Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung bei Streit um die richtige Bezeichnung des Unternehmers in einem Umsatzsteuerbescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Das Aussetzungsbegehren ist auch dann zulässig, wenn es damit begründet wird, daß der angefochtene Steuerbescheid nichtig sei.

2. Ein Steuerbescheid ist nicht nichtig, wenn darin der durch den Namen der Ehegatten als Unternehmerin bezeichneten Ehegattengemeinschaft der fehlerhafte Zusatz "GbR" hinzugefügt worden ist.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2; AO 1977 § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Nr. 1; UStG 1967 § 18 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) begehren Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1983 bis 1987 vom 30. Juli 1990, in denen der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) gesondert ausgewiesene Steuerbeträge aus Rechnungen über die Errichtung einer später zwischenvermieteten Eigentumswohnung nicht mehr zum Vorsteuerabzug zuließ. Aussetzung der Vollziehung begehren die Antragsteller auch für die Abrechnungen über Umsatzsteueransprüche für 1983 bis 1987, die aufgrund der Steuerfestsetzungen verfügt wurden.

Die Antragsteller hatten eine von ihnen errichtete Eigentumswohnung im November 1984 an die X-GmbH (im folgenden GmbH) als gewerblichen Zwischenvermieter für fünf Jahre vermietet. Das FA berücksichtigte die von den Antragstellern in ihren Steuererklärungen mit der Angabe "Eheleute Anton und Berta ... " erklärten Vorsteuerbeträge. Es stimmte den entsprechenden Steueranmeldungen für 1983, 1985 bis 1987 zu und setzte die Umsatzsteuer in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheid für 1984 abweichend (auf ./. ... DM) fest. Nach einer Außenprüfung änderte das FA die bezeichneten Steuerfestsetzungen, weil es die Zwischenvermietung der Wohnung als einen Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts beurteilte (§ 42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). In den an die "GbR Berta und Anton ... " gerichteten Umsatzsteueränderungsbescheiden vom 30. Juli 1990 setzte es die Umsatzsteuer für 1983 bis 1987 jeweils auf 0 DM fest und rechnete entsprechend ab. Gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide und gegen die Abrechnungen sind Klagen beim Finanzgericht (FG) anhängig, über die noch nicht entschieden worden ist. Die be antragte Aussetzung der Vollziehung über den -- inzwischen verstrichenen -- Zeitraum der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung hinaus hat das FA abgelehnt.

Das FG hat den bei ihm gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1983 bist 1987 und der dazu ergangenen Abrechnungen abgelehnt. In dem Beschluß vom 24. August 1994 hat es u. a. zur Begründung ausgeführt, die Antragsteller seien nicht antragsbefugt, weil sie geltend machten, sie seien nicht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), sondern als Miteigentümergemeinschaft unternehmerisch tätig gewesen. Sie seien wie Dritte nicht klage- und nicht antragsbefugt. Wären sie antragsbefugt, sei der Antrag wegen Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1986 und 1987 unzulässig, weil die Umsatzsteuer darin jeweils auf 0 DM festgesetzt worden sei, die Antragsteller aber die Wiederherstellung der ursprünglichen Steuerfestsetzungen erreichen wollten, in denen die Umsatzsteuer auf ... DM für 1986 und auf ... DM für 1987 festgesetzt worden sei. Für die Steuerfestsetzungen 1983 bis 1985 sei der Aussetzungsantrag unbegründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Steuerfestsetzungen vorhanden seien. Die gegen die Antragsteller als GbR gerichteten Steuerfestsetzungen seien nicht nichtig, sondern enthielten nur eine unschädliche Falschbezeichnung des Steuerschuldners. In der Sache habe das FA den Vorsteuerabzug zu Recht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 versagt, weil die Bauleistungen für steuerfreie Wohnungsvermietung verwendet worden seien.

Ihre vom FG zugelassene Beschwerde begründen die Antragsteller damit, daß sie insgesamt antragsbefugt seien. Sie legen dar, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerverwaltungs akte bestünden. Diese seien inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und deswegen nichtig, weil sie eine nicht vorhandene Ehegatten- GbR als Steuerschuldner bezeichneten. Im übrigen habe das FG nicht beachtet, daß in den Steueränderungsbescheiden der Mißbrauchsvorbehalt nach Abschn. 148 a Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 1988 fehlerhaft angewendet worden sei.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1983 bis 1987 und der Abrechnungsverfügungen -- sämtlich vom 30. Juli 1990 -- auszusetzen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist zulässig, weil das FG sie zuge lassen hat und die Antragsteller durch die Ablehnung ihres Aussetzungsantrags beschwert sind.

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

a) Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 i. d. F. von Art. 1 Nr. 13 FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109), weil das FA das von den Antragstellern gestellte Aussetzungsbegehren ihnen gegenüber abgelehnt hat.

