Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensmängel, Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht ist im einzelnen die Bezeichnung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen, der angebotenen Beweismittel und der dazu angegebenen Beweisthemen bzw. die substantiierte Darlegung erforderlich, weshalb und in welchem Umfang das FG bei Zugrundelegung dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auch ohne einen entsprechenden Sachvortrag des Klägers von sich aus Anlaß gehabt habe, den Sachverhalt zu erforschen (st. Rspr.).

2. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von den Sachverhalten der von der Beschwerde zitierten BFH-Entscheidungen unterscheidet, daß durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als "mitentschieden" anzusehen ist (st. Rspr.).

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Gründe

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 ist unzulässig. Zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sind nur die in der Vorinstanz Beteiligten berechtigt (§115 Abs. 1 i. V. m. §57 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --; ausführlich z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §115 Anm. 3 und 49, m. w. N.; vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. Oktober 1990 IX R 124/90, BFH/NV 1991, 545). Die Beschwerdeführerin zu 2 war nicht Beteiligte des Klageverfahrens.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und Beschwerdeführers zu 1 (Kläger) hat ebenfalls keinen Erfolg.

Die von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht in der nach §115 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form bezeichnet worden.

a) Der Kläger macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe in mehreren Punkten den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt. Für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. §76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist jedoch im einzelnen die Bezeichnung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen, der angebotenen Beweismittel und der dazu angegebenen Beweisthemen bzw. die substantiierte Darlegung erforderlich, weshalb und in welchem Umfang das FG bei Zugrundelegung dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auch ohne einen entsprechenden Sachvortrag des Klägers von sich aus Anlaß gehabt habe, den Sachverhalt zu erforschen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH- Beschluß vom 28. September 1995 V B 35/95, BFH/NV 1996, 412). Zur schlüssigen Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG wegen unterlassener Beweisaufnahme muß zusätzlich vorgetragen werden, daß der Verstoß bereits in der Vorinstanz gerügt wurde, oder weshalb dem Beteiligten eine derartige Rüge nicht möglich war (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 29. April 1996 XI B 124/95, BFH/NV 1996, 700; vom 22. August 1995 I B 212/94, BFH/NV 1996, 57). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde des Klägers nicht.

aa) Der Kläger hat eine mangelnde Sachaufklärung im Hinblick auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht dargetan. Der im Steuerprozeß geltende Untersuchungsgrundsatz entbindet die Beteiligten nicht von ihren prozessualen Mitwirkungspflichten hinsichtlich aller entscheidungserheblichen Tatsachen. Eine Sachaufklärungsrüge setzt voraus, daß sich dem FG eine darüber hinausgehende Sachaufklärung aufgrund des Vortrags der Beteiligten aufdrängen mußte (vgl. aus verfassungsrechtlicher Sicht Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 26. November 1985 1 BvR 1123/85, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Einkommensteuergesetz ab 1975, §33 a, Rechtsspruch 29). Daran fehlt es hier. Der insoweit nachweispflichtige Kläger hat bereits im Vorverfahren nicht in dem erforderlichen Maße mitgewirkt und ausdrücklich erklärt, daß er keine weiteren Angaben machen werde. Daß sich dem FG eine weitere Sachaufklärung aufdrängen mußte, läßt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.

bb) Im Hinblick auf die Anerkennung von Aufwendungen für eine Einbauküche bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wendet der Kläger sich im Ergebnis lediglich gegen die Rechtsauffassung des FG. Ausgehend von der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 32/89, BFH/NV 1991, 818, m. w. N.) hat das FG die Aufwendungen für Spüle und Kochherd anerkannt. Für die darüber hinausgehenden Aufwendungen hat der Kläger nicht in gebotenem Umfang dargelegt, daß nach dem Rechtsstandpunkt des FG Anlaß zu weiterer Sachaufklärung bestand.

cc) Im Hinblick auf die für die Rufbereitschaft gezahlten Beträge wendet sich der Kläger zunächst gegen die rechtliche Würdigung dieser Zahlungen durch das FG, das seinem Urteil die vertraglichen Grundlagen der Zahlungen (Manteltarifvertrag, Betriebsvereinbarung) zugrunde gelegt hat. Eine Sachverhaltsaufklärung durch einen arbeitsmedizinischen Sachverständigen dahingehend, daß auch die Rufbereitschaft das Merkmal tatsächlich geleisteter Arbeit erfüllt, mußte sich dem FG nicht aufdrängen.

