Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsrügen nach Verzicht auf mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

Das vom Bevollmächtigten erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) bleibt auch dann wirksam, wenn der Kläger einen weiteren Prozeßbevollmächtigten bestellt.

 

Normenkette

FGO § 90 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nrn. 3-4

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Das FG hat die Klage durch Urteil vom 23. Juni 1987 als unbegründet abgewiesen. Ausweislich der Feststellung in seinem Rubrum ist das Urteil ,,im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung" ergangen. Dieses Einverständnis hatte der Steuerberater P. zu einem Zeitpunkt erklärt, als er alleiniger Prozeßbevollmächtigter des Klägers war. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Senat durch Beschluß vom 24. Mai 1988 X B 114/87 als unzulässig verworfen.

In seiner Nichtzulassungsbeschwerde hat sich der Kläger u. a. auf § 116 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezogen. Auf eine diesbezügliche Anfrage des Vorsitzenden des X. Senats hin hat er ausgeführt, neben einer Nichtzulassungsbeschwerde solle ,,auch die zulassungsfreie Revision eingelegt sein". Er trägt vor:

Ein Verfahrensfehler i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO sei darin zu sehen, daß möglicherweise nur der Steuerberater P., nicht aber die weiteren Prozeßbevollmächtigten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hätten. Ein Verfahrensfehler i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO sei insofern zu rügen, als in mündlicher Verhandlung der Akteninhalt und die Sachargumente dem FG hätten vorgetragen werden können.

Durch Schriftsatz vom 9. Oktober 1987 - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 24. September 1987 - hat der Kläger seinen Vortrag dahin ergänzt, daß die Verletzung der Grundsätze über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Verhandlung gerügt werde. Des weiteren sei ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Weil bei einem Erörterungstermin ,,nur ein einziger Richter sich vor Ort mit dem Sachverhalt befaßt" habe und insoweit er, der Kläger persönlich, ,,auch hierüber nicht informiert" worden sei, sei das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den vor dem FG gestellten Anträgen zu erkennen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 FGO liegen nicht vor.

Ein Beteiligter ist u. a. dann ,,im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten" (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO), wenn das FG irrtümlich einen wirksamen Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen und somit unter Verstoß gegen § 90 Abs. 1 und 2 FGO durch Urteil entschieden hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46; Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679; Urteil vom 11. August 1987 IX R 135/83, BFHE 151, 297, BStBl II 1988, 141). Ein solcher Verfahrensmangel ist aber nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn die zu seiner Begründung dienenden Tatsachen schlüssig vorgetragen sind (BFH-Beschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). An dieser Darlegung fehlt es hier. Denn der Kläger hat der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (vgl. BFH-Beschluß vom 13. November 1986 IX R 48/86, BFH/NV 1987, 173). An die Feststellung im angefochtenen Urteil, daß die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Rechtswirkung des durch den Steuerberater P. erklärten Einverständnisses konnte nicht dadurch aufgehoben werden, daß der Kläger weitere Bevollmächtigte bestellt.

Im hier vorliegenden Fall des wirksam erklärten Verzichts auf die mündliche Verhandlung war das weitere Verfahren des FG nichtöffentlich. Die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens konnten daher nicht i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO verletzt werden.

Die weiteren Revisionsrügen sind schon mangels Rechtzeitigkeit unzulässig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415905

BFH/NV 1989, 187

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