Leitsatz (amtlich)

Es ist statthaft, daß ein Beteiligter gegen dasselbe Urteil des FG das ihm zustehende Rechtsmittel der Revision mehrfach einlegt. Über das Rechtsmittel der Revision ist einheitlich zu entscheiden, auch wenn eine Revisionseinlegung zurückgenommen ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1, §§ 124, 125 Abs. 2, § 155; ZPO §§ 566, 515 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln, das am 6. März 1981 dem Prozeßbevollmächtigten zugestellt worden ist, wie folgt Revision eingelegt:

1. Am 7. April 1981 reichten die Kläger durch ihren Prozeßbevollmächtigten beim FG eine Revisionsschrift vom 30. März 1981 ein.

Auf den am 1. Juni 1981 zugestellten richterlichen Hinweis, die Revision gegen das FG-Urteil sei verspätet am 7. April 1981 beim FG Düsseldorf eingegangen, fragte der Prozeßbevollmächtigte wegen des unzutreffend mitgeteilten FG zurück. Zur Fristversäumnis legte er nur dar, er könne sich angesichts des Erledigungseintrags in seiner Fristenkontrolle für den 30. März 1981 den Eingang beim FG nach neun Tagen nicht erklären.

2. Am 27. Juli 1981 reichte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger drei Schriftsätze vom 23. Juli 1981 ein:

a) Die Kläger erklärten die Rücknahme der Revision vom 30. März 1981.

b) Die Kläger beantragten wegen Versäumnis der Revisionsfrist gegen das FG-Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die Revisionsschrift vom 30. März 1981 sei infolge eines von dem Prozeßbevollmächtigten nicht verschuldeten Büroversehens erst am 6. April 1981 zur Post gegeben worden.

c) Die Kläger legten gegen dasselbe Urteil Revision ein.

Die Revision vom 23. Juli 1981 begründeten die Kläger am 14. August 1981 gleichlautend mit der Begründung zur Revision vom 30. März 1981.

Die Kläger sind der Auffassung, § 56 FGO schreibe vor, innerhalb der Antragsfrist auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, hier also die Revision. Demzufolge hätten sie zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vom 23. Juli 1981 die Revision am gleichen Tag erneut eingelegt und dann nochmals begründet. Da damit die gleiche Rechtshandlung wiederholt worden sei, hätten sie die Revision vom 30. März 1981 in Anlehnung an die zivilgerichtliche Praxis zurückgenommen, um eine gerichtliche Entscheidung auf die erste Revisionseinlegung zu ersparen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Die Beteiligten erklärten sich nachträglich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision vom 30. März 1981 ist zurückgenommen. Das Revisionsverfahren ist insoweit einzustellen.

Mit der Rücknahmeerklärung ist der Verlust dieser Revision eingetreten (§ 125 Abs. 2 FGO; vgl. §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Die Erklärung bedurfte nicht der Einwilligung des revisionsbeklagten FA, da die Beteiligten erst nach Rücknahme auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 125 Abs. 1 Satz 2 FGO). Seit Eingang der Rücknahmeerklärung ist diese Revision nicht mehr anhängig (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 125 Anm. 3 D, § 72 Anm. 3 E); eine Revisionsentscheidung ist hierzu nicht mehr zu treffen. Der Senat hat lediglich zur Klarstellung über die Verfahrenseinstellung und Kostenpflicht beschlossen.

Die Kläger haben die Rücknahme mit eindeutigem Wortlaut erklärt. Der Wortlaut entspricht dem Willen der Erklärenden, den die Kläger auf Anfrage erläuterten. Sie erklärten diese Rücknahme, um den Bundesfinanzhof (BFH) der Entscheidung über die erste Revisionseinlegung zu entheben.

2. Die Revision vom 23. Juli 1981 ist unzulässig.

Der Senat entscheidet hierüber nach §§ 124, 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß.

Die erneute Revisionseinlegung nach Rücknahme der zuerst eingelegten Revision ist statthaft. Die Revisionsrücknahme bewirkt nach § 125 Abs. 2 FGO nur den Verlust des eingelegten Rechtsmittels. Das Recht, Revision zu beantragen, kann innerhalb der Revisionsfrist wiederholt wahrgenommen werden (allgemeine Ansicht; Gräber, a. a. O., § 125 Anm. 9 A, m. w. N.). In dieser Folge unterscheidet sich die Revisionsrücknahme von der Klagerücknahme nach § 72 Abs. 2 Satz 1 FGO. Für das Revisionsverfahren ist zwischen dem Recht auf Revision (§ 115 Abs. 1 FGO) und der Einlegung der Revision (§ 120 FGO) zu unterscheiden. Über das Rechtsmittel der Revision ist einheitlich auch dann zu entscheiden, wenn gleichzeitig mehrere Revisionseinlegungen eines Beteiligten gegen dasselbe Urteil zur Entscheidung vorliegen sollten.

In der verfahrensrechtlichen Auffassung zur mehrfachen Rechtsmitteleinlegung stimmt der Senat mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) überein. Danach soll nur auf das zulässige Rechtsmittel entschieden werden, wenn bei Entscheidung zwei Berufungseinlegungen vorliegen, von denen sich eine als zulässig erweist. Stellt sich andernfalls die Unzulässigkeit beider Einlegungen heraus, ist das Rechtsmittel durch einheitliche Entscheidung zu verwerfen (Entscheidung vom 29. Juni 1966 IV ZR 86/65, BGHZ 45, 380; ferner Entscheidung vom 2. Oktober 1967 III ZB 24/67, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1968, 49, mit Anmerkung von Vollkommer in NJW 1968, 1092; vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts vom 3. Juli 1919 IV 88/19, RGZ 96, 186; vom 13. Juli 1921 VI 158/21, RGZ 102, 364; vom 30. Juni 1938 GSZ 2/38-IV B 26/37, RGZ 158/53). Sinngemäß sind im finanzgerichtlichen Verfahren die gleichen Vorschriften anzuwenden (§ 155 FGO mit §§ 566, 518, 519 ZPO). Im Streitfall liegt nur eine Revisionseinlegung vor. Die erste Revisionseinlegung ist bei Einlegung der zweiten, Revision zurückgenommen worden, weil die Kläger eine Entscheidung allein aufgrund der zweiten Revisionseinlegung herbeiführen wollten.

Die Revision, die mit Schriftsatz vom 23. Juli 1981 eingelegt worden ist, war zudem als Streitwertrevision statthaft. Sie ist jedoch wegen Versäumung der Revisionsfrist unzulässig. Denn die Revision ist erst am 27. Juli 1981 eingelegt worden, die Revisionsfrist war aber mit dem 6. April 1981 abgelaufen. Sie beträgt einen Monat und war mit der Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils am 6. März 1981 in Lauf gesetzt worden (§§ 120 Abs. 1 Satz 1, 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Frist konnte weder verkürzt noch verlängert werden (§ 54 Abs. 2 FGO mit § 224 Abs. 2 ZPO); diese Ausschlußfrist haben die Kläger mit der zweiten Revisionseinlegung um mehr als drei Monate versäumt.

Wegen der Fristversäumnis bei der zweiten Revisionseinlegung kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Es fehlt an einem Wiedereinsetzungsantrag für diese Revisionseinlegung. Nur für die zurückgenommene, zuerst eingelegte Revision vom 30. März 1981 war ein Wiedereinsetzungsantrag eingereicht worden, in dem Begründungstatsachen für deren Eingang beim FG am 7. April 1981 dargelegt wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74810

BStBl II 1984, 833

BFHE 1985, 467

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