Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung an den Prozessbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

1. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an den Prozessbevollmächtigten zu richten.

2. Selbst wenn ein Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist.

3. Auf die Wirkung der Ladung hat es keinen Einfluss, wenn der Prozessbevollmächtigte nach Empfang der Ladung das Mandat niedergelegt hat.

4. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich.

 

Normenkette

AO § 162; FGO §§ 53, 62 Abs. 6, § 115 Abs. 2; ZPO § 189 Abs. 2; GewStG §§ 7, 35b

 

Verfahrensgang

Hessisches FG (Urteil vom 11.12.2008; Aktenzeichen 3 K 3150/07)

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Die von ihm benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 11. Dezember 2008  3 K 3150/07 sind teils nicht ordnungsgemäß dargelegt worden, teils liegen sie der Sache nach nicht vor.

1. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 4 FGO ist nicht ersichtlich. Zwar liegt ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 119 Nr. 4 FGO vor, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war. Ein solcher Verfahrensfehler ist im Streitfall jedoch nicht gegeben.

a) Der Kläger hatte für das Verfahren vor dem FG den Rechtsanwalt X als Prozessbevollmächtigten mit seiner Vertretung beauftragt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an den Prozessbevollmächtigten zu richten (vgl. dazu auch Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 62 FGO Rz 192 ff.). Da das FG den Prozessbevollmächtigten des Klägers zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, liegt kein Mangel nach § 119 Nr. 4 FGO vor (siehe Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 19, m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--). Der Kläger war vor dem FG ordnungsgemäß vertreten, da das Gericht auch nicht gemäß § 80 Abs. 1 FGO sein persönliches Erscheinen angeordnet hatte.

b) Die Ladung für den Termin zur mündlichen Verhandlung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO ordnungsgemäß zugestellt.

aa) Dabei ist es unerheblich, ob im Rahmen der Zustellung der Ladung an den Prozessbevollmächtigten die vom Kläger behaupteten Zustellungsmängel --die fehlenden Angaben auf dem Briefumschlag-- tatsächlich vorlagen, da keine Zweifel daran bestehen, dass die Ladung zum Termin den Prozessbevollmächtigten tatsächlich erreicht hat. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl nach der vom Prozessbevollmächtigten beigefügten Kopie des Umschlags der Ladung als auch nach der Postzustellungsurkunde, die sich in den FG-Akten befindet, als Zustellungstermin der "11.09.2008" vermerkt war. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen --was zudem wenig glaubhaft wäre--, dass der Prozessbevollmächtigte von der sich in seiner Verfügungsmacht befindenden Ladung keine Kenntnis genommen habe.

bb) Selbst wenn ein Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, gilt es nach § 53 FGO i.V.m. § 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist (BFH-Beschluss vom 17. November 2008 VII B 148/08, BFH/NV 2009, 777). Die Anwendung des § 189 ZPO setzt voraus, dass das Dokument zugestellt werden sollte (sog. Zustellungswille, vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 53 Rz 136); es besteht in Anbetracht der Zustellungsverfügung des FG sowie der beigefügten Zustellungsurkunde kein Zweifel, dass auf Seiten des FG der Wille, die nach § 53 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Zustellung der Ladung zu bewirken, vorhanden war. Damit ist von einer wirksamen Zustellung der Ladung auszugehen.

c) Auf die Wirkung der Ladung hat es keinen Einfluss, dass der Prozessbevollmächtigte nach Empfang der Ladung das Mandat niedergelegt hat. Das FG war nicht verpflichtet, den Kläger persönlich zu laden oder zu prüfen, ob der Prozessbevollmächtigte den Kläger von der Ladung verständigt hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 1994 X R 66/93, BFH/NV 1994, 499, m.w.N. aus der Rechtsprechung der anderen Bundesgerichte).

2. Der lediglich behaupteten fehlenden Ladung des Klägers zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme ist keine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache zu entnehmen, die zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO führen würde.

3. Ein Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO rechtfertigen könnte, ergibt sich nicht aus dem Vorbringen des Klägers, der Einzelrichter habe die Verfügung der Ladung zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme nicht unterschrieben, sondern nur paraphiert.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Paraphieren anstelle des Unterschreibens der prozessleitenden Verfügung überhaupt einen zu beachtenden Verfahrensmangel darstellen kann (vgl. dazu Schallmoser in HHSp, § 91 FGO Rz 21, m.w.N.), da der Einzelrichter Y im vorliegenden Fall die Verfügung vom 8. September 2008 nicht nur paraphiert sondern unterschrieben hat. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (vgl. dazu auch den Senatsbeschluss vom 2. Januar 2008 X B 62/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R 641, m.w.N.). Diesen Anforderungen ist hier genügt. Die Unterschrift des Y ist von individuellem Gepräge und hat charakteristische Merkmale, welche die Identität dessen, von dem sie stammt, ausreichend kennzeichnen. Abgesehen davon, dass die Unterschrift des Y aufgrund seines kurzen Namens aus wenigen Zeichen besteht, deutet nichts darauf hin, dass es sich um eine bloße Paraphe des Einzelrichters handeln könnte. Dies ergibt sich zudem eindeutig aus dem Vergleich mit den Verfügungen vom 14. Oktober 2008 und 6. Januar 2009 --Bl. 143 und 161 FG-Akte--, die er lediglich paraphiert hat.

