Entscheidungsstichwort (Thema)

Investitionszulage für nicht selbständig bewertungsfähige Systemprogramme; Systemprogramme als Bestandteil der Hardware

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegenstände im Sinne des BGB sind nur dann selbständige Wirtschaftsgüter im Sinne des Steuerrechts, wenn sie einen eigenen wirtschaftlichen Wert verkörpern, von greifbarem längerfristigem Nutzen sind und vor allem selbständig bewertet werden können. Fehlen diese Voraussetzungen, handelt es sich lediglich um unselbständige Bestandteile anderer Wirtschaftsgüter.

2. Sind Systemprogramme unter Zugrundelegung des sog. Bundling keiner besonderen Bewertung zugänglich, kann für sie zusammen mit der Hardware Investitionszulage nach § 19 BerlinFG gewährt werden.

 

Orientierungssatz

Ob ein Gegenstand einer besonderen Bewertung zugänglich ist, richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Es müssen für ihn --jedenfalls grundsätzlich-- Aufwendungen getätigt worden sein, die sich klar und eindeutig von anderen Aufwendungen abgrenzen lassen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; BerlinFG § 19; BGB § 93

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) schaffte im Jahre 1980 zum Gesamtpreis von 205 000 DM ein sog. Laborsystem an. Bei diesem "System" handelte es sich um eine komplette EDV-Anlage. Es umfaßte neben der Hardware (wie Prozeßrechner, Datensichtgeräten, Zeilendrucker, etc.) auch drei "Wechselplatten" und zwei "Systemplatten". Die auf den "Systemplatten" gespeicherte Software diente sowohl der Steuerung des Betriebssystems als auch des Arbeitsablaufs. Die Software allein hatte die Herstellerin bis dahin noch in keinem Fall zum Kauf angeboten.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) kürzte für die Gewährung der Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) die Bemessungsgrundlage um 30 750 DM. Das FA ging dabei nach Rücksprache mit der Herstellerin davon aus, daß 15 % des Gesamtpreises (von 205 000 DM) auf die mitangeschaffte Software entfielen. Für diese könne, da insoweit immaterielle Wirtschaftsgüter vorlägen, keine Zulage gewährt werden.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trug die Klägerin insbesondere vor: Das Steuerungs- und das Speicherprogramm befänden sich teilweise auf einer fest im Gerät eingebauten Systemplatte, teilweise auf einer beweglichen Platte. Weitere Software befinde sich im Gerät an den einzelnen Schnittstellen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die vom FA auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

Der Streitfall wirft zwar verschiedene Fragen auf, über die höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Doch besteht keine Möglichkeit, sie in einem Revisionsurteil verbindlich zu beantworten. Es fehlt insoweit an der Klärungsfähigkeit (s. hierzu Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 115 Anm.10 ff.).

1. Die Software wird traditionell --entsprechend der Nähe zur Hardware-- in System- und Anwendungssoftware unterteilt (s. aus jüngerer Zeit Sauer, Bilanzierung von Software, 1988 S.13 ff., mit zahlreichen Nachweisen).

Die jüngste Rechtsprechung des erkennenden Senats enthält ausdrücklich Aussagen nur zur Anwendungssoftware (s. insbesondere das Urteil vom 3.Juli 1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728), nicht jedoch zur Systemsoftware, obwohl es nahe liegt, die im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 entwickelten Rechtsgrundsätze auch auf letztere anzuwenden.

a) So könnte sich die Frage stellen, ob die Systemsoftware neben dem Computer --von Ausnahmefällen wie dem vorliegenden abgesehen-- als ein selbständiges Wirtschaftsgut angesehen werden kann (s. hierzu insbesondere das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4.November 1987 VIII ZR 314/86, BGHZ 102, 135 unter 2., allerdings zu der Frage des Wandlungsrechts bei einer einheitlichen Kaufsache (§ 469 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) ergangen; mitgeteilt u.a. auch in Betriebs-Berater --BB-- 1988, 20; bejahend etwa Hauter, Computer und Recht, 1987, 580, am Ende, sowie Voss, Finanz-Rundschau --FR-- 1989, 358, 361/362).

b) Weiter wäre zu entscheiden, ob Systemprogramme --sofern es sich um selbständige Wirtschaftsgüter handelt-- wie die Anwendungsprogramme immaterielle Wirtschaftsgüter sind. Das FG Hamburg hat dies mit Urteil vom 3.August 1988 II 8/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 6) bejaht. Die dagegen eingelegte Revision wurde vom erkennenden Senat jedoch mit Beschluß vom 12.Juli 1989 III R 86/88 (nicht veröffentlicht --NV--) wegen verspäteter Begründung des Rechtsmittels als unzulässig verworfen. Im Schrifttum werden die selbständigen Systemprogramme allerdings überwiegend als immaterielle Wirtschaftsgüter angesehen (s. u.a. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 5 Anm.31, Software).

