Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderung an die Revisionsbegründung, wenn das FG-Urteil mit Doppelbegründung versehen ist

 

Leitsatz (NV)

Ist das Urteil der Vorinstanz auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragfähige rechtliche Erwägungen gestützt, so muß der Revisionskläger in der Revisionsbegründung formgerecht für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung das angefochtene Urteil nicht tragen; anderenfalls ist die Revision unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Rechtsnachfolger des während des Klageverfahrens verstorbenen A. Dieser und seine im Jahre 1901 geborene Schwester B waren aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern alleinige Erben ihrer im Jahre 1954 verstorbenen Mutter. Nach dem Testament sollte das Wohn- und Geschäftsgrundstück in X an A fallen; der Schwester stand das Recht zu, von A die Hälfte des Reinertrages des Grundstücks zu verlangen. Das Grundstück hatte die Mutter bereits im Jahre 1951 auf A übertragen; die testamentarische Bestimmung über die Beteiligung der B am Reinertrag war in den Übertragungsvertrag vom 6. September 1951 aufgenommen worden.

Durch Vertrag vom 1. Dezember 1956 verzichtete B gegenüber A auf die Rechte aus dem Übertragungsvertrag und dem Testament gegen Freistellung von allen sich aus ihrer Erbenstellung ergebenden Verpflichtungen und gegen Zahlung einer lebenslänglichen monatlichen Rente in Höhe von zunächst 300 DM und ab dem 1. Januar 1961 400 DM. Der Rentenanspruch wurde durch eine Reallast gesichert. Der Vertrag enthält keinen Hinweis auf eine Abänderbarkeit der Rentenhöhe.

Mit Vertrag vom 17. Juli 1965 erhöhten A und B die Rente auf 600 DM und vereinbarten zusätzlich eine Anpassungsklausel, nach der sich ,,die Leibrente" in dem gleichen prozentualen Verhältnis erhöhen oder ermäßigen sollte wie die vertraglich vereinbarten Miet- oder Pachteinnahmen des A für die an zwei Firmen vermieteten Räume des Grundstücks . . ..