4. Die Behauptungen des Klägers, er habe sich nicht zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme äußern können, können nicht die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör belegen.

Der Kläger hat der ihm bei der Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör obliegenden Prozessverantwortung dadurch nicht Rechnung getragen, dass er trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung seines Prozessbevollmächtigten (vgl. oben unter 1.) nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist (BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1999 III B 32/99, BFH/NV 2000, 580). Durch die mündliche Verhandlung wird den Beteiligten die Gelegenheit gegeben, sich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Wer davon --wie der Kläger-- keinen Gebrauch macht, kann keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen (BFH-Beschluss vom 31. März 2006 IV B 138/04, BFH/NV 2006, 1490). Durch die prozessuale Mitverantwortung wird der Anspruch auf rechtliches Gehör begrenzt (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007 VII B 171/06, BFH/NV 2007, 947).

5. Der vom Kläger geltend gemachte Verstoß des FG gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht gegeben. Die Rügen des Klägers, das FG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch fehlende Ermittlungen sowie durch die fehlende Einholung von Sachverständigengutachten nicht hinreichend aufgeklärt, sind nicht begründet.

a) Das FG ist --mit einer nicht zu beanstandenden Begründung-- bei der Schätzung der Gewinne von den sich aus den handschriftlichen Notizen des Klägers ergebenden Tageseinnahmen ausgegangen und hat --ebenfalls mit einer nicht zu beanstandenden Begründung-- eine Erhöhung des vom Kläger erklärten Wareneinsatzes um 20 % angenommen. Die daraus resultierende Abweichung von der Richtsatzsammlung erklärt das FG --wiederum gut nachvollziehbar-- mit den von den …unternehmen gewährten …rabatten, wie sie auch von dem damaligen Berater des Klägers dargelegt worden waren.

b) Mit dem Einwand, das FG habe das von ihm beantragte Sachverständigengutachten nicht erhoben, legt der Kläger keinen Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht dar, sondern rügt im Kern die falsche Rechtsanwendung der gewählten Schätzungsmethode durch das FG, nicht aber die Rüge eines Verstoßes des FG gegen die Sachaufklärungspflicht. Denn die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig ist, erfordert ebenso wie die Bestimmung der maßgeblichen Schätzungskriterien eine rechtliche Beurteilung, die in erster Linie dem FG obliegt und weder regelmäßig noch in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten vorbereitet werden muss (Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2007 X B 7/06, BFH/NV 2007, 1167; vom 1. September 2004 X B 162/03, BFH/NV 2005, 224). Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist aber im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Februar 2004 X B 142/03, nicht veröffentlicht --n.v.--).

6. Dies gilt auch für die weiteren vom Kläger gegen die Schätzung des FG erhobenen Einwände, die sich zum einen auf die Schätzungsmethode und zum anderen auf das Ergebnis der Schätzung beziehen.

a) Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler vermögen die Zulassung der Revision im Regelfall nicht zu begründen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2007 X B 36/07, n.v.). Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls ausnahmsweise in den Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG schlechthin unvertretbar ist, weil es wirtschaftlich unmöglich ist und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.).

Eine solche offensichtlich realitätsfremde Schätzung hat der Kläger aber --vor allem vor dem Hintergrund, dass die finanzgerichtlichen Schätzungen auf den bei ihm gefundenen Aufzeichnungen beruhen und bei ihm erhebliche Geldanlagen bei Kreditinstituten in Luxemburg festgestellt wurden-- nicht dargelegt.

b) Seine Ausführungen zur Geldverkehrsrechnung sind nicht entscheidungserheblich (vgl. zu diesem Erfordernis Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 30, m.w.N.), da die Geldverkehrsrechnung --wie das FG im Urteil ausdrücklich dargelegt hat-- im Falle des Klägers nur dazu diente, die Notwendigkeit des Handelns der Steuerfahndung abzuklären, nicht jedoch dazu eingesetzt wurde, die Höhe der klägerischen Einkünfte zu schätzen.

c) Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist die von dem Kläger aufgeworfene Frage, ob eine Schätzung sich an der von der Finanzverwaltung festgestellten Richtsatzsammlung orientieren müsse. Der Kläger übersieht dabei, dass das FG nicht nur von einem um 20 % erhöhten Wareneinsatz ausgeht, sondern vielmehr bei seiner Schätzung zusätzlich noch die …rabatte der …unternehmen berücksichtigt hat, so dass insoweit die Richtsatzsammlungen nicht aussagekräftig sein können.

d) Weitere Bedenken gegen die Schätzung, die der Kläger in dem Schriftsatz vom 15. Mai 2009, und damit erst nach Ablauf der am 9. April 2009 endenden Begründungsfrist vorträgt, sind --unabhängig davon, ob sie einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler belegen könnten-- nicht zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2242124

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