Leitsatz (amtlich)

Ein Beschluß nach § 138 FGO in Verbindung mit § 91a ZPO kann nicht ergehen, wenn der Beklagte, nicht aber der Kläger eine Erledigungserklärung abgibt.

 

Normenkette

FGO § 138

 

Tatbestand

Bei der unanfechtbar gewordenen Zusammenveranlagung der Beschwerdeführer zur Vermögensabgabe hatte das FA als gesamtes der Vermögensabgabe unterliegendes Vermögen angesetzt:

Grundstück A, Einheitswert zum 21. Juni 1948 12 000 DM

Grundstück B, Einheitswert zum 21. Juni 1948 16 100 DM

28 100 DM

abzüglich Hypothekenschuld auf Grundstück B 16 000 DM

12 100 DM

Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 5 000 DM waren die verbleibende Abgabeschuld auf 2 820 DM und der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag auf 31 DM festgesetzt worden. Mit Schreiben vom 26. März 1962 beantragten die Beschwerdeführer die zusätzliche Berücksichtigung von Freibeträgen der Ehegatten nach § 55c LAG. Sie erklärten, ein Ehevertrag habe am 21. Juni 1948 nicht bestanden; ihr Vermögen gehöre ihnen als Ehegatten gemeinsam; bei einer Aufteilung entfalle auf jeden Ehegatten ein Betrag von 6 050 DM. Das FA war dagegen der Auffassung, nach Aktenlage gehöre das Grundstück A der Ehefrau allein, das Grundstück B gehöre dagegen beiden Ehegatten je zur Hälfte. Entsprechendes gelte für die auf dem Grundstück B lastende Hypothek. Das FA errechnete danach als der Abgabe unterliegendes Vermögen für den Ehemann einen Betrag von 8 050 DM ./. 8 000 DM = 50 DM und für die Ehefrau einen Betrag von 12 000 DM + 8 050 DM ./. 8 000 DM = 12 050 DM und gewährte dementsprechend einen zusätzlichen Freibetrag von 50 DM. Danach setzte es den vierteljährlichen Minderungsbetrag auf 0,30 DM, den ursprünglichen Vierteljahrsbetrag ab 1. April 1961 auf 30,70 DM fest, so daß nach Abzug der Familienermäßigung 25,70 DM zu entrichten waren.

Einspruch und Berufung waren erfolglos geblieben.

Auf die Rb. der Beschwerdeführer hob der BFH durch Urteil III 109/64 U vom 30. Juli 1965 das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück. In einer Verhandlung vom 9. September 1966, zu der die Beschwerdeführer nicht erschienen waren, teilte das FA mit, daß es den angefochtenen Bescheid gemäß § 55c LAG dahin berichtigen werde, daß auch das Grundstück A beiden Eheleuten zu gleichen Teilen zugerechnet werde. Außerdem erklärte es sich bereit, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Ausfertigung des Protokolls über diese Verhandlung wurde den Beschwerdeführern zugeschickt. Die Beschwerdeführer schrieben daraufhin dem FG am 13. September 1966, daß sie Wert auf eine Entscheidung des FG über "die finanzielle Verrechnung der neuen VA-Veranlagung" legten. Das FA erließ am 20. September 1966 einen geänderten Bescheid nach § 55c LAG. Es setzte den vierteljährlichen Minderungsbetrag auf 27,50 DM und die Vierteljahrsbeträge ab 1. April 1961 unter Berücksichtigung der Familienermäßigung auf 0 DM fest. Eine Abschrift dieses Bescheides wurde dem FG "gemäß § 77 FGO Abs. 3" zugesandt. Daraufhin erging am 26. September 1966 der Beschluß des FG, daß die Hauptsache erledigt sei und die beklagte Behörde die Kosten des Verfahrens trage.

Gegen diesen Beschluß des FG richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführer. Sie sind der Auffassung, daß der Rechtsstreit noch nicht erledigt sei. Es sei noch darüber zu befinden, ob und in welcher Höhe ihnen ein Erstattungsanspruch zustehe und wie dieser zu verzinsen sei. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses des FG vom 26. September 1966.

Nach § 138 Abs. 1 FGO hat das Gericht, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, über die Kosten durch Beschluß zu entscheiden. Nach § 138 Abs. 2 FGO, auf den sich das FG hinsichtlich seiner Kostenentscheidung stützt, sind die Kosten der Behörde aufzuerlegen, soweit der Rechtsstreit dadurch erledigt wird, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben wird. Diese Vorschriften klären lediglich die Kostenfrage einer erledigten Hauptsache, nicht aber, wann eine Hauptsache erledigt ist. Über diese Frage gibt für den Zivilprozeß § 91a ZPO Aufschluß. Danach erledigt sich die Hauptsache bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien. Auch im Verwaltungsgerichtsprozeß wird bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt angesehen (vgl. Beschluß des BVerwG VII ER 412/63 vom 13. März 1964, Deutsches Verwaltungsblatt 1964 S. 874; ferner Eyermann-Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, § 161 Rdnr. 6; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, § 107 Anm. D 2 a; Koehler, Verwaltungsgerichtsordnung, § 161 Anm. B III 3; Redeker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, § 107 Anm. 1; Schunk-de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, § 161 Anm. 26). Der V. Senat hat im Beschluß V B 46/67 vom 15. Februar 1968 (BFH 91, 514, BStBl II 1968, 413) die Auffassung vertreten, daß auch für das finanzgerichtliche Verfahren davon auszugehen ist, daß der Rechtsstreit bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten beendet ist. Er folgere das einmal daraus, daß insoweit zwischen dem verwaltungs- und dem finanzgerichtlichen Verfahren ein erkennbarer Unterschied nicht bestehe, zum zweiten daraus, daß § 155 FGO die sinngemäße Anwendung der Vorschriften der ZPO, also auch des § 91a ZPO, vorschreibe. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Aus ihr folgt, daß ein Beschluß nach § 138 FGO nicht ergehen kann, wenn nicht beide Parteien übereinstimmend die Erledigungserklärung abgeben (so auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Bd. V, 1. bis 5. Auflage, Anm. 11 zu § 138 FGO; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, Anm. 51 zu § 72 FGO). Ein Beschluß nach § 138 Abs. 1 FGO kommt danach nicht in Betracht, wenn der Kläger keine Erledigungserklärung abgibt. Er kann nicht gegen seinen Willen aus dem Rechtsstreit hinausgedrängt werden. Es muß ihm vielmehr die Möglichkeit offengelassen werden, Anträge nach § 68 FGO oder § 100 Abs. 1 letzter Satz FGO zu stellen. Im Streitfall liegt eine Erledigungserklärung der Beschwerdeführer nicht vor. Sie haben im Gegenteil im Schreiben vom 13. September 1966 zum Ausdruck gebracht, daß sie den Rechtsstreit für noch nicht erledigt halten. Deshalb fehlt es an einer Rechtsgrundlage für den Beschluß des FG. Dieser war demnach aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, das nunmehr durch Urteil zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67754

BStBl II 1968, 742

BFHE 1968, 212

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