Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenz nur nach Maßgabe der neuesten BFH-Rechtsprechung; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Frage, ob das angegriffene FG-Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht, kommt es auf den neuesten Stand der Rechtsprechung des Revisionsgerichts im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.

2. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, reicht allein der Hinweis auf eine einzelne Äußerung in der Literatur nicht aus. Hat sich das FG mit dieser Literaturauffassung auseinandergesetzt, muß der Beschwerdeführer beachtliche neue Argumente vortragen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist ein Kreditinstitut. Bei der Gewährung eines Kredits stellt sie dem Kreditnehmer Kreditgebühren in Rechnung, zu denen neben Zins- und anderen Aufwendungen auch eine Bearbeitungsgebühr gehört, die nach einem bestimmten Prozentsatz vom Nennbetrag des Darlehens berechnet wird. Der Gesamtkreditbetrag setzt sich aus dem Nennbetrag des Darlehens und den Kreditgebühren zusammen. Der Kreditnehmer zahlt diesen Gesamtkreditbetrag in gleichbleibenden anhand der Laufzeit des Kredits berechneten monatlichen Raten. In den Handels- und Steuerbilanzen der Klägerin wird ein Kredit mit seinem Nennwert als Forderung erfaßt; die Kreditgebühren einschließlich der Bearbeitungsgebühren werden nicht als Forderungen aktiviert. Die Gebührenanteile einschließlich der Bearbeitungsgebühren werden nach der Zinsstaffelmethode der Rechnungsperiode, der sie zuzuordnen sind, als Ertrag zugerechnet. Bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits oder bei Kündigung des Kreditvertrags durch die Klägerin werden die nicht verbrauchten Kreditgebühren anteilig zurückerstattet; die Bearbeitungsgebühr wird aber nicht zurückerstattet.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die Kreditbearbeitungsgebühren, soweit sie bereits mit der Gewährung des Darlehens für den Darlehensnehmer verwirkt sind, unabhängig von der bewertungsrechtlichen Behandlung der laufenden Zinsen beim Kreditgeber bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin wie ein Disagio als Kapitalforderung zu erfassen seien.

Das FA erließ dementsprechend geänderte Einheitswertbescheide.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück; das FA habe zu Recht für die Bearbeitungsgebühren einen Besitzposten angesetzt, ohne einen Schuldposten im Zusammenhang mit den Bearbeitungsgebühren zu berücksichtigen. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach den Kreditbedingungen der Klägerin die Kreditnehmer neben Zins- und anderen Aufwendungen auch eine Bearbeitungsgebühr zu entrichten hätten, die nach einem bestimmten Prozentsatz vom Nennbetrag des Darlehens berechnet werde und die zusammen mit den anderen Kreditnebenkosten im Rahmen der monatlichen Raten zu bezahlen seien. Soweit diese Bearbeitungsgebühren zu den Bewertungsstichtagen von den Kreditnehmern noch nicht gezahlt seien, habe die Klägerin gegen die Kreditnehmer Forderungen auf Zahlung dieser Gebühren, die gemäß § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Nennwert (§ 12 BewG) als Besitzposten bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin anzusetzen seien. Die Forderungen auf die Bearbeitungsgebühren, die die Verwaltungskosten der Klägerin bei der Bearbeitung und Gewährung der Darlehen abdecken sollen, seien nämlich als einmalige, von der Laufzeit der Kredite unabhängige Gebühren bereits verdient und damit endgültig dem Vermögen der Klägerin zugeführt worden, sobald ein Kredit bewilligt und ausbezahlt worden sei; denn insoweit habe die Klägerin die Leistungen erbracht, für die der Kreditnehmer die Zahlung der Bearbeitungsgebühr schulde. Das FG stützte sich insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. November 1989 II R 29/86, BFHE 159, 210, BSTBl II 1990, 207. Der nur ratenweise Zufluß der Bearbeitungsgebühren ändere an dem Ergebnis nichts. Daß die Bearbeitungsgebühren ertragsteuerlich lediglich als Bestandteil eines einheitlichen Gesamtentgelts für die Überlassung des Kapitals anzusehen seien und dementsprechend beim Darlehensgeber passiv und beim Darlehensnehmer aktiv abzugrenzen seien, hindere bei der Einheitsbewertung nicht den Ansatz einer entsprechenden Forderung für die Bearbeitungsgebühr. Zwar solle die Bewertung einer Kapitalforderung bei der Einheitsbewertung gemäß § 109 Abs. 4 BewG nach dem Wert erfolgen, der sich nach den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung ergibt. Ob aber eine Kapitalforderung überhaupt anzusetzen sei, entscheide sich allein nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen. Eine Wertberichtigung komme nicht in Betracht. Denn die Forderungen auf Zahlung der Bearbeitungsgebühr seien in voller Höhe mit Gewährung der Kredite entstanden und hätten in voller Höhe zu diesem Zeitpunkt das Vermögen der Klägerin vermehrt. Der Auffassung von Brosch in Der Betrieb (DB) 1990, 652, wonach die Bearbeitungsgebühren wie das laufzeitabhängige Disagio zu behandeln seien, könne wegen der Laufzeitunabhängigkeit der Bearbeitungsgebühren nicht gefolgt werden. Anders als bei Zinsen seien die Ansprüche auf Zahlung der Bearbeitungsgebühren mit der Bewilligung der Kredite in vollem Umfang in das Vermögen der Klägerin gelangt.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die Divergenz und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

