Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB; grundsätzliche Bedeutung; Darlegung bei vorhandener Rechtsprechung; Die Frage, welche Anforderungen an ein Abrechnungspapier zu stellen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung; Anforderungen an Sachaufklärungsrüge

 

Leitsatz (NV)

  1. Liegt zu einer Rechtsfrage bereits Rechtsprechung vor, ist zu begründen, weshalb gleichwohl eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird.
  2. Die Frage, welche Anforderungen zur Leistungsbeschreibung an eine nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung (§ 14 UStG) zu stellen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
  3. Zu den Anforderungen an die Darlegung einer Sachaufklärungsrüge.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3; UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1985 ein Gerüstbau-Unternehmen. Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) Vorsteuerbeträge aus mehreren Rechnungen zweier "Subunternehmer" nicht zum Abzug zu: die Vorsteuer aus Rechnungen des S deswegen nicht, weil dieser selbst gegenüber der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft erklärt habe, er habe keine Gerüstbau-Leistungen erbracht und Geld für die Ausstellungen der Blankoquittungen bzw. Rechnungen erhalten; die Vorsteuer aus Rechnungen der E (nur deshalb) nicht, weil sie keine hinreichenden Leistungsbezeichnungen enthielten.

Die Klage hatte (nur) hinsichtlich eines Teiles der Rechnungen der E Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, entgegen der Auffassung des FA sei jedenfalls bei drei Rechnungen der E der Leistungsgegenstand hinreichend bezeichnet, weil sich die Baustelle, der Zeitraum und die Art der ―unstreitig durchgeführten― Leistung identifizieren lasse. Die Vorsteuer aus Rechnungen des S sei nicht abziehbar. Offen bleiben könne, ob S überhaupt Gerüstbau-Leistungen an die Klägerin erbracht habe. Die Rechnungen des S seien schon aus sich heraus nicht verständlich, da sie weder die Zeit der angeblichen Vornahme von Leistungen, teilweise nicht den Ort bezeichneten, an dem sie erbracht worden sein sollen, und des Weiteren mit der nichtssagenden Bezeichnung "für ausgeführte Arbeiten" ein Leistungsgegenstand nicht identifizierbar sei.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, wenn die Beschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützt wird, bzw. der Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), wenn ein solcher gerügt werden soll, oder die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu bezeichnen, von der das FG abgewichen sein soll (ausführlich hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 61 ff., m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.

1. In der Beschwerdebegründung ist darzulegen, weshalb die i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO für bedeutsam gehaltene Frage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar erscheint. Liegt zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, ist ―ggf. auch unter Berücksichtigung der im Schrifttum zu dem Problemkreis vertretenen Auffassungen― zu begründen, weshalb der Kläger gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Rechtsfrage für erforderlich hält (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. August 1996 XI B 208/95, BFH/NV 1997, 54; vom 12. September 1996 VIII B 16/96, BFH/NV 1997, 245). Hieran fehlt es.

Der BFH hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage befasst, welche Anforderungen an eine nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung i.S. des § 14 UStG zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats dient das Abrechnungspapier (Rechnung oder Gutschrift) für den Vorsteuerabzug als Belegnachweis. Das Abrechnungspapier muss Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahin gehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sofern in der Abrechnung auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen wird, ist es grundsätzlich notwendig, dass die in Bezug genommenen Unterlagen eindeutig bezeichnet werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; vom 24. September 1987 V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; vom 10. November 1994 V R 45/93, BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395; vom 1. August 1996 V R 9/96, BFH/NV 1997, 381; vom 12. Dezember 1996 V R 16/96, BFH/NV 1997, 717; BFH-Beschluss vom 9. November 1998 V B 55/98, BFH/NV 1999, 683, jeweils m.w.N.). Angesichts dessen genügt es nicht, wenn die Klägerin lediglich ausführt, das FG habe im Streitfall zwei ―ihrer Auffassung nach― vergleichbare Rechnungen unterschiedlich beurteilt; hiernach seien "die Kriterien noch immer fließend" und "das Zusammenrücken des europäischen Binnenmarktes" sowie die Gefahr der Benachteiligung gegenüber "Unternehmen in Mitgliedsländern, bei denen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erheblich geringer sind" bedingen eine erneute Entscheidung.

Im Übrigen genügen Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht, um die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage darzulegen (z.B. BFH-Beschluss vom 27. März 1997 X B 207, 208/96, BFH/NV 1997, 689; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 58, 62, m.w.N.).

Abgesehen davon, dass auch die nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereichten Ausführungen zur "grundsätzlichen Bedeutung" dem Darlegungserfordernis des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht genügen, dürfen Zulassungsgründe, die nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden, bei der Prüfung der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden (BFH-Beschluss vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Tz. 138). Eine am Fristende fehlende Darlegung i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO kann später nicht mehr mit der Wirkung nachgeholt werden, dass die insoweit gegebene Unzulässigkeit der Beschwerde nachträglich entfällt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791; vom 12. März 1990 V B 124/89, BFH/NV 1991, 103).

2. Eine Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt nur dann vor, wenn das FG in einer bestimmten Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH und das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Bei den abweichenden Rechtsauffassungen muss es sich um tragende Gründe der Entscheidungen handeln. Zur Bezeichnung der Divergenz (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) muss der Beschwerdeführer dartun, dass das FG seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher bezeichneten Rechtsprechung des BFH nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; in BFH/NV 1999, 683). Mit dem Hinweis, die Entscheidungsgründe des FG stünden "nicht im Einklang mit den Ausführungen des BFH in mehreren Entscheidungen, wonach es ausreicht, daß der Leistungsgegenstand global berichtigt werden kann", ist eine Abweichung nicht ordnungsgemäß gerügt.

3. Auch soweit die Klägerin sinngemäß die Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, weil das FG den im Schriftsatz vom 15. Dezember 1998 angebotenen Zeugenbeweis zur Frage der tatsächlichen Tätigkeit des S für die Klägerin nicht erhoben habe, ist der Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargelegt. Bei der Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags ist u.a. darzulegen, zu welchen (entscheidungserheblichen) Tatsachen die Beweiserhebung erforderlich gewesen wäre, was das Ergebnis nach Ansicht der Klägerin gewesen wäre und weshalb das Beweisergebnis zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Außerdem muss vorgetragen werden, weshalb die Nichterhebung des Beweises nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gerügt wurde bzw. weshalb eine solche Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372; vom 17. November 1997 VIII B 12/97, BFH/NV 1998, 608, und vom 9. August 1999 VII B 332/98, BFH/NV 2000, 75).

4. Von der Bekanntgabe einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 508933

BFH/NV 2000, 1504

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