Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen Versagung der Prozeßkostenhilfe; Begründung

 

Leitsatz (NV)

Die Beschwerde gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe durch das FG bedarf - für ihre Zulässigkeit - keiner Begründung. Sie ist aber i.d.R. unbegründet, wenn der Beschwerdeführer zur Begründung lediglich auf sein Vorbringen in der Vorinstanz Bezug nimmt.

 

Normenkette

FGO § 128 Abs. 1, § 142; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Klägerin (Klägerin) war Geschäftsführerin einer Baugesellschaft mbH (GmbH), über deren Vermögen am 2. April 1984 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Die GmbH führte seit August 1983 die von den Arbeitslöhnen einbehaltenen Lohnsteuern nicht vollständig an das Finanzamt (FA) ab. Das FA nahm die Klägerin durch Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung gemäß §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen nicht abgeführter Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer für die Monate August bis Dezember 1983 sowie wegen Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen (insgesamt 21 298,64 DM) in Anspruch.

Mit ihrer beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei nicht verpflichtet gewesen, zum Zwecke der Befriedigung des FA nur einen gekürzten Lohn an die Arbeitnehmer der GmbH auszuzahlen. Sie habe mit einer Mitarbeiterin des FA wiederholt über eine Stundung der Steuerschulden der GmbH gesprochen und diese auch mündlich zugesichert bekommen. Ihr Steuerberater habe ihr versichert, einen Stundungsantrag für die GmbH gestellt und einen Zahlungs- bzw. Vollstreckungsaufschub erreicht zu haben. Bei der Zahlung der Löhne habe sie davon ausgehen dürfen, die Lohnsteuerabzugsbeträge entrichten zu können, wenn die Außenstände der GmbH beglichen würden. Deren Hauptschuldnerin habe dann aber bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens keine Zahlungen mehr geleistet. Wären die ausstehenden Zahlungen fristgerecht geleistet worden, so hätte sie ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem FA erfüllen können. Angesichts dieser Tatsachen sei ein Schuldvorwurf ihr gegenüber nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin hat im Klageverfahren beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihr ihre Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.

Das FG hat den Antrag auf Gewährung von PKH und Beiordnung der Prozeßbevollmächtigten mit der Begründung abgewiesen, daß die Rechtsverfolgung der Klägerin im Klageverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Das FA habe die Klägerin als ehemalige Geschäftsführerin der GmbH durch den angefochtenen Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung nach den §§ 191 Abs. 1, 69, 34 AO 1977, 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) dem Grunde und der Höhe nach zu Recht für die Lohnsteuerrückstände der GmbH in Anspruch genommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verletze die Nichtabführung der Lohnsteuer im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den von ihr verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977); die Verletzung dieser Verpflichtung sei regelmäßig schuldhaft (Urteile vom 11. Mai 1962 VI 195/60 U, BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342; vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364, und vom 20. April 1982 VII 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521, 522). Die Klägerin habe im Streitfall grob fahrlässig gehandelt, weil sie die Sorgfalt, zu der sie nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen sei, in ungewöhnlich grobem Maße verletzt habe.

Sie sei nicht etwa dadurch entschuldigt, daß der GmbH im Zeitpunkt der Lohnzahlung keine Gelder für die Abführung der Lohnsteuer zur Verfügung gestanden hätten. In diesem Falle hätte die GmbH als Arbeitgeberin - und damit die Klägerin als deren Vertreterin - die Löhne nur gekürzt als Vorschuß oder als Teilbetrag auszahlen dürfen und die entsprechende Lohnsteuer aus den dann übrigbleibenden Mitteln abführen müssen. Diese Kürzungsverpflichtung hätte der Klägerin bekannt sein müssen, denn auf der Rückseite des Vordrucks über die Lohnsteueranmeldung werde auf sie hingewiesen. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob es als Entschuldigungsgrund für die mangelnde Lohnkürzung anerkannt werden könne, wenn die Verschlechterung der Liquiditätsverhältnisse in dem Zeitraum zwischen Lohnzahlung und Lohnsteuerfälligkeit eintrete. Denn die Angaben der Klägerin reichten für die Feststellung im Streitfall nicht aus, daß die Verschlechterung der Liquiditätsverhältnisse der GmbH zwischen Lohnzahlung und Lohnsteuerfälligkeit eingetreten sei. Die Tatsache, daß die Klägerin häufig Gespräche mit der Vollstreckungsstelle des FA geführt habe, spreche eher für eine allgemeine Liquiditätsschwäche der GmbH als für eine unerwartet eingetretene Liquiditätsverschlechterung.