 

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin Divergenz behauptet, ist ihre Beschwerde unbegründet; soweit sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig.

1. Divergenz

Die Klägerin trägt zur Begründung der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) vor, daß das angegriffene Urteil von der Entscheidung des BFH vom 19. Januar 1978 IV R 153/72, BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262 abweiche. Zu diesem Zweck stellt die Klägerin als Rechtssatz aus dem angegriffenen Urteil heraus, daß nach diesem Urteil die Forderungen auf die Bearbeitungsgebühr als einmalige, von der Laufzeit der Kredite unabhängige Gebühren endgültig dem Vermögen des Kreditgebers zugeführt worden (seien), weil der Kreditgeber insoweit Leistungen erbracht hat, für die der Kreditnehmer die Zahlung der Bearbeitungsgebühr schuldet. Demgegenüber habe der BFH in seinem Urteil in BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262 die Rechtsaussage getroffen, auch wenn die Parteien vereinbarten, daß der Darlehensschuldner dem Darlehensgläubiger die bei der Beschaffung, Auszahlung und/oder Überlassung des Kapitals entstehenden Unkosten ganz oder teilweise sofort nach ihrer Entstehung in einem einmaligen Betrag zu erstatten hat, so bilde diese Zahlung stets nur einen Bestandteil des Gesamtentgelts für die Überlassung des Kapitals, die als Vorleistung des Darlehensschuldners für eine von dem Darlehensgläubiger noch nicht erbrachte auf die Vertragsdauer bezogene Gegenleistung des Darlehensgläubigers zu betrachten sei.

Damit verneine der BFH - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des FG -, daß der Darlehensgläubiger mit dem Vertragsabschluß bereits eine eigenständige Leistung erbringt. Insofern weiche die Entscheidung des FG von den zitierten Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH-Urteils ab. Zwar sei die zitierte BFH-Entscheidung zum Ertragsteuerrecht ergangen, die aufgestellten Grund- sätze besäßen jedoch auch für das Bewertungsrecht uneingeschränkt Gültigkeit.

