Leitsatz (amtlich)

Ob die Anwendung der Pauschsätze für Verpflegungsmehraufwand infolge doppelter Haushaltsführung (Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR) bei ausländischen Arbeitnehmern zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab. Da es sich hierbei um eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse handelt, kommt der Frage der Anwendung dieser Pauschsätze keine grundsätzliche Bedeutung zu.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2; EstG 1969 § 9 Abs. 1 Nr. 5; LStDV 1968 § 20 Abs. 2 Nr. 3; LStR Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Beim Beschwerdegegner, einem ausländischen Arbeitnehmer, lagen im Streitjahr die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1969, § 20 Abs. 2 Nr. 3 LStDV 1968) vor. Sein Bruttoarbeitslohn betrug im Streitjahr 21 282 DM. Der Beschwerdegegner beantragte im Lohnsteuer-Jahresausgleich u. a. für Verpflegungsmehraufwand den in Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR 1968 vorgesehenen Pauschbetrag von täglich 11 DM, ohne seine Mehraufwendungen im einzelnen nachzuweisen. Der Beschwerdeführer (FA) gewährte lediglich einen Betrag von 200 DM monatlich.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG gab der Klage statt. Es führte aus: Mehraufwendungen für Verpflegung könnten aus Gründen der Vereinfachung in der Regel ohne Einzelnachweis mit den Pauschbeträgen des Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR angesetzt werden. Die Anweisungen in Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR hätten zwar keine Gesetzeskraft. Die dort angeführten Richtsätze beruhten jedoch auf Erfahrungssätzen und seien von den Steuergerichten schon aus Gründen der Gleichbehandlung aller Steuerbürger zu beachten, solange sie nicht im Einzelfall zu offensichtlich falschen Ergebnissen führten. Diese Grundsätze habe der BFH in zahlreichen Entscheidungen (Urteile vom 19. Juli 1955 I 259/54 U, BFHE 61, 275, BStBl III 1955, 304; vom 17. August 1966 VI 116/65, BFHE 86, 713, BStBl III 1966, 634; vom 10. Dezember 1971 VI R 180/71, BFHE 104, 241, BStBl II 1972, 257) zu den Pauschsätzen für Verpflegungsmehraufwand bei Dienstreisen (Abschn. 21 Abs. 4 Nr. 3a und Abs. 6 LStR) entwickelt. Sie seien entsprechend auf die Pauschsätze für Verpflegungsmehraufwand aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung (Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR) anwendbar. Im Streitfall führe die Anwendung der Pauschsätze nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung.

Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß der Beschwerdegegner - wie die Mehrzahl aller Arbeitnehmer mit doppelter Haushaltsführung - die Hauptmahlzeit außerhalb seiner Wohnung in einer Kantine oder Gaststätte einnehme und sich das Frühstück und regelmäßig auch das Abendessen selbst zubereite oder zubereiten lasse. Die FÄ stellten in solchen Fällen regelmäßig keine weiteren Ermittlungen über die Gewohnheiten der Nahrungseinnahme der betreffenden Arbeitnehmer an. Im übrigen sei im Streitfall zu beachten, daß dem Beschwerdegegner nach Kürzung des maßgebenden Arbeitslohnes um die Werbungskosten, Sonderausgaben, Kinderfreibeträge und die Steuerbelastung ein Betrag von ca. 7 100 DM zum Bestreiten der üblichen Lebenshaltungskosten verbleibe.

Das FA hat gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, daß die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH, insbesondere von dem Urteil vom 14. April 1967 VI R 168/66 (BFHE 88, 422, BStBl III 1967, 430) abweiche. Die Anwendung von Pauschsätzen dürfe nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung führen. Wegen der allgemein bescheidenen Lebenshaltung ausländischer Arbeitnehmer lägen die durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen im Streitfall unter dem hierfür vorgesehenen Pauschsatz von täglich 11 DM. Dies ergebe sich daraus, daß der Beschwerdegegner von der Möglichkeit, eine Gemeinschaftsunterkunft bei einer Kostenbeteiligung von täglich 10 DM zu beziehen, nicht Gebrauch gemacht und sich geweigert habe, seine tatsächlichen Mehraufwendungen nachzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, da das FG die Revision nicht zugelassen hat, der Streitwert 1 000 DM nicht übersteigt und Gründe für eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) nicht ersichtlich sind.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die Vorentscheidung weicht nicht von dem vom Beschwerdeführer angeführten Urteil des BFH VI R 168/66 ab. In jener Entscheidung hat der Senat zur Bedeutung der Reisekostenpauschalen - insbesondere zu den Pauschsätzen für Verpflegungsmehraufwand in Abschn. 21 Abs. 4 LStR - Stellung genommen. Die Vorentscheidung hat die dort entwickelten Grundsätze auf den Fall des Verpflegungsmehraufwandes aus Anlaß doppelter Haushaltsführung entsprechend angewandt und ist somit nicht von dem Urteil des Senats VI R 168/66 abgewichen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluß vom 23. Juni 1967 VI B 11/67, BFHE 89, 256, BStBl III 1967, 611) kann die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde lediglich eine Abweichung der Vorentscheidung von einer Entscheidung des BFH geltend gemacht wird, durch die Beschwerde jedoch eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gibt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Der Senat hat im Urteil VI R 168/66 für den damals einschlägigen Abschn. 21 Abs. 4 LStR ausgeführt, daß auf die Anwendung der in den Lohnsteuer-Richtlinien festgesetzten Pauschsätze kein vor den Steuergerichten verfolgbarer Rechtsanspruch bestehe. Die Pauschsätze seien Schätzungen, die auf Verwaltungserfahrungen beruhten und schon aus Gründen der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen auch von den Steuergerichten beachtet werden sollten, solange sie nicht im Einzelfall offensichtlich zu falschen Ergebnissen führten. Diese Grundsätze, die der Senat zuletzt durch die Urteile VI R 180/71 und vom 20. Dezember 1971 VI R 257/70 (BFHE 104, 217, BStBl II 1972, 246) bestätigt hat, sind gleichermaßen auf in- und ausländische Arbeitnehmer anzuwenden. Die Frage, ob die Pauschsätze des Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 LStR bei einem ausländischen Arbeitnehmer zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen, hängt von allen Umständen des Einzelfalles und ihrer tatsächlichen Würdigung ab, macht indes den Rechtsstreit nicht zu einem solchen von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70173

BStBl II 1973, 252

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