Zu Unrecht meine die Klägerin, durch das Verhalten der Vollstreckungsstelle des FA entschuldigt zu sein. Bei den dem FA zur Steuerüberwachung eingeräumten Befugnissen handele es sich nicht um Pflichten, die dem FA im Verhältnis zum jeweiligen Arbeitgeber oblägen. Deshalb könne sich der einzelne Arbeitgeber im Falle seiner Inanspruchnahme wegen nichtabgeführter Abzugsbeträge nicht darauf berufen, das FA habe die ihm zustehenden Rechte nicht wahrgenommen. Die Klägerin habe somit das Verhalten der Bediensteten der Vollstreckungsstelle nicht als Stundung auslegen dürfen. Sie hafte nach § 69 Satz 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 AO 1977 auch für die im Haftungsbescheid festgesetzten Verspätungszuschläge.

Das FA habe mit der Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Zwar habe es seine Ermessensentscheidung nicht erkennbar im Haftungsbescheid getroffen. Es habe jedoch in der Begründung zum Haftungsbescheid darauf hingewiesen, daß die Erwägungen, die die Ermessensentscheidung bestimmt hätten, sich aus dem vorangegangenen Schreiben vom 28. Februar 1984 ergeben würden, so daß eine Erläuterung der Ermessenserwägungen in diesem Bescheid entbehrlich sei. Die in dem angeführten Schreiben angestellten Ermessenserwägungen seien ohne Rechtsfehler.

Die Klägerin hat gegen den die PKH ablehnenden Beschluß des FG Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, ihr für das Klageverfahren unter Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten PKH zu bewilligen. Zur Begründung nimmt sie auf ihr gesamtes bisheriges Vorbringen Bezug.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde gegen die Versagung der PKH durch das FG ist zulässig (§ 128 Abs. 1 und § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Die Beschwerdeschrift der Klägerin ist innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung (§ 129 Abs. 1 FGO) beim FG eingegangen. Sie enthält einen bestimmten Antrag und die genaue Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist es ohne Bedeutung, daß die Beschwerdeschrift keine eigenständige Begründung enthält, sondern nur pauschal auf das gesamte bisherige Vorbringen der Klägerin Bezug nimmt. Denn es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Begründung der Beschwerde. Dadurch unterscheidet sich die Beschwerde nach § 128 FGO von der Revision und der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 und § 120 FGO; BFH-Beschluß vom 25. April 1968 VI B 47/67, BFHE 92, 469, BStBl II 1968, 608; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 129 Rz. 5).

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Das FG hat der Klägerin die Bewilligung der PKH zu Recht mit der Begründung versagt, daß die bei ihm anhängige Klage gegen den Haftungsbescheid keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 114 ZPO). Die Ausführungen des FG über die Rechtmäßigkeit des gegen die Klägerin ergangenen Haftungsbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BFH, auf die das FG in seiner Entscheidung verwiesen hat. Das gilt insbesondere hinsichtlich der mangelnden Entschuldbarkeit der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung - Nichtabführung der Lohnsteuer bzw. Auszahlung ungekürzter Nettolöhne - durch die besonderen Umstände des Streitfalles sowie hinsichtlich der Ausführungen des FG zur behördlichen Ermessensausübung und -begründung. Das FG hat das Vorbringen der Klägerin in dem angefochtenen Beschluß zutreffend gewürdigt. Da sich die Klägerin in ihrer Beschwerde mit der Entscheidung der Vorinstanz nicht auseinandergesetzt hat und sie ihre Begründung nicht erweitert hat, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Begründung der Vorentscheidung Bezug.

Hinsichtlich der Verpflichtung zur Kürzung der Nettolöhne zum Zwecke der anteiligen Befriedigung des FA neben den Arbeitnehmern (Urteil des Senats in BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521) sei ergänzend noch darauf hingewiesen, daß nach dem Vorbringen der Klägerin im Einspruchsverfahren bereits ab August 1983 die Mittel der GmbH zur Befriedigung ihrer Gläubiger nicht mehr ausgereicht haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Geschäftsführer von der Einhaltung steuerlicher Verpflichtungen auch dann nicht befreit, wenn diese - etwa durch Arbeitsniederlegung seitens der Arbeitnehmer im Falle der Auszahlung gekürzter Nettolöhne - die Gefahr der Betriebsstillegung mit sich bringt. Das natürliche Bestreben des Unternehmers oder Geschäftsführers, zunächst die für den Fortbestand des Betriebs unumgänglichen Verpflichtungen zu befriedigen, und der hohe Rang, der der Erhaltung des Betriebs und seiner Arbeitsplätze nach der bestehenden Rechts- und Sozialordnung zukommt, rechtfertigen es nicht, die Abführung der auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuer an das FA zurückzustellen (Beschluß des Senats vom 17. Juli 1984 VII S 9/84, BFH/NV 1986, 583, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Abgabenordnung, § 69, Rechtsspruch 7).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415549

BFH/NV 1988, 579

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