Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge und an eine Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör

 

Leitsatz (NV)

1. Soweit der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt, dem FG habe sich eine weitere rechtliche Überprüfung und Würdigung des streitigen Sachverhalts aufdrängen müssen, liegt darin nicht die schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung infolge Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 FGO). Als Verfahrensmangel kommt insoweit allenfalls ein Verstoß des FG gegen das Recht der Prozeßbeteiligten auf Gehör (Art. 101 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) in Betracht.

2. Das Recht der Prozeßbeteiligten auf Gehör beinhaltet die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Sie findet ihre notwendige Ