 3 § 5 VGFG-EntlG ist ein Antrag eines Beteiligten auf mündliche Verhandlung wirkungslos, sobald das FG den Rechtsstreit durch Urteil entschieden hat.

 

Normenkette

VGFG-EntlG vom 31. März 1978 (BGBl I 1978, 446) Art. 3 § 5

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Mit ihrer Klage hatten die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erstrebt, eine Ausgabe von 743 DM, die dem klagenden Ehemann erwachsen sein soll, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Da einerseits der Streitwert für die Klage fünfhundert Deutsche Mark offensichtlich nicht überstiegen und andererseits keiner der Beteiligten mündliche Verhandlung beantragt hatte, hat das Finanzgericht (FG) im Verfahren nach billigem Ermessen aufgrund des Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFG-EntlG) vom 31. März 1978 (BGBl I 1978, 446) den Rechtsbehelf -- ohne mündliche Verhandlung -- durch Urteil als unbegründet abgewiesen. Den hiergegen erhobenen Antrag der Kläger auf mündliche Verhandlung hat das FG als auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision angesehen, dieser jedoch nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag der Kläger auf mündliche Verhandlung ist als Nichtzulassungsbeschwerde i. S. des § 115 Abs. 3 FGO aufzufassen. Denn nach dem Ergehen eines Urteils im nach Art. 3 § 5 VGFG-EntlG gestalteten Verfahren ist ein Antrag auf mündliche Verhandlung unzulässig. Das ergibt sich bereits aus der Reihenfolge, in der ein solcher Antrag in der genannten Vorschrift geregelt worden ist. Nachdem dort in Satz 1 die Voraussetzungen behandelt werden, unter denen das FG nach billigem Ermessen entscheiden kann, heißt es im Satz 2: "Auf Antrag eines Beteiligten muß mündlich verhandelt werden", und sodann weiter in Satz 3: "Das Gericht entscheidet über die Klage durch Urteil ...". Danach ist ein Antrag auf mündliche Verhandlung nur so lange zu beachten, als das Gericht noch nicht durch Urteil entschieden hat. Ein nachträglich gestellter Antrag dieser Art ist wirkungslos. Zwar besagt Satz 3 der genannten Vorschrift, daß u. a. § 90 Abs. 3 FGO unberührt bleibt. Das kann indessen nur bedeuten, "daß -- wenn mündliche Verhandlung beantragt wird, also nicht ohne sie entschieden werden darf -- das Gericht auch einen Vorbescheid erlassen darf, worauf dann Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden kann" (vgl. Gräber, Rechtsprechung und Literatur zum Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1981, 369 ff., 371). Hier hat das FG indessen mangels eines im Klageverfahren gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung durch Urteil erkannt. Dagegen gibt es nach § 90 Abs. 3 FGO keinen Antrag auf mündliche Verhandlung; denn diese Vorschrift ist ihrem Wortlaut zufolge auf die Entscheidung durch Vorbescheid begrenzt.

2. Die danach als Nichtzulassungsbeschwerde i. S. des § 115 Abs. 3 FGO aufzufassende Eingabe der Kläger ist unbegründet.

Mit ihr wird sinngemäß ein Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt, der dem FG dadurch unterlaufen sein soll, daß es ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Klage befunden hat. Diese Rüge greift jedoch nicht durch. In Anbetracht des 500 DM nicht übersteigenden Streitwerts der Klage mußten die Kläger damit rechnen, daß das FG von der Entlastungsvorschrift des Art. 3 § 5 VGFG-EntlG Gebrauch machen werde. Einer vorherigen Anzeige dieser Möglichkeit durch das FG bedurfte es nicht (vgl. Gräber, a. a. O.; ebenso Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3, Tz. 12544). Schließlich hat der Gesetzgeber eine solche Mitteilung nicht vorgeschrieben. Das genannte Gesetz ist ein Teil des Steuerprozeßrechts, dem ebenso wie dessen übrigen Vorschriften jeder Beteiligte eines Steuerprozesses unterliegt.

Danach ist der Grundsatz des § 90 Abs. 1 und 2 FGO durchbrochen, wonach das Gericht nur dann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden darf, wenn die Beteiligten damit einverstanden sind. Vielmehr kann nach Art. 3 § 5 Satz 2 VGFG-EntlG ein Beteiligter die mündliche Verhandlung lediglich dadurch erzwingen, daß er -- vor einer abschließenden Entscheidung über den Rechtsstreit -- die mündliche Verhandlung ausdrücklich beantragt (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a. a. O., Tz. 12536). Das haben die Kläger hier nicht getan. Der von ihnen nachträglich gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung ist damit -- wie oben schon erwähnt -- unbeachtlich.

Aus diesen Gründen kann die hier auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben. Denn ein Gericht kann nicht dadurch einen Verfahrensfehler begehen, daß es -- wie hier -- die für das Verfahren vorgesehenen, einschlägigen Vorschriften beachtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413710

BStBl II 1983, 762

BFHE 1984, 22

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