Mit diesen Ausführungen belegt die Klägerin jedoch keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Denn für die Frage, ob die Vorinstanz in einer Rechtsfrage eine andere Ansicht vertritt als die Revisionsinstanz, kommt es auf den neuesten Stand der Rechtsprechung des Revisionsgerichts im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an. Eine frühere Rechtsprechung, die das Revisionsgericht inzwischen aufgegeben hat, vermag daher keine Divergenzrevision zu begründen (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß S. 74/75; BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211). Dasselbe muß auch für den Fall gelten, daß sich der für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zuständige Senat ganz bewußt mit einer früheren, zum Ertragsteuerrecht ergangenen BFH-Entscheidung auseinandersetzt und wegen der unterschiedlichen Materie zu einem anderen Ergebnis kommt. Dies gilt im Streitfall bezüglich des Senatsurteils in BFHE 159, 210, BStBl II 1990, 207, in dem sich der Senat mit dem Urteil des IV.Senats in BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262 auseinandersetzt und darlegt, warum nach dem an den streitigen Bewertungstichtagen maßgebenden BewG für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens eine vom Ertragsteuerrecht abweichende Betrachtung geboten ist. Maßgebend für eine etwaige Divergenz könnte also nur das Senatsurteil in BFHE 159, 210, BStBl II 1990, 207 sein. Insofern behauptet die Klägerin aber gerade die Übereinstimmung der vom BFH und vom FG jeweils vertretenen Rechtsauffassung, die sie als unrichtig angreift.

2. Grundsätzliche Bedeutung

Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig. Denn die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung zunächst nur ihre bilanzsteuerrechtliche und zivilrechtliche Auffassung zur Gegenleistung des Kreditnehmers für die Überlassung des Kapitals dar und führt aus, wann danach der Anspruch auf die Bearbeitungsgebühr beim Darlehensgeber entsteht. Sodann legt die Klägerin dar, daß der BFH in dem Urteil in BFHE 159, 210, BStBl II 1990, 207 sowie im Urteil vom 8. November 1989 II R 244/84 (BFH/NV 1990, 552) für das Bewertungsrecht die gleiche Rechtsauffassung wie das FG im angegriffenen Urteil vertreten habe und daß dieser Rechtsauffassung in der Fachliteratur zum Teil widersprochen werde. Zum Beleg dafür zitiert die Klägerin den Aufsatz von Brosch, DB 1990, 652.

Allein der Hinweis auf eine einzelne Äußerung in der Literatur vermag jedoch der Rechtssache noch keine grundsätzliche Bedeutung zu geben (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Dezember 1987 V B 80/87, BFHE 152, 35, BSTBl II 1988, 290). Im Hinblick auf das BFH-Urteil in BFHE 159, 210, BStBl II 1990, 207 wird aus den Ausführungen der Klägerin nicht klar, warum die Rechtsfrage der Entstehung des Anspruchs auf die Bearbeitungsgebühren einer (weiteren) Klärung bedarf und in welchem Umfang und aus welchen Gründen diese Rechtsfrage umstritten sein soll. Das FG hat sich in seinem Urteil mit der Auffassung Broschs auseinandergesetzt und dargelegt, warum wegen der Laufzeitunabhängigkeit der Bearbeitungsgebühren die entsprechenden Ansprüche mit der Kreditbewilligung in das Vermögen der Klägerin gelangt sind. Die Klägerin hätte unter diesen Umständen im einzelnen darlegen müssen, ob und inwieweit widerstreitende Meinungen in der Literatur und der Rechtsprechung bestehen (vgl. Herrmann, a.a.O., S. 71) und hätte insoweit beachtliche neue Argumente vortragen müssen. Die Behauptung der Klägerin, im Hinblick auf die durch § 109 Abs. 1 BewG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 künftig vorgeschriebene Übernahme der Bilanzwerte in die Vermögensaufstellung sei es geboten, daß die Frage der Entstehung des Bearbeitungsgebührenanspruchs zivilrechtlich, bilanzierungsrechtlich und bewertungsrechtlich einheitlich beantwortet werde, reicht nicht aus, um die grundsätzliche Bedeutung einer noch nach dem BewG a.F. - also nach auslaufendem Recht - zu beurteilenden Rechtssache darzutun.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419965

BFH/NV 1994, 887

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