Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde: Entscheidung über die Abhilfe durch das FG

 

Leitsatz (NV)

Einer Abhilfeentscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch das FG bedarf es nicht, wenn die unmittelbar beim BFH angebrachte Beschwerde offensichtlich unzulässig ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 5 S. 1 (§ 130 Abs. 1)

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt. Mit ihm am 23. Oktober 1987 zugestelltem Urteil hat das Finanzgericht (FG) seine wegen Einkommensteuer 1981 und 1982 erhobene Klage ohne Zulassung der Revision abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung des FG ist u. a. ausgeführt, daß die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden kann und daß die Beschwerde beim FG (genaue Anschrift ist angegeben) einzulegen ist. Außerdem ist darauf hingewiesen, daß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil des FG abweicht, oder der gerügte Verfahrensmangel bezeichnet werden muß.

Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des FG Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung wurde auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist hin dem BFH gegenüber durch gesonderten Schriftsatz vom 28. Dezember 1987 abgegeben, der am 29. Dezember 1987 beim BFH eingegangen ist. Der Kläger bittet darin, seine Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nr. 2 der Revisionsbegründung) hilfsweise als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hält die Beschwerde für unzulässig.

Der Senat hat unter dem Aktenzeichen IV R 99/87 über die eingelegte Revision entschieden und sie durch Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig verworfen. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Beschluß Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die hilfsweise wegen Nichtzulassung der Revision beim BFH erhobene Beschwerde ist unzulässig.

Der als Rechtsanwalt sachkundige und außerdem durch das FG rechtsmittelbelehrte Kläger hat hilfsweise Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision durch das FG eingelegt.

Die Beschwerde ist schon deshalb unzulässig, weil der Kläger die Beschwerdefrist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) versäumt hat. Nach dieser Vorschrift kann die Nichtzulassung der Revision durch das FG selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Dem Kläger ist das Urteil am 23. Oktober 1987 zugestellt worden. Mithin ist die am 29. Dezember 1987 beim BFH eingegangene Beschwerde unabhängig von der Frage der zutreffenden Anbringung (§ 115 Abs. 3 Satz 2 FGO) wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Gründe, die für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sprechen könnten, sind nicht erkennbar. Die Unzulässigkeit seiner Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist kann für den Kläger nicht überraschend sein, weil die Rechtsmittelbelehrung des FG in dieser Hinsicht klar und verständlich abgefaßt ist.

Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob - wie das FA meint - die Beschwerde unzulässig bedingt wäre (vgl. dazu allgemein z. B. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß (1986), Rdnrn. 112 f., sowie insbesondere auch BFH-Beschluß vom 19. November 1985 VII B 70/85, BFH/NV 1986, 344).

Der Senat sieht sich an einer Entscheidung über die Beschwerde nicht dadurch gehindert, daß das FG keine Entscheidung über die Abhilfe getroffen hat (§ 115 Abs. 5 Satz 1 FGO; vgl. auch § 130 Abs. 1 FGO, und dazu grundsätzlich das Senatsurteil vom 25. September 1967 IV B 33/66, BFHE 90, 103, BStBl III 1967, 788). Er ist der Auffassung, daß bei einer Beschwerde, die unmittelbar beim BFH angebracht wurde und die sich wie hier als offensichtlich unzulässig erweist, eine Entscheidung über die Abhilfe durch das FG nicht notwendig ist. Die Möglichkeit der Abhilfe durch den judex a quo dient der Verfahrensökonomie. Es sollen Beschwerden, die begründet sind, grundsätzlich nicht auch noch das Rechtsmittelgericht beschäftigen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 130 FGO Tz. 1). Umgekehrt sollen offensichtlich von vornherein als unzulässig erkennbare Beschwerden, die beim BFH angebracht wurden, nicht auch noch die FG beschäftigen. Dies würde dem genannten Zweck zuwiderlaufen. Mit Beschluß vom 3. Mai 1984 VII B 84/83 (BFHE 141, 116, BStBl II 1984, 562) hat der VII. Senat des BFH entschieden, daß das FG keinen Beschluß darüber zu fassen braucht, daß es einer von ihm nicht zugelassenen und daher nicht statthaften Beschwerde nicht abhelfe. Diese Entscheidung beruhte auf der Erwägung, daß es bei einer nicht statthaften Beschwerde unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zur Abhilfe durch das FG kommen könne. Diese Erwägung läßt sich nach Auffassung des Senats auch auf den Streitfall übertragen. Denn bei einer von vornherein wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig erkennbaren Beschwerde ist ebenfalls eine Sachentscheidung und mithin ein Abhilfe durch das FG ausgeschlossen. Dementsprechend hat der VI. Senat des BFH in einem nicht veröffentlichten Beschluß vom 6. Dezember 1984 VI R 120/84 unter Berufung auf die vorgenannte Entscheidung des VII. Senats des BFH die Auffassung vertreten, daß bei Versäumung der Beschwerdefrist das FG der Beschwerde nicht abhelfen dürfe. Würde das FG gleichwohl der Beschwerde abhelfen, so wäre der BFH hieran nicht gebunden, da eine solche Abhilfe offensichtlich rechtswidrig wäre. Aus diesem Grunde erübrige sich eine Rückgabe der Akten zum Zwecke einer Nichtabhilfeentscheidung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415851

BFH/NV 1989, 509

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