Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Nichterhebung von Gerichtskosten bei Irrtum über zutreffendes Rechtsmittel

 

Leitsatz (NV)

Wird der Kostenschuldner durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, der entgegen Rechtsmittelbelehrung und Urteilstenor statt einer Beschwerde die Revision einlegt, so kann von der Erhebung der Kosten wegen unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht abgesehen werden.

 

Normenkette

GKG § 8 Abs. 1 S. 3

 

Tatbestand

Die Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) wenden sich gegen die Kostenrechnung für das Revisionsverfahren IV R …, das durch Beschluss des Senats vom 5. November 2003 eingestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2003 hatten die Erinnerungsführer gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 9. September 2003 Revision eingelegt. Der Schriftsatz lautet: "Gegen die Nichtzulassung der Revision an den Bundesfinanzhof lege ich hiermit das Rechtsmittel der Revision ein. …" Die zugleich mit gesondertem Schriftsatz erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde ebenfalls zurückgenommen (Einstellungsbeschluss des Senats vom 23. Januar 2004.

Die Erinnerungsführer machen geltend, die Revision sei irrtümlich "gegen die Nichtzulassung der Revision" eingelegt worden. Als der Irrtum bemerkt worden sei, hätten sie, die Erinnerungsführer, "dann (berichtigend) das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt". Sie seien davon ausgegangen, dass das offenkundige Versehen erkannt worden sei. Erst als man erfahren habe, dass die Revision unter dem Aktenzeichen IV R … geführt werde, habe man das Rechtsmittel unter Hinweis auf das Versehen zurückgenommen. Unter diesen Umständen sei nicht nachvollziehbar, dass eine Kostenrechnung habe ergehen müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist nicht begründet.

Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Erinnerungsführer kommt § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Betracht, der auch im Verfahren der Erinnerung anzuwenden ist, wenn ―wie im Streitfall― bereits eine Kostenrechnung ergangen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Februar 1967 III B 8/66, BFHE 88, 276, BStBl III 1967, 369, zu dem nahezu gleichlautenden § 7 GKG a.F.; Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz, 5. Aufl. 2003, § 8 Rn. 15).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG kann für abweisende Bescheide sowie bei Zurücknahme eines Antrags von der Erhebung der Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag (hier: Einlegung der Revision) auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Der Einstellungsbeschluss des Senats vom 5. November 2003 gehört zwar nicht zu den "abweisenden Bescheiden" im Sinne dieser Vorschrift. Die Rücknahme der Revision durch die Erinnerungsführer ist jedoch die Zurücknahme eines Antrags i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG. Dieser Antrag beruht indessen nicht auf einer unverschuldeten Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, wobei sich die Erinnerungsführer ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden anrechnen lassen müssen (§ 155 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Die Prozessbevollmächtigte hat die unstatthafte Revision nicht unverschuldet eingelegt. Denn von einem Prozessbevollmächtigten kann und muss verlangt werden, dass er die Rechtsmittelbelehrung zu der Entscheidung, die er anfechten will, zur Kenntnis nimmt (Senatsbeschluss vom 28. Juni 2002 IV B 72-74/01, juris). Das klageabweisende Urteil des FG war nicht nur mit einer formularmäßigen Rechtsmittelbelehrung versehen, sondern enthielt auch im Tenor den Ausspruch, die Revision werde nicht zugelassen. Zwar hatte die Prozessbevollmächtigte das Rechtsmittel "gegen die Nichtzulassung der Revision an den Bundesfinanzhof" eingelegt und auf den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hingewiesen. Angesichts der eindeutigen Bezeichnung als Revision blieb dem Senat jedoch keine Möglichkeit, den Schriftsatz als Nichtzulassungsbeschwerde auszulegen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein tatsächliches Versehen oder um einen Rechtsirrtum gehandelt hat. Denn kann sich ein rechtskundiger Prozessbevollmächtigter selbst dann nicht auf eine unverschuldete Unkenntnis i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG berufen, wenn ihm eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde (BFH-Beschluss vom 10. August 1999 VII B 22/99, BFH/NV 2000, 77), so gilt dies erst recht im Streitfall, in dem Rechtsmittelbelehrung und Tenorierung der angefochtenen Entscheidung keine Zweifel über das zutreffende Rechtsmittel zuließen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 5 Abs. 6 Satz 1 GKG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1143932

BFH/NV 2004, 967

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