Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Hinweispflicht auf § 56 FGO bei Steuerberater; Kopiervorlage bei Telefax muss unterschrieben sein

 

Leitsatz (NV)

  1. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, wenn ein Steuerberater vom Finanzgericht nur auf die fehlende Unterschrift der per Telefax übermittelten Klage, nicht aber auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen wird.
  2. Die Frage, ob bei Übermittlung der Klageschrift durch Telefax der Schriftform nur dann genügt und die Klage nur dann wirksam erhoben ist, wenn die Kopiervorlage unterschrieben ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, sondern durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.
 

Normenkette

FGO § 64 Abs. 1, § 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3

 

Gründe

Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unbegründet. Die Kläger haben weder eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufgeworfen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) noch hat das Finanzgericht (FG) einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begangen.

1. Es begründet keinen Verfahrensfehler, dass das FG den Klägern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt hat. Die Kläger haben eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtzeitig innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) beantragt. Das FG hat entgegen der Auffassung der Kläger nicht dadurch gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßen, dass die Geschäftsstelle des zuständigen Senats des FG das Büro des Prozessbevollmächtigten am Tag nach Eingang der mit Telefax übermittelten Klageschrift darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Unterschrift fehlt, ohne in diesem Gespräch oder dem Telefonat vom 16. März 1998 auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO hinzuweisen. Denn bei einem Steuerberater kann ebenso wie bei einem Rechtsanwalt angenommen werden, dass er über die Möglichkeit, bei Versäumung einer gesetzlichen Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, informiert ist. Daher hat das FG einer eventuellen Hinweispflicht auf jeden Fall mit der Mitteilung, dass die per Telefax übermittelte Klageschrift nicht unterschrieben sei, Genüge getan. Es bestand keine Verpflichtung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, außerdem auch noch auf § 56 FGO hinzuweisen.

Aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Januar 1996 V B 89/95 (BFH/NV 1996, 683) ergibt sich nichts anderes. Dieser Beschluss betrifft nicht die Frage, ob der Vorsitzende oder Berichterstatter bei einem Steuerberater oder Rechtsanwalt verpflichtet ist, bei fehlender Unterschrift der Klageschrift nicht nur auf diese Tatsache, sondern außerdem auch noch ausdrücklich auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinzuweisen. Dort ging es vielmehr darum, ob dann, wenn ohnehin innerhalb der Klagefrist eine richterliche Verfügung aus anderen Gründen ergangen war, gemäß § 76 Abs. 2 FGO eine Verpflichtung bestanden hatte, darauf hinzuweisen, dass Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift bestehen.

Im Streitfall stand auch die nachfolgende Aufforderung vom 20. März 1998 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, die Klage zu begründen, der Ablehnung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen. Denn die Sorge um die Einhaltung der Klagefrist und die rechtzeitige Stellung eines gegebenenfalls gebotenen Wiedereinsetzungsantrags obliegt nicht dem Gericht, sondern dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juli 1997 VII B 127/97, BFH/NV 1998, 64). Der Prozessbevollmächtigte durfte deshalb aus der Aufforderung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, die Klage zu begründen, nicht den Schluss ziehen, die Klagefrist sei gewahrt und der Mangel der eigenhändigen Unterschrift innerhalb der Klagefrist geheilt, so dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht erforderlich sei. Dies gilt umso mehr, als die Aufforderung vom 20. März 1998 durch eine Geschäftsstellenbeamtin und nicht durch einen der für die Beurteilung der wirksamen Klageerhebung zuständigen Richter des FG-Senats erfolgte.

2. Die Kläger haben mit der Beschwerde auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) aufgeworfen. Die Frage, ob die Kopiervorlage einer per Telefax übermittelten Klageschrift unterschrieben sein muss, ist nicht grundsätzlich bedeutsam, weil sie von der Rechtsprechung bereits geklärt ist.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass bestimmende Schriftsätze und Rechtsmittel wegen der erforderlichen Schriftform (vgl. z.B. § 64 Abs. 1 FGO für die finanzgerichtliche Klage) grundsätzlich eigenhändig von der postulationsfähigen Person unterschrieben sein müssen (vgl. Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 29. September 1998 XI ZR 367/97, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1998, 3649, mit umfassenden Nachweisen, unter II. 3. der Gründe; BFH-Urteil vom 16. März 1999 X R 41/96, BFHE 188, 528, BStBl II 1999, 565). Ebenso ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass bei Einlegung von (fristgebundenen) Rechtsmitteln wie auch bei bestimmenden Schriftsätzen ein bei dem Gericht eingehender Telebrief oder ein unmittelbar dem Gericht übertragenes Telefax als wirksame schriftliche Erklärung anzusehen ist, sofern die Kopiervorlage erkennbar ordnungsgemäß unterschrieben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. April 1996 V S 6/96, BFH/NV 1996, 824; BGH-Beschlüsse vom 11. Oktober 1989 IVa ZB 7/89, Wertpapier-Mitteilungen/ Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1989, 1820, 1821; vom 20. September 1993 II ZB 10/93, NJW 1993, 3141; vom 4. Mai 1994 XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097; Urteil des Bundesarbeitsgerichts ―BAG― vom 27. März 1996 5 AZR 576/94, NJW 1996, 3164).

Die Rechtsauffassung, dass bei einem Telebrief oder einem Telefax die Schriftform nur dann als gewahrt angesehen wird, wenn die Kopiervorlage unterschrieben ist, ist nicht dadurch grundsätzlich bedeutsam und überprüfungsbedürftig geworden, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung inzwischen bei bestimmten anderen Übermittlungsarten durch moderne technische Kommunikationsmittel geringere Anforderungen an die Schriftlichkeit gestellt hat (vgl. z.B. betreffend Computer-Telefax BFH-Beschluss vom 11. November 1997 VII B 108/97, BFH/NV 1998, 604, und Beschluss des Bundessozialgerichts vom 15. Oktober 1996 14 BEg 9/96, NJW 1997, 1254; betreffend "Btx-Mitteilung" Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1994 5 B 79/94, NJW 1995, 2121). Denn bei einer Übermittlung durch andere moderne technische Kommunikationsmittel ist auf die Unterschrift nur dann verzichtet worden, wenn ―ebenso wie bei einer telefonischen Telegrammaufgabe― kein körperliches Originalschriftstück existiert, das hätte unterschrieben werden können. Hier kann die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt werden, dass seine Unterschrift eingescannt wird (so im Fall des BGH in NJW 1998, 3649) oder der Hinweis angebracht wird, dass der benannte Urheber wegen der Besonderheiten der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (so der Fall des BFH in BFH/NV 1998, 604). Die geringeren Anforderungen an die Schriftlichkeit in diesen Fällen der modernen Telekommunikationsmittel können aber ―wie das BAG in NJW 1996, 3164 zutreffend in seiner Auseinandersetzung mit den Gründen des BFH-Beschlusses vom 29. November 1995 X B 56/95 (BFHE 179, 233, BStBl II 1996, 140) ausgeführt hat― kein Grund sein, auf das Unterschriftserfordernis auch insoweit zu verzichten, als es die Technik der Übermittlung nicht erfordert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426477

BFH/NV 2000, 1358

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