Leitsatz (amtlich)

Haben die geschäftsführenden Gesellschafter einer KG im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren Klage erhoben, so kommt es für die Frage, ob die Kommanditisten notwendig zum Verfahren beizuladen sind, nicht darauf an, ob die einheitliche Gewinnfeststellung selbst, sondern nur, ob das Klagebegehren der KG sich (auch) auf Angelegenheiten erstreckt, für die die Kommanditisten nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO klagebefugt wären.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

In einem vor dem FG Hamburg anhängigen Rechtsstreit klagt die X-Reederei KG i. L., vertreten durch ihre Liquidatoren, gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (FA). Bei der Gesellschaft (im folgenden: KG) handelt es sich um eine Abschreibungsgesellschaft, an der 157 Kommanditisten beteiligt sind. Die Klage der KG richtet sich gegen die vom FA im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung erlassenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1969 bis 1971 und wendet sich gegen die Versagung von Sonderabschreibungen und gegen die Aktivierung einer an einen Schiffsvoreigentümer geleisteten Zahlung, deren sofortigen Abzug die KG unter dem Gesichtspunkt einer Zinsverlust-Ausgleichszahlung vorgenommen hatte.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) ist einer der Kommanditisten der KG. Er beantragte im anhängigen Klageverfahren der KG seine Beiladung, weil er der Auffassung war, die Interessen der Kommanditisten würden nicht mit der gebotenen Sorgfalt gewahrt. Eine Beiladung sei nach § 60 Abs. 3 FGO sogar notwendig, da die Kommanditisten an diesem Verfahren, in dem allein sie eine andere Gewinnverteilung geltend machen könnten, entscheidend beteiligt seien. Durch die Beiladung müsse für einen Kommanditisten, hier den Beschwerdeführer, die Möglichkeit geschaffen werden, die Akten einsehen und Fotokopien machen zu können.

Das FG lehnte den Beiladungsantrag ab, weil es sich in dem anhängigen Rechtsstreit weder um eine Angelegenheit i. S. von § 48 Abs. 1 Nr. 1 noch Nr. 2 FGO, sondern ausschließlich um die Feststellung des Gesamtgewinns der KG und damit um eine Angelegenheit i. S. von § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO handle, bei der die Klagebefugnis allein den geschäftsführenden Gesellschaftern, im Streitfall also den Liquidatoren, zustehe. Fehle aber dem Beschwerdeführer die Klagebefugnis, so komme weder eine einfache noch eine notwendige Beiladung in Betracht.

Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer weiterhin seine Beiladung zum Rechtsstreit der KG. Er führt aus, zu der Feststellung des FG, der Rechtsstreit der KG betreffe nur den Gesamtgewinn, könne wegen der bislang fehlenden Einsichtnahmemöglichkeit in die Akten nicht Stellung genommen werden. Es müsse daher zunächst Überlassung der Akten gefordert werden, auch um Regreßansprüche gegen den persönlich haftenden Gesellschafter sichern zu können, dessen Interessen mit denen der Kommanditisten nicht auf einen Nenner zu bringen seien, wie sich auch aus einer Parallelsache ergebe. Es werde beantragt, diese Sache beizuziehen.- Es sei zu befürchten, daß bestimmte Vorweggewinne nicht demjenigen zugerechnet worden seien, dem sie zugeflossen seien. Möglicherweise sei auch die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht anerkannt worden und seien Agio-Beträge und Vermittlungsprovisionen nicht als Betriebsausgaben anerkannt worden. Da die Liquidatoren offensichtlich die Interessen der Kommanditisten wahrzunehmen nicht bereit seien, müsse dem Beiladungsantrag stattgegeben werden.

Das FA und die durch die Liquidatoren vertretene KG widersprechen der Beiladung, da es sich im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich um die Gewinnfeststellung als solche und nicht um die Beteiligung der Kommanditisten an dem Gewinn handle.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Zutreffend ist das FG bei der Prüfung, ob der Beschwereführer gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beizuladen war, von der Frage der Klagebefugnis ausgegangen. Denn Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen in dem Sinne zusammen, daß ein nicht Klagebefugter auch nicht notwendig beizuladen ist (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). In einem Verfahren wie dem vor dem FG anhängigen einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren ergibt sich die Klagebefugnis aus § 48 FGO (für das Verwaltungsvorverfahren galt bzw. gilt Entsprechendes nach § 233 AO, § 352 AO 1977). Hiernach ist die Klagebefugnis unterschiedlich geregelt, je nachdem, worum es sich bei der Klage handelt. Stets sind die geschäftsführenden Gesellschafter und ist damit die Gesellschaft selbst klagebefugt (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Kommanditisten sind es nur (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO), soweit es sich um ihre Gewinnbeteiligung oder um sie persönlich angehende Fragen handelt. Nur soweit eine von den geschäftsführenden Gesellschaftern bzw. von der Gesellschaft selbst gegen einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid erhobene Klage (auch) einen dieser letztgenannten Punkte betrifft, sind die Kommanditisten notwendig beizuladen; nur dann steht ihrer Beiladung nicht die Vorschrift des § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO entgegen.