Soweit der Kläger vorträgt, das FG habe nicht geklärt, daß er neben den Fahrtkostenerstattungen keine weiteren Vergütungen erhalten habe, verkennt er, daß das FG auf diese Argumentation ausdrücklich eingegangen ist. Es hat festgestellt, daß der Kläger selbst dann keine Steuerfreiheit nach §3 b EStG beanspruchen könne, wenn der tatsächliche Arbeitsanfall bei einem Einsatz nicht vergütet worden sein sollte.

dd) Auch im Hinblick auf die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen durch die Aufwendungen für Privatfahrten des Sohnes des Klägers genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Soweit der Kläger sich auf die Einkommensteuer-Richtlinien und finanzgerichtliche Urteile beruft, rügt er lediglich die fehlerhafte Rechtsanwendung des FG. Ein Verfahrensmangel ist damit nicht dargetan.

Die Rüge der mangelnden Sachaufklärung, weil das FG es unterlassen habe, den Sohn zur Übertragung der Kfz-Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen auf den Kläger zu hören, ist ebenfalls unbegründet. Hat das FG eine Mehrfachbegründung gewählt, die jede für sich die getroffene Entscheidung trägt, so müssen für alle Begründungen Zulassungsgründe durchgreifen, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg haben soll (vgl. BFH-Beschluß vom 7. März 1995 X R 190/93, BFH/NV 1995, 919). Die mangelnde Zustimmung des Sohnes zur Übertragung auf den Kläger ist nur eine von mehreren Begründungen des FG, mit der dieses die Anerkennung weiterer Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abgelehnt hat. Selbst wenn insoweit ein Verfahrensmangel bejaht werden sollte, hätte die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg, da für die anderen Begründungen Zulassungsgründe i. S. des §115 FGO nicht vorliegen.

ee) Im Hinblick auf die Pflichtbeiträge, die der Kläger für die Pflegetätigkeit seiner Frau an die Bundesanstalt für Arbeit abgeführt hat, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht dargetan. Der Kläger macht insoweit lediglich geltend, das FG habe nicht geprüft, ob es sich um außergewöhnliche Belastungen i. S. des §33 EStG gehandelt habe. Damit rügt er, daß das FG den Sachverhalt nicht unter eine bestimmte gesetzliche Vorschrift subsumiert habe. Dies wäre jedoch allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung; Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts sind nicht betroffen.

b) Der Kläger begründet seine Nichtzulassungsbeschwerde mehrfach mit einem Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten.

Die Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, ist im allgemeinen als Rüge der Verletzung des §96 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzufassen: Das Gericht habe den ermittelten Sachverhalt nur unvollständig berücksichtigt. Sie kann aber auch als Aufklärungsrüge verstanden werden. In beiden Fällen müssen jedoch die gesetzlichen Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO an eine solche Rüge erfüllt sein (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 19. Oktober 1977 II R 89--92/71, BFHE 124, 208, BStBl II 1978, 217; BFH-Beschluß vom 13. April 1976 VI B 12/76, BFHE 118, 546, BStBl II 1976, 503). Dem entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

aa) Ein Anspruch auf die Steuerbegünstigung nach §10 e EStG und die Steuerermäßigung nach §34 f EStG steht dem Kläger schon nach seinem eigenen Vortrag nicht zu, da diese Regelungen voraussetzen, daß die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. In seiner Beschwerdebegründung macht der Kläger jedoch geltend, daß die entsprechende Wohnung nicht der Nutzungswertbesteuerung unterliege, da sie fremdvermietet sei. Eine Eigennutzung des Anbaus liegt demnach nicht vor.

bb) Im Hinblick auf die Anerkennung der Privatfahrten seines Sohnes als außergewöhnliche Belastungen wendet sich der Kläger lediglich gegen die rechtliche Begründung des finanzgerichtlichen Urteils. Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt war für das FG der Nachweis höherer Fahrleistungen durch ein Fahrtenbuch und die ärztlichen Stellungnahmen zur Behinderung des Sohnes unerheblich, da es sich durch die Feststellungen im Schwerbehindertenausweis gebunden sah.