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1981 beantragte A, eine dauernde Last in Höhe von 12 000 DM zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzulassen. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Während des Klageverfahrens hat das FA den angefochtenen Steuerbescheid in der Weise geändert, daß es einen Ertragsanteil in Höhe von 1 392 DM (400 DM x 12 x 29 v. H.) zum Abzug als Sonderausgabe zuließ.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das FA habe zu Recht nur einen Ertragsanteil von 29 v. H. des Betrages von 4 800 DM abgezogen. Dem Grunde nach sei nur der Teil der Zahlungen abziehbar, der seinen Rechtsgrund in dem gegenseitigen Vertrag vom 1. Dezember 1956 finde. Einem weitergehenden Abzug stehe § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen. § 12 Nr. 2 EStG gelte für alle Zuwendungen, denen keine Gegenleistung gegenüberstehe. Als eine solche Gegenleistung komme nur der Verzicht der B auf ihren Anspruch auf Beteiligung am Reinertrag in Betracht (Vertrag vom 1. Dezember 1956). Dagegen fehle es an einer Gegenleistung der B für alle Geldleistungen des A, die ausschließlich auf dem neun Jahre später abgeschlossenen Vertrag vom 17. Juli 1965 beruhten, d. h. für alle Beträge, die auf den in diesem Vertrag enthaltenen Erhöhungs- bzw. Anpassungsklauseln beruhten. Insoweit handele es sich um einseitige, unentgeltliche Leistungen des A an seine Schwester. Eine Gegenleistung seitens des A sei weder von diesem behauptet worden noch anderweitig ersichtlich; eine solche Gegenleistung liege jedenfalls nicht in dem neun Jahre zuvor erklärten Verzicht. Im Vertrag vom 1. Dezember 1956 seien gleichmäßige Leistungen und damit eine Leibrente vereinbart worden; die nach dem Testament zu zahlenden ungleichmäßigen Leistungen seien durch gleichmäßige ersetzt worden. Die neun Jahre später vereinbarte Anknüpfung der Zahlungen an eine Änderung der vereinbarten Miet- und Pachteinnahmen könne den Charakter der Leibrente nicht mehr nachträglich verändern. Dieser Rechtscharakter ergebe sich aus dem gegenseitigen Vertrag, durch den eine entsprechende Zahlungspflicht begründet worden sei. Im übrigen sei die Vereinbarung vom 17. Juli 1965 nicht wie unter fremden Dritten durchgeführt worden. A habe nach seinem eigenen Vortrag niedrigere Beträge - 1 000 DM monatlich - gezahlt, als sie nach der Anpassungsklausel dieses Vertrages geschuldet gewesen seien. A vertrete dazu die unrichtige Auffassung, daß seine Schwester mangels Kenntnis von der Höhe der Miet- und Pachtzinsen keine höheren Ansprüche geltend gemacht habe.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen vor: Maßgebend für die steuerrechtliche Beurteilung sei der Vertrag vom 17. Juli 1965. Auf dieser Grundlage seien im Streitjahr 1 000 DM monatlich gezahlt worden. Das FG sei jedoch der Auffassung, der Vertrag sei nicht wie vereinbart durchgeführt worden. Dies treffe nicht zu. Ein Verzicht auf höhere Geldzahlungen liege nicht vor, weil B von den Veränderungen der Miet- und Pachteinnahmen keine Kenntnis gehabt hätte. Entgegen der Auffassung des FG hänge die rechtliche Beurteilung der Zahlungen nicht davon ab, ob sie nach der Anpassungsklausel in vollem Umfange geleistet wurden. Die Zahlungen hätten daher nicht den Charakter einer Leibrente. Dies werde bereits daraus deutlich, daß die Zahlungen ursprünglich in Höhe von 400 DM vereinbart waren, dann auf 600 DM erhöht wurden und im Streitjahr in Höhe von 1 000 DM geleistet wurden und nach den in notarieller Form geschlossenen Vereinbarungen auch in dieser Höhe zu leisten waren. Eine Rentenanpassung für eine Leibrente wäre in diesem Ausmaß undenkbar. B nehme damit ,,an der wirtschaftlichen Verpachtung teil".

Eine angekündigte weitere Revisionsbegründung ist nicht eingegangen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß begründet worden ist.

1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Zur ordnungsgemäßen Revisionsbegründung bedarf es zumindest einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, aus der zu erkennen ist, daß der Revisionskläger die Begründung dieses Urteils und sein eigenes bisheriges Vorbringen überprüft hat (ständige Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 32). Der Revisionskläger muß dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen, welche Punkte des angefochtenen Urteils als veränderungsbedürftig angesehen werden und aus welchen Gründen im einzelnen die Änderung für geboten erachtet wird (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470; vom 1. Juni 1988 IX R 115/83, BFH / NV 1988, 796).

Ist das Urteil der Vorinstanz auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragfähige rechtliche Erwägungen gestützt, so muß der Revisionskläger in der Revisionsbegründung formgerecht für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung das angefochtene Urteil nicht tragen; anderenfalls ist die Revision unzulässig (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 25. Januar 1990 IX ZB 89/89, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1990, 1184; BFH-Beschluß vom 21. April 1984 VIII R 97-101/84, nicht veröffentlicht - NV -).

2. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht.

Die Kläger bringen lediglich zum Ausdruck, daß sie die Klageabweisung nicht billigen. Sie skizzieren den Sachverhalt und bekunden ohne jegliche Begründung ihre Auffassung, daß für die rechtliche Beurteilung der Vertrag vom 17. Juli 1965 maßgeblich sei. Sie gehen nicht auf die diesbezüglichen rechtlichen Erwägungen des FG ein; die erforderliche sachliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen, auf denen dieser Teil des Urteils beruht, fehlt.

Sodann befassen sich die Kläger mit der Auffassung der Vorinstanz, der Vertrag sei nicht wie vereinbart durchgeführt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die diesen Punkt betreffende Revisionsbegründung für sich allein den Anforderungen des § 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO genügt. Dies würde, da das Urteil des FG auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt ist, nicht ausreichen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418294

BFH/NV 1992, 536

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge