Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur mangelnden Vertretung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO

 

Leitsatz (NV)

Ein Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt nur dann vor, wenn das Gericht dem Beteiligten die Teilnahme an der Verhandlung unmöglich gemacht hat. Der Tatsachenvortrag mangelnder Vertretung ist daher nicht schlüssig, wenn sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt, dass der Beteiligte das Wort erhalten und Anträge gestellt hat.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) mit der Begründung, der Kläger habe auch innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist den Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet, als unzulässig verworfen. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Gegen das am 23. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger neben der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auch Revision eingelegt, zu deren Begründung er vortragen lässt: Mit Schreiben vom 24. November 1997 an das FG sei der Gegenstand des Klagebegehrens sehr wohl bezeichnet worden, so dass die Klage die sog. "Mussbestandteile" enthalte. In seiner Urteilsbegründung habe das FG selbst ausgeführt, dass der Kläger nicht aufgefordert worden sei, die Klage zu begründen, sondern lediglich, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Dies sei, den Kenntnissen des Klägers gemäß, auch geschehen. In der mündlichen Verhandlung sei zudem darauf hingewiesen worden, dass eine nähere Begründung nicht gegeben werden könne, da sich die betreffenden Unterlagen nicht im Besitz des Klägers befänden und ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden war. Durch eine ordnungsgemäße Vertretung, die wegen der Versagung der Prozesskostenhilfe (PKH) nicht möglich gewesen sei, hätte der Prozess mit Sicherheit einen anderen Ausgang gefunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen, weil sie unzulässig ist.

Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen auch die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO nicht vor.

Ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, der nicht ausdrücklich gerügt sein muss (BFH-Urteil vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46), ist im Streitfall nicht gegeben. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geht davon aus, dass der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (z.B. BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, m.w.N.). Ein Fall fehlender Vertretung läge insbesondere dann vor, wenn der Kläger nicht ordnungsgemäß geladen worden wäre (BFH-Urteil in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; BFH-Beschluss vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401) oder das FG entgegen der Zusage einer Terminsänderung die mündliche Verhandlung gleichwohl durchgeführt hätte (BFH-Urteil vom 28. November 1990 I R 71/90, BFH/NV 1991, 756). Davon kann jedoch im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat das FG dem ordnungsgemäß geladenen Kläger in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit gegeben, Ausführungen zur Sach- und Rechtslage zu machen und die aus seiner Sicht erforderlichen Klageanträge zu stellen. Diese Möglichkeit hat der Kläger, dessen Antrag auf Gewährung von PKH für das Klageverfahren zuvor bestandskräftig abgelehnt worden war, auch persönlich wahrgenommen. Soweit er nun vorträgt, aufgrund seiner fehlenden Rechtskenntnisse nicht in der Lage gewesen zu sein, sein Anliegen fachkundig vorzutragen, kann darauf der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht gestützt werden. Die sachkundige Vertretung liegt grundsätzlich in der Prozessverantwortung der Beteiligten.

Die vom Kläger möglicherweise erhobene Rüge der Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 FGO) fällt nicht unter die in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten Verfahrensmängel und kann nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erhoben werden (BFH-Urteil vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187; BFH-Beschluss vom 19. Juli 1995 X R 41/94, BFH/NV 1996, 54). Auch das Vorbringen des Klägers, das FG habe § 65 FGO falsch angewandt, gehört nicht zu den Gründen für eine (nach § 116 Abs. 1 FGO) zulassungsfreie Revision. Soweit es sich dabei nicht um eine Sachrüge handelt, könnte ein derartiger Mangel allenfalls im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 17. Juni 1998 X B 139/97, BFH/NV 1999, 187, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 424950

BFH/NV 2000, 741

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