b) Die Antragsteller waren auch befugt, einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO beim FG und nach § 361 Abs. 2 AO 1977 beim FA zu stellen. Ihre Befugnis, einstweiligen Rechtsschutz durch das FA oder das FG zu begehren, folgt der allgemeinen Rechtsschutzgewährleistung. Der aus § 350 AO 1977 und § 40 Abs. 2 FGO ableitbare Grundsatz stellt sicher, daß jeder der geltend macht, in seinem Recht auf gesetzmäßige Besteuerung einschließlich des Rechts auf Aussetzung der Vollziehung und der rechtmäßigen steuerverfahrensrechtlichen Beurteilung verletzt worden zu sein, eine Überprüfung erreichen kann. Die Rechtsverletzung muß allerdings möglich sein. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall -- entgegen der Ansicht des FG -- gegeben. Das FA leitet aus den Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1983 bis 1987 und den dazu ergangenen Abrechnungsverfügungen -- jeweils vom 30. Juli 1990 -- die Vollziehbarkeit gegen die Antragsteller ab. Selbst wenn es sich dabei um -- wie die Antragsteller meinen -- nichtige Steuerverwaltungsakte handelte, wären sie befugt, den Rechtsschein der Vollziehbarkeit durch ihr Aussetzungsbegehren zu beseitigen (vgl. die entsprechende Rechtslage bei der Anfechtungsbefugnis gegen nichtige Verwaltungsakte: Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Januar 1983 VIII R 54/79, BFHE 137, 544, BStBl II 1983, 543; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 367 AO 1977, Rz. 44 m. w. N.).

c) Zutreffend hat das FG das Aussetzungsbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer änderungsbescheide und hinsichtlich der dazu ergangenen Abrechnungen -- jeweils für 1986 und 1987 -- abgelehnt. Die bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheide haben keinen die Antragsteller belastenden Inhalt, der vollzogen werden könnte (vgl. dazu Hofmann, Umsatzsteuerkongreß-Bericht 1982/83, 189). Sie enthalten keine höhere, sondern eine niedrigere als die bisherige Steuerfestsetzung. Es ist auch keine auf ein Zahlungsverlangen gerichtete Abrechnung vorhanden. Deshalb braucht auch nicht abschließend entschieden zu werden, ob die Abrechnungen, die das FA aufgrund von geänderten Steuerfestsetzungen bekannt gibt, vollziehbare Verwaltungsakte (so BFH-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; vom 16. Oktober 1986 VII R 159/83, BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405) oder nur Mitteilungen über die Tilgung von Steuerschulden sind, denen kein Regelungsgehalt zukommt (so Schwakenberg, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1993, 295, 300; Weiß, UR 1987, 49).

d) Im übrigen hat das FG den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1983 bis 1985 zu Recht abgelehnt.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung soll gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung dieses Bescheids anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263 m. w. N.).

Bei summarischer Prüfung ergeben sich keine Unsicherheit oder Unentschiedenheit begründende Zweifel an der Recht mäßigkeit der Steuerfestsetzungen in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für die bezeichneten Streitjahre.

aa) Die Steueränderungsbescheide sind nicht wegen nicht hinreichender Bezeichnung (§ 119 Abs. 1 AO 1977) des Steuerschuldners nichtig (§ 125 Abs. 1 AO 1977). Zwar enthalten die erwähnten Bescheide den Zusatz, daß die Antragsteller die Vermietungsumsätze in der Rechtsform einer GbR ausgeführt hätten. Ehegatten führen Umsätze durch Vermietung eines ihnen in Bruchteilseigentum gehörenden bebauten Grundstücks grundsätzlich jedoch in Miteigentümergemeinschaft aus (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1993 V R 38/89, BFHE 172, 137, BStBl II 1993, 734; vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729). Gleichwohl ist im Streitfall die Ehegattengemeinschaft als Steuerschuldner hinreichend klar bezeichnet worden.

Ein Steuerbescheid ist hinsichtlich der Person des Steuerschuldners hinreichend bestimmt, wenn der Schuldner durch die verwendete Bezeichnung zweifelsfrei gekennzeichnet wird und er sich dadurch sicher identifizieren läßt.

Formalismus und Wortklauberei sind unangebracht (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 II R 3/89, BFH/NV 1993, 218). Für die Bezeichnung in Umsatzsteuersammeländerungsbescheiden hat es der Senat für ausreichend erachtet (BFH-Beschluß vom 29. Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278), daß Eheleute als Steuerschuldner mit ihrem Familiennamen angegeben werden, wenn die Steuererklärungen auch die Vornamen enthielten. Eines zusätzlichen Hinweises auf ihre zutreffende rechtliche Verbundenheit (Vermietergemeinschaft oder GbR) bedarf es nicht. An dieser Rechtsprechung hält der Senat im Streitfall fest. Ein Zweifel über die Identität der Steuerschuldner kann im Streitfall schon deswegen nicht entstehen, weil sie nicht in anderer Rechtsform oder durch eine andere Vermietertätigkeit innerhalb eines anderen Unternehmens tätig sind.

bb) Auch in der Sache sind -- wie das FG zutreffend ausgeführt hat -- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1983 bis 1985 nicht vorhanden.

Die Zwischenvermietung von Wohnraum schließt den Vorsteuerabzug für Leistungen, die für die vermietete Wohnung verwendet werden, grundsätzlich aus (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980), wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (zusammengefaßt in dem Urteil vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931 m. w. N.) entschieden hat. Erfolglose eigene Vermietungsbemühungen vor Abschluß des Zwischenmietvertrages haben die Antragsteller nicht bewiesen.

Unzutreffend ist die Ansicht der Antragsteller, wonach sich aus Abschn. 148 a Abs. 3 UStR 1988 ergebe, daß ein für fünf Jahre abgeschlossenes Zwischenmietverhältnis von der Finanzverwaltung nicht als rechtsmißbräuchlich beurteilt werden dürfe.

cc) Aus den vorbezeichneten Gründen bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßgkeit der Abrechnungen zur Umsatzsteuer 1983 bis 1985.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420702

BFH/NV 1995, 1042

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