Entscheidungsstichwort (Thema)

Statthaftigkeit eines unmittelbar bei Gericht gestellten AdV-Antrags

 

Leitsatz (NV)

Ein unmittelbar beim BFH gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (vor Antragstellung bei der Behörde) ist statthaft, wenn das FG die Klage in der Hauptsache abgewiesen und den bisherigen Standpunkt des FA zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids gebilligt hat und wenn der Antrag allein mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit begründet wird.

 

Normenkette

FGO § 69; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Antragstellerin ist die Rechtsnachfolgerin der R-OHG. Diese OHG ist mit Wirkung zum 31. Dezember 1980 in die Antragstellerin, eine GmbH, umgewandelt worden. Die Einkünfte der Gesellschafter der R-OHG wurden vom Antragsgegner (Finanzamt - FA -) erklärungsgemäß zunächst als solche aus selbständiger Arbeit behandelt. Aufgrund einer Betriebsprüfung kam das FA jedoch zu dem Ergebnis, daß die gemeinsame Tätigkeit der Gesellschafter der R-OHG im Rahmen dieser Gesellschaft eine gewerbliche sei. Es erließ daraufhin Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre (1976 bis 1980), in denen die Gewinne der R-OHG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt wurden. Da die R-OHG im Zeitpunkt des Erlasses der Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 bereits in eine GmbH umgewandelt worden war, ergingen die Feststellungsbescheide gegen die früheren Gesellschafter der R-OHG, nämlich K, L und N. Außerdem ergingen Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1976 bis 1980. Diese adressierte das FA an die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der R-OHG. Die Einspruchsentscheidungen ergingen, soweit sie die Gewinnfeststellungsbescheide betrafen, gegenüber den früheren Gesellschaftern der R-OHG und soweit sie die Gewerbesteuermeßbescheide betrafen, gegenüber der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der R-OHG.

Gegen alle Bescheide hat die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der R-OHG Klage erhoben. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das FG-Urteil ist gegen die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der R-OHG ergangen. Als solche hat die Antragstellerin auch gegen das FG-Urteil Revision eingelegt.

Gleichzeitig mit der Revisionseinlegung stellte die Antragstellerin den Antrag, die ,,Vollziehung in Sachen Urteil des Finanzgerichts München vom 27. 11. 1984, Aktenz.: . . . auszusetzen.

Nachdem das FA beantragt hatte, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, weil die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht abgelehnt habe (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG -), stellte die Antragstellerin beim FA einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 14. Mai 1985 ab. Die Antragstellerin hat daraufhin ihren Aussetzungsantrag beim Bundesfinanzhof (BFH) wiederholt.

Das FA vertritt die Auffassung, im Streitfall seien zwei Anträge auf Aussetzung der Vollziehung gestellt worden, von denen der erste unzulässig, der zweite unbegründet sei.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, soweit mit ihm die Aussetzung der Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 begehrt wird; denn die Antragstellerin ist insoweit nicht antragsbefugt. Zur Begründung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf den Vorbescheid des Senats vom 19. November 1985 in der Hauptsache VIII R 25/85 (BFHE 146, 32 BStBl II 1986, 520) verwiesen.

2. Soweit die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide 1976 bis 1980 begehrt wird, ist der Antrag zwar zulässig, aber nicht begründet.

a) Die Antragstellerin ist insoweit antragsbefugt. Auch insoweit wird auf den Vorbescheid vom 19. November 1985 VIII R 25/85 verwiesen.

b) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß das FA im Zeitpunkt der Antragstellung beim BFH seinerseits eine Vollziehungsaussetzung noch nicht abgelehnt hatte. Zwar ist nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VGFGEntlG ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 VGFGEntlG ist aber ausnahmsweise ein direkter Zugang zum Gericht möglich, wenn es dem Beteiligten wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls aus sonstigen Gründen nicht zumutbar ist, zunächst einen Antrag bei der Behörde zu stellen. Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben, wenn das FG die Klage des Antragstellers in der Hauptsache abgewiesen und den bisherigen Standpunkt des FA zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids gebilligt hat und wenn der Aussetzungsantrag allein mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide begründet wird (BFH-Beschluß vom 20. Juli 1982 VIII S 28/81, nicht zur Veröffentlichung bestimmt). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Ist somit der zeitlich zuerst gestellte Antrag zulässig, so ist der später gestellte Antrag lediglich als eine Wiederholung des zuerst gestellten anzusehen.

c) Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide 1976 bis 1980 ist jedoch unbegründet, weil an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils des FG keine Zweifel bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO). Das folgt daraus, daß der erkennende Senat in seiner Sitzung vom 19. November 1985 die Revision der Antragstellerin durch Vorbescheid als unbegründet zurückgewiesen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422937

BFH/NV 1986, 540

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