Im Streitfall sind derartige Punkte im Klageverfahren nicht geltend gemacht. Dabei spielt es keine Rolle, ob etwa in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren oder auch bei den Feststellungen der Steuerfahndung oder selbst beim Erlaß der einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide die Belange der Kommanditisten betreffende Punkte berührt oder berücksichtigt wurden. Das allein berechtigt nicht zur Beiladung der Kommanditisten in einem Klageverfahren, in dem es um diese Punkte zweifelsfrei nicht geht. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO Klagebefugte sind nur beizuladen, soweit sie durch das Klagebegehren der Geschäftsführenden berührt werden (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 48 FGO, Anm. 7). Wäre das nicht so, dann wäre die der Einschränkung der Klagebefugnis der nichtgeschäftsführenden Gesellschafter in § 48 Abs. 1 FGO entsprechende Einschränkung der Beiladungsbefugnis in § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO illusorisch, weil dann jeder nichtgeschäftsführende Gesellschafter mit der bloßen Behauptung, es läge ein Fall des § 48 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 FGO vor, seine Beiladung erzwingen könnte. Denn es wäre jedem Kommanditisten möglich, einen entsprechenden Fall und damit seine "Klagebefugnis" zu konstruieren, etwa mit der Behauptung einer zu geringen Gewinnzuteilung.

Eine solche Konsequenz entspricht nicht dem Sinn der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung. Nicht wenn der einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid an sich die Interessen der Kommanditisten berührt - was stets der Fall sein wird -, sondern nur wenn das Klageverfahren Punkte i. S. von § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO betrifft, hat eine Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO stattzufinden, weil nunmehr mit Wirkung für und gegen den Kommanditisten auch über diesen Punkt entschieden werden muß. Wird dagegen nur über den Gesamtgewinn gestritten, geht der nichtbeigeladene Kommanditist keiner Ansprüche, die er nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO geltend machen kann, verlustig. Für die Durchsetzung derartiger Ansprüche steht ihm, da er insoweit rechtsbehelfs- und klagebefugt ist, der Rechtsweg offen. Nur kann er sich nicht mit dem Verlangen nach Beiladung an eine nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO erhobene Klage anhängen.

Daß ein Kommanditist am einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren der Gesellschaft beteiligt werden will, insbesondere dann, wenn er das Vertrauen zu seinen geschäftsführenden Gesellschaftern verloren hat, mag verständlich erscheinen. Ein Kommanditist weiß aber bei Eingehung seiner gesellschaftsrechtlichen Bindung, daß er im Vergleich zu den geschäftsführenden Mitgesellschaftern nur eingeschränkte Rechte hat, wie sich dies auch in der fehlenden Klagebefugnis i. S. von § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO widerspiegelt, und daß er mit der Gesamtheit aller übrigen Gesellschafter von den Komplementären sich vertreten lassen muß, denen er insoweit sein Vertrauen geschenkt hat. Das Verfahren vor den Finanzbehörden oder -gerichten kann dann aber nicht dazu führen, dem in seinem Vertrauen enttäuschten Kommanditisten zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche gegen seine geschäftsführenden Gesellschafter und - u. U. über seine sich aus § 166 HGB ergebenden Rechte hinaus - zur Einsichtnahme in Unterlagen zu verhelfen.

2. Ob, wie die Vorinstanz mit Hinweis auf Ziemer-Birkholz (Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. § 60 Anm. 98) meint, in den Fällen des § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO wegen des Ausschlusses einer notwendigen Beiladung auch eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO sogar unzulässig ist, kann der Senat dahingestellt sein lassen, da hier jedenfalls über die Tatsache seiner Beteiligung am einheitlich festzustellenden Gewinn (Verlust) hinaus keine sonstigen rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers ersichtlich sind, die seine Beiladung fordern würden.

3. Da die Voraussetzungen für keine Art einer Beiladung gegeben waren, konnte die beantragte Aktenbeiziehung nicht stattfinden und konnte dem Beschwerdeführer auch nicht vorweg schon das gewährt werden, was er mit seinem nunmehr erfolglosen Beiladungsantrag zu erreichen suchte, nämlich Einsichtnahme in Akten und Unterlagen der KG zur Sicherung etwaiger Ansprüche gegenüber dem früheren Komplementär oder den Liquidatoren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72093

BStBl II 1977, 770

BFHE 1978, 17

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