Leitsatz (amtlich)

Hat sich der Rechtsstreit dadurch erledigt, daß das FA durch Rücknahme des angefochtenen Bescheids dem Antrag des Klägers auf Steuerbefreiung stattgegeben hat, so dürfen dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn er - trotz fünfmaliger Aufforderung durch das FA - die Tatsachen und Beweismittel, die er zur Begründung seines Einspruchs hätte anführen können und sollen, erstmals im Verfahren vor dem FG angeführt hat.

 

Normenkette

FGO §§ 137, 138 Abs. 2 S. 3; AO §§ 166, 169, 238 Abs. 3 S. 3; ErbStG § 35 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d; ErbStDV § 4 Abs. 1, 5 A ErbStDV § 4 Abs. 5 S. 1; StAnpG § 2

 

Tatbestand

Die 1965 kinderlos verstorbene Bäckermeisterswitwe M. hatte durch Testament die Klägerin zu ihrer Alleinerbin bestimmt, weil diese ihr "immer zur Seite gestanden" und sie "stets gut betreut" hatte. Die Klägerin hatte in ihrer Erbschaftsteuererklärung den Reinnachlaß mit 40 587 DM errechnet und beantragt, diesen Erwerb im Hinblick auf die der schwer zuckerkranken und bis zu 80 % erwerbsbeschränkten Erblasserin seit 1945 unentgeltlich gewährte Pflege gemäß § 18 Nr. 11 ErbStG steuerfrei zu lassen.

Das FA hatte mangels näherer Angaben nur 15 000 DM als angemessenes Entgelt für die Pflege angesehen und durch einheitlichen Steuerbescheid vom 16. Dezember 1966 die Erbschaftsteuer für die Klägerin und drei Vermächtnisnehmer auf 9 068 DM festgesetzt. Den Bescheid hatte es der Klägerin bekanntgegeben und den Steuerbetrag von ihr gefordert. Den trotz fünfmaliger Aufforderung nicht begründeten Einspruch hatte das FA als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage wurde beantragt, die Klägerin von der Erbschaftsteuer freizustellen, weil das für ihre Pflegeleistungen als angemessen anzusehende Entgelt 53 700 DM betrage, also den ihr angefallenen Erwerb übersteige. Sie hatte das Zeugnis eines Augenarztes über die Sehbehinderung der Erblasserin vorgelegt und näher ausgeführt, daß sie anstelle einer fremden Pflegeperson die Erblasserin, deren Zuckerkrankheit und deren Augenleiden sich ständig verschlimmert hätten, gepflegt, versorgt, ihr täglich die erforderlichen Spritzen gegeben und sie im Straßenverkehr begleitet habe. Daraufhin erklärte das FA die Rücknahme der Einspruchsentscheidung und des ihr zugrunde liegenden einheitlichen Erbschaftsteuerbescheids hinsichtlich der für die Klägerin "festgesetzten Teilsteuer im Betrag von 7 700 DM". Es erklärte die Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen, weil die Zurücknahme auf Tatsachen beruhe, welche die Klägerin bereits im Einspruchsverfahren habe geltend machen oder beweisen können und sollen. Die Klägerin erklärte ebenfalls die Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Sie habe die rechtserheblichen Tatsachen bereits in ihrer Erbschaftsteuererklärung angeführt. Das FA sei zu ihren Ungunsten von der Steuererklärung abgewichen, ohne ihr dies zur vorherigen Äußerung mitzuteilen.

Das FG entschied, daß die Kosten des Verfahrens, ausgenommen die Kosten des Einspruchsverfahrens, die Klägerin zu tragen habe. Die Klägerin habe die Tatsachen, die zur Rücknahme des Steuerbescheids führten, in ihrer Erbschaftsteuererklärung "nur sehr allgemein" angegeben und erst im Klageverfahren "eine nach Art und Umfang eingehende und genaue Schilderung" ihrer Tätigkeit für die Erblasserin gegeben, obwohl sie diese schon im Einspruchsverfahren hätte geben können und sollen. Sie habe es grob schuldhaft unterlassen, ihren Einspruch zu begründen und die gebotenen näheren Angaben zu machen. Lediglich die Kosten des Einspruchsverfahrens seien dem FA aufzuerlegen gewesen, weil es bei der Steuerfestsetzung von der Erklärung der Klägerin abgewichen sei, ohne die Klägerin vorher zu hören oder genaue Angaben über Art und Umfang der Pflegeleistungen von ihr zu fordern, so daß die Klägerin gezwungen gewesen sei, Einspruch einzulegen.

Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, sie habe ihre Sorgfaltspflicht nicht schuldhaft, zumindest nicht grob schuldhaft verletzt. Sie habe in ihrer Erbschaftsteuererklärung die erforderlichen Tatsachen geltend gemacht. Diese Tatsachen seien auch im anschließenden Einspruchsverfahren als geltend gemacht anzusehen. Eine Pflicht, den Einspruch zu begründen, bestehe nicht. Es sei auch zu berücksichtigen, daß ihr Steuerberater überlastet gewesen sei, insbesondere durch Arbeiten im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer, und daß er im Juni 1967 eine Arbeitskraft verloren habe, ohne für sie sofort einen Ersatz finden zu können.

