Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision

 

Leitsatz (NV)

Eine Entscheidung kann auch dann mit Gründen versehen sein im Sinn des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, wenn sie unvollständig, unzureichend oder sonst fehlerhaft ist.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ohne Verschulden verhindert war, den Antrag auf Gewährung der Investitionszulage fristgerecht beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) einzureichen.Am 6. Oktober 1983 ging beim FA ein Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 1982, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist ein. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers behauptete, er habe den Antrag am 22. September 1983 seinem Mandanten, dem Kläger, zur Unterschrift übersandt. In einem Anschreiben habe er den Mandanten auf die Ausschlußfrist 30. September 1983 hingewiesen. In der Nacht vom 20. zum 21. September 1983 sei jedoch die Ehefrau des Klägers in das Krankenhaus eingeliefert worden. Der Krankenhausaufenthalt habe bis zum 3. Oktober 1983 gedauert. Während dieser Zeit sei der Haushalt des Klägers, der zu seinen in unmittelbarer Nähe wohnenden Eltern gezogen sei, aufgelöst worden. Erst nach der Rückkehr der Ehefrau Anfang Oktober habe der Kläger Kenntnis von dem Zulageantrag erhalten.

Das FA lehnte den Zulageantrag als verspätet ab. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährte es nicht.

Während der Einspruch ohne Erfolg geblieben ist, hat das Finanzgericht (FG) der Klage stattgegeben. Seiner Ansicht nach hat der Kläger in dem fraglichen Zeitraum seine Wohnung zweifelsfrei nicht betreten. Es widerspräche jeder Lebenserfahrung, daß jemand einen Zulageantrag nicht rechtzeitig an das FA weiterleite, wenn der Steuerberater ausdrücklich auf die Ausschlußfrist aufmerksam gemacht hat. Die Fristversäumnis sei nicht deshalb verschuldet, weil der Kläger während der knapp zweiwöchigen Abwesenheit seine Wohnung auch nicht kurzfristig betreten habe.

Mit der Revision rügt das FA als wesentlichen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO), daß die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei. Aus dem Tatbestand der Vorentscheidung ergebe sich nicht, daß sich die Wohnung des Klägers unmittelbar neben dem Haus seiner Eltern befinde. Dies sei jedoch bedeutsam für die Entscheidung, ob den Kläger ein Verschulden an der Fristversäumnis treffe. Unerheblich sei, daß das FG nach Ablauf der Revisionsfrist den Tatbestand des Urteils insoweit berichtigt habe. Darüber hinaus macht das FA geltend, entscheidende Rechtsausführungen des FG seien nicht nachvollziehbar. Der Kläger selbst habe nicht behauptet, daß er die Antragsfrist nicht gekannt habe. Wieso das FG gleichwohl davon ausgegangen sei, sei dem FG-Urteil nicht zu entnehmen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

1. Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der Neufassung durch das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985, verkündet im BGBl I vom 16. Juli 1985, S. 1274 (vgl. BStBl I 1985, 496) findet die Revision abweichend von § 115 Abs. 1 FGO nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde wegen Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Die Neuregelung ist gemäß Art. 5 des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (a. a. O.) am Tag nach der Verkündung, mithin am 17. Juli 1985, in Kraft getreten. Die Vorentscheidung wurde im Streitfall aber erst nach Inkrafttreten der Neuregelung zugestellt.

2. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die gegen die Nichtzulassung eingelegte Beschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 13. Dezember 1985 III B 96/85 als unbegründet zurückgewiesen.

3. Die Rüge des FA, es liege ein Verfahrensmangel im Sinn des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO vor, weil die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei, führt nicht zur Statthaftigkeit der Revision, weil diese Rüge nicht schlüssig erhoben ist. Eine Verfahrensrüge ist dann nicht schlüssig erhoben, wenn die zu ihrer Begründung vorgetragenen Tatsachen schon als solche - unabhängig von ihrer Nachweisbarkeit - nicht ausreichen oder nicht geeignet sind, den behaupteten Verfahrensmangel darzutun (BFH-Beschluß vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384). Darzulegen wäre im Streitfall, daß das Urteil des FG keine für seine Entscheidung maßgebenden Feststellungen, Erkenntnisse und rechtlichen Erwägungen enthält (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885; Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Dezember 1962 I ZB 27/62, BGHZ 39, 333, 337; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Anm. 8; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 21). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schon dann vorliegen, wenn die Gründe unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst fehlerhaft sind (BGHZ 39, 338). Eine mangelhafte Begründung ist insbesondere nicht gegeben, wenn die Entscheidung den Sachverhalt nicht oder nicht vollständig wiedergibt. § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO betrifft nur das Fehlen der rechtlichen Begründung (Tipke/Kruse, a. a. O., Tz. 22). Damit ist die Rüge des FA, der Tatbestand des angefochtenen Urteils habe bis zum Ablauf der Revisionsfrist nicht den Hinweis enthalten, daß sich die Wohnung des Klägers unmittelbar neben dem Haus seiner Eltern befunden habe, nicht schlüssig. Aus den weiteren Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift ergibt sich, daß das angefochtene Urteil eine Begründung enthält. Ob das FG § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) rechtsfehlerfrei angewendet hat, insbesondere ob seine Ausführungen ausreichen, um das fehlende Verschulden des Klägers zu begründen, ist für die Frage, ob das angefochtene Urteil mit Gründen versehen ist, ohne Bedeutung. Soweit das FA geltend macht, die Rechtsausführungen des FG seien nicht nachvollziehbar, legt es nicht dar, daß die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei. Es setzt sich vielmehr mit den Gründen der Entscheidung auseinander, die es für unzureichend und falsch hält. Selbst wenn diese Annahme zutreffen würde, würde dies nicht die zulassungsfreie Verfahrensrevision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO eröffnen. Damit ist schon nach dem eigenen Vorbringen des FA nicht von einem Fehlen der Gründe des angefochtenen Urteils auszugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414524

BFH/NV 1987, 95

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