Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Revisionsrüge des Verstoßes gegen § 90 Abs. 1 und 2 FGO

 

Leitsatz (NV)

Mit der auf § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gestützten (zulassungsfreien) Revision kann der vom FG festgestellte Verzicht auf eine mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) nicht widerrufen werden.

 

Normenkette

FGO § 90 Abs. 1-2, § 116 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Das FG hat die Klage gegen einen Bescheid über Aussetzungszinsen durch Urteil vom 24. März 1987 abgewiesen. Ausweislich der Feststellung in seinem Rubrum ist das Urteil ,,im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung" ergangen. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Mit der ,,Revision gem. § 116 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 119 Nr. 3 FGO" tragen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) vor:

Ihnen sei das rechtliche Gehör versagt worden. Zwar hätten sie in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 1987 auf mündliche Verhandlung verzichtet; dies aber nur, weil sie sich eine abweisende Entscheidung nicht hätten vorstellen können. Den Verzicht auf mündliche Verhandlung hätten sie im Schriftsatz vom 17. März 1987 nicht wiederholt. Wenn ,,aus dem Antrag vom 23. Januar 1987" ein Verzicht auf mündliche Verhandlung und damit auf rechtliches Gehör gefolgert würde, stünde dies im Widerspruch zur ,,BFH-Entscheidung des 9. Senats (IX R 122/84)". Im übrigen sei der angefochtene Bescheid kein ,,Änderungsbescheid gemäß § 172 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977)"; die Ausführungen des FG hierzu seien unzureichend. Über das ,,hier anstehende Rechtsproblem" sei höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. ,,Wegen der Rechtssicherheit und zur Erhaltung des Rechtsfriedens" sei eine solche Entscheidung notwendig. Es sei völlig unverständlich, wieso ,,ein Schätzungsbescheid in einer verlängerten Frist" zu einer Zinsverpflichtung führen solle.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Zinsbescheid vom 22. August 1986 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor. Zwar ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO u.a. dann anzunehmen, wenn das FG irrtümlich einen - wirksamen - Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen und somit unter Verstoß gegen § 90 Abs. 1 und 2 FGO durch Urteil entschieden hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46; Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679). Indes ist ein Verfahrensmangel, der eine zulassungsfreie Revision eröffnet (§ 116 Abs. 1 FGO), nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn die zu seiner Begründung angeführten Tatsachen schlüssig vorgetragen sind (BFH-Bechluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). An dieser Darlegung fehlt es hier. An die Feststellung im angefochtenen Urteil, daß die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung kann nicht unter Hinweis auf den von den Klägern vorgetragenen Motivirrtum widerrufen werden. Auch ist das Urteil des FG ausreichend mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO).

Die Umdeutung einer unzulässigen Verfahrensrevision in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht möglich. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Kläger mit ihrem weiteren Vorbringen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Abweichung von einer Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO) oder die Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO) ordnungsgemäß gerügt haben (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415534

BFH/NV 1988, 452

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