2. Eine abschließende Klärung dieser aufgeworfenen Fragen ist jedoch im Streitfall nicht möglich. Die beiden "Systemplatten" können schon nach bisherigen, gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen aufgrund der besonderen Verhältnisse im Streitfall nicht als selbständige Wirtschaftsgüter angesehen werden.

a) Für die fest eingebaute Platte folgt dies bereits aus § 93 BGB (vgl. hierzu auch die Urteile des Senats vom 17.Dezember 1982 III R 87/82, NV, sowie in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728, letzter Absatz).

b) Die andere, bewegliche Systemplatte ist kein selbständiges Wirtschaftsgut, weil sie --wovon auch das FG ausgegangen ist-- keiner gesonderten Bewertung zugänglich ist.

Der BFH faßt den Begriff "Wirtschaftsgut" in ständiger Rechtsprechung zwar weit und versteht darunter nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts (Sachen und Rechte), sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt und die einen wesentlichen und über die Dauer des einzelnen Steuerabschnitts hinausreichenden Wert für das Unternehmen haben und gesondert bewertbar sind (so aus jüngerer Zeit das BFH-Urteil vom 9.Juli 1986 I R 218/82, BFHE 147, 412, BStBl II 1987, 14; vgl. auch Schmidt, a.a.O., § 5 Anm.16, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Doch versteht der erkennende Senat diese Rechtsprechung so, daß auch Gegenstände im Sinne des BGB nur dann (selbständige) Wirtschaftsgüter im Sinne des Steuerrechts sind, wenn sie --ebenso wie die zuvor genannten "Vorteile für den Betrieb"-- einen eigenen wirtschaftlichen Wert verkörpern, von greifbarem längerfristigem Nutzen sind und vor allem selbständig bewertet werden können. Fehlen diese Voraussetzungen, handelt es sich lediglich um unselbständige Bestandteile anderer Wirtschaftsgüter (in diesem Sinne auch Nieland in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., §§ 4, 5 EStG Rdnr.618; vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 4 EStG Anm.16 p, mit Rechtsprechungshinweisen).

Ob ein Gegenstand einer besonderen Bewertung zugänglich ist, richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Es müssen für ihn --jedenfalls grundsätzlich-- Aufwendungen getätigt worden sein, die sich klar und eindeutig von anderen Aufwendungen abgrenzen lassen (s. schon BFH-Urteile vom 29.Oktober 1969 I 93/64, BFHE 97, 350, BStBl II 1970, 178; vom 24.März 1976 I R 139/73, BFHE 118, 453, BStBl II 1976, 450, und vom 28.Mai 1979 I R 1/76, BFHE 128, 367, BStBl II 1979, 734).

Daran fehlt es im Streitfall. Die Systemsoftware wurde der Klägerin im Rahmen des sog. Bundling zusammen mit der Hardware zur Verfügung gestellt; sie wurde nicht gesondert berechnet. Auch die vom FA im Benehmen mit der Herstellerin vorgenommene Schätzung hilft nicht weiter. Denn sie betraf die gesamte mitgelieferte Software, auch die fest eingebaute. Anhaltspunkte, die sonst eine Bestimmung des Wertes lediglich der beweglichen Systemplatte ermöglichten, sind nicht ersichtlich.

Im Streitfall deutet auch nichts darauf hin, daß die gesonderte Preisausweisung aufgrund einer besonderen Parteivereinbarung unterblieben und deshalb unbeachtlich wäre (vgl. hierzu das BGH-Urteil in BGHZ 102, 135, BB 1988, 20, Abschn.II Nr.2 b aa) der Entscheidungsgründe). Es dürfte im Jahre 1980, in dem die Klägerin die EDV-Anlage anschaffte, noch der Verkehrsauffassung entsprochen haben, die Hardware zusammen mit der Systemsoftware als Einheit zu betrachten und damit auch nur einen einheitlichen Preis zu berechnen. Eine Verselbständigung der beiden Märkte trat erst allmählich ein (s. hierzu wiederum das BGH-Urteil in BGHZ 102, 135, BB 1988, 20, Abschn.II Nr.2 b bb); ebenso Sauer, a.a.O., S.113, mit weiteren Hinweisen).

Nach alledem kann im Streitfall auch die bewegliche Systemplatte nicht als selbständiges Wirtschaftsgut angesehen werden; sie teilt vielmehr das Schicksal der Hardware (ebenso z.B. Sauer, a.a.O., S.113; vgl. auch Voss, a.a.O., S.358, 360, mit weiteren Hinweisen).

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art.1 Nr.6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2404) ohne Angabe weiterer Gründe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63308

BFH/NV 1990, 50

BStBl II 1990, 794

BFHE 160, 364

BFHE 1991, 364

BB 1990, 1537

BB 1990, 1537-1538 (LT)

DB 1990, 1442 (LT)

DStR 1990, 446 (KT)

HFR 1990, 500 (LT)

StE 1990, 219 (K)

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