c) Soweit der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, ist die Beschwerde unzureichend begründet. Insoweit ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, inwiefern das FG das rechtliche Gehör versagt hat, zu welchen dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen der Kläger sich nicht äußern konnte, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte, daß er keine Möglichkeit besaß, die Versagung rechtlichen Gehörs schon beim FG zu beanstanden, oder daß er den Verfahrensverstoß gegenüber dem FG gerügt hat und inwiefern die Entscheidung des FG hätte anders ausfallen können (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, S. 103).

Unabhängig davon, daß grundsätzlich kein Anspruch darauf besteht, daß das FG vor einer mündlichen Verhandlung einen Erörterungstermin anberaumt, hat der Kläger sich hierauf auch nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG berufen. Daß er auf diesen Gesichtspunkt in der mündlichen Verahndlung nicht habe hinweisen können, trägt der Kläger selber nicht vor. Gleiches gilt für die Rüge des Klägers, das FG hätte vor dem Senatstermin schriftlich detailliert und spezifiziert mitteilen müssen, in welchen Punkten das Gericht von dem Einkommensteuerbescheid 1993 durch Saldierung abweichen wolle. Insoweit ist ausreichend, daß das FG in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit der Saldierung hinweist, wie dies geschehen ist.

3. Die von dem Kläger behauptete Abweichung des Urteils des FG von Entscheidungen des BFH liegt nicht vor.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde überhaupt in der gebotenen Weise darlegt, daß das FG seiner Entscheidung bestimmte tragende (abstrakte) Rechtssätze zugrunde gelegt habe, die mit den ebenfalls tragenden rechtlichen Erwägungen von Entscheidungen des BFH nicht übereinstimmen. Eine Divergenz setzt einen vergleichbaren Sachverhalt voraus. Eine Abweichung liegt nicht vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von den Sachverhalten der von der Beschwerde zitierten BFH-Entscheidungen unterscheidet, daß durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als "mitentschieden" anzusehen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1993 X B 14/92, BFH/NV 1993, 667, 669; vom 24. Oktober 1990 II B 31/90, BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106, ständige Rechtsprechung).

a) Während das FG in seinem Urteil Beiträge an eine betriebliche Pensionskasse zu beurteilen hatte, handelt das Urteil des BFH vom 21. Juli 1981 VIII R 32/80 (BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41) von Schuldzinsen für einen Kredit zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung. Diesem Urteil läßt sich auch kein abstrakter Rechtssatz zu der Frage entnehmen, ob Beiträge zu einer Pensionskasse vorweggenommene Werbungskosten sein können.

b) In seinem Urteil hat das FG Zahlungen, die der Kläger für einen Rufbereitschaftsdienst erhalten hat, einkommensteuerrechtlich gewürdigt. Demgegenüber hatte der BFH in seinem Urteil vom 22. Juni 1962 VI 50/61 S (BFHE 75, 302, BStBl III 1962, 376) die Antrittsgebühr im graphischen Gewerbe zu beurteilen, die als Zuschlag für tatsächlich geleistete Sonntags- und Feiertagsarbeit gezahlt worden ist. Eine Aussage zu Bereitschaftszulagen enthält das Urteil des BFH nicht.

c) Auch im Hinblick auf die Privatfahrten seines Sohnes ergibt sich keine Abweichung des Urteils des FG von einem Urteil des BFH. Das von dem Kläger angeführte Urteil des BFH vom 23. Februar 1968 VI R 260/67 (BFHE 91, 535, BStBl II 1968, 408) betraf einen zu 50 v. H. erwerbsbeschränkten Steuerpflichtigen, der nicht vom Wortlaut einer Verwaltungsanweisung erfaßt war. Demgegenüber befaßt sich das Urteil des FG mit der Frage der Bindungswirkung an die von den Versorgungsämtern hinsichtlich der einschlägigen gesundheitlichen Merkmale getroffenen Feststellungen bei einer pauschalen Anerkennung von Fahrtkosten Behinderter.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66493

BFH/NV 1998, 481

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