Die Klägerin, beantragt, die Kosten des gesamten Verfahrens dem FA aufzuerlegen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FG half der Beschwerde nicht ab.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG durfte die Kosten des gerichtlichen Verfahrens der Klägerin auferlegen, weil sie diese Kosten schuldhaft verursacht hatte. Der angefochtene Bescheid brauchte vom FA nicht schon deshalb zurückgenommen zu werden, weil er als sog. "einheitlicher Steuerbescheid" auf Grund der vom BFH als nichtig erkannten Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ErbStDV (Urteil II 98/62 vom 27. März 1968, BFH 91, 434, BStBl II 1968, 376) ergangen war; denn er konnte als Einzelbescheid in der Höhe aufrechterhalten werden, in der die Klägerin selbst die Steuer schuldete (vgl. BFH-Urteil II 123/63 vom 12. Mai 1970, BFH 104, 138, BStBl II 1972, 217).

Die Klägerin hätte die Tatsachen, die zur Rücknahme des angefochtenen Bescheids geführt hatten, früher geltend machen können und sollen (§ 138 Abs. 2 Satz 3, § 137 Satz 1 FGO). Schon in ihrer Erbschaftsteuererklärung hätte sie Art, Umfang und Wert ihrer Pflegeleistungen so deutlich angeben sollen, daß das FA beurteilen konnte, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Steuerbefreiung (§ 18 Nr. 11 ErbStG) gegeben waren (vgl. §§ 166, 169 AO, § 35 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 ErbStDV, Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Erbschaftsteuer vom 19. Januar 1962, Bundesanzeiger Nr. 17 vom 25. Januar 1962, BStBl I 1962, 472). Auch als sie Einspruch einlegte, hätte sie Tatsachen und Beweismittel anführen sollen, welche die Richtigkeit ihrer Behauptung, der Wert ihrer Pflegeleistungen habe mindestens 40 587 DM betragen, erweisen konnten (vgl. § 238 Abs. 3 Satz 3 AO). Sie hätte dies auch tun können, denn Art, Umfang und Wert ihrer Pflegeleistungen waren ihr schon damals bekannt; Beweismittel standen ihr zur Verfügung, was daraus zu schließen ist, daß sie Grund und Grad der Erwerbsbeschränkung der Erblasserin in ihrer Erbschaftsteuererklärung angegeben hat.

Es war recht und billig (§ 2 Abs. 2 StAnpG), der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Bei seiner Ermessensausübung ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin nur solche Kosten auferlegt werden dürfen, die durch ihr Verschulden oder durch das ihres Bevollmächtigten entstanden sind. Denn § 137 Satz 1 FGO regelt nur einen Sonderfall des in § 137 Satz 2 FGO normierten Grundsatzes, wonach Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können. Allerdings könnten auf einfacher Fahrlässigkeit beruhende Fehler oder Versehen, wie sie im Drange der Geschäfte beim FA ebenso wie beim Steuerpflichtigen oder dessen steuerlichen Bevollmächtigten vorkommen können, die Rechtsfolge des § 137 Satz 1 FGO nicht rechtfertigen, weil es nicht der Sinn der Vorschrift ist, derartige Verstöße zu ahnden (vgl. BFH-Urteil V R 3/67 vom 21. Mai 1971, BFH 102, 221, BStBl II 1971, 616, 617). Vielmehr folgt aus dem Zweck der Vorschrift (der Prozeßverschleppung vorzubeugen), daß dem obsiegenden Beteiligten nur solche Kosten auferlegt werden dürfen, die er durch vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten verursacht hat. Grobfahrlässig handelt ein Steuerpflichtiger oder sein Bevollmächtigter dann, wenn er die für die Bearbeitung der Sache erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße außer acht läßt (vgl. BFH 102, 221, 226, BStBl II 1971, 616, 617, 618), wenn er z. B. - wie im Streitfalle - in einer sachverhaltsmäßig und rechtlich einfachen Sache den Einspruch nicht begründet, obwohl das FA ihn hierzu fünfmal aufgefordert, ihm jeweils eine angemessene Frist gesetzt und ihn auf die Kostenfolge aus § 137 FGO hingewiesen hat, er vielmehr erst im Verfahren vor dem FG die rechtserheblichen Tatsachen anführt. Der Klägerin war zumutbar, Tatsachen und Beweismittel anzuführen, die zur Begründung ihres Einspruchs dienten. Ihrer Pflicht, von vornherein bei der Sachaufklärung mitzuwirken, kam erhöhte Bedeutung zu, weil die Klägerin eine Steuerbefreiung begehrte, die in mehrfacher Hinsicht an Umstände anknüpfte, die nur ihr bekannt waren (vgl. BFH-Beschlüsse II B 17/66 vom 27. Juni 1968, BFH 93, 188, BStBl II 1968, 753; III B 36/68 vom 9. Mai 1969, BFH 96, 296, BStBl II 1969, 627, 628). Die allgemein gehaltenen Beteuerungen ihres Bevollmächtigten, er könne den Einspruch wegen vordringlicher "Erledigung der Steuererklärungen", wegen "Arbeitsüberlastung durch Personalwechsel und Erkrankung" oder wegen "der außergewöhnlichen Mehrarbeit im Zusammenhang mit der Einführung der Mehrwertsteuer" noch nicht begründen, reichen nicht aus, um die Ermessensentscheidung des FG als fehlerhaft erscheinen zu lassen.

Zur Entscheidung über den Antrag der Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist nicht der BFH, sondern das FG zuständig (vgl. BFH-Beschluß Gr. S. 5-7/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 150, 156, BStBl II 1968, 56, 59).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69639

BStBl II 1972, 354

BFHE 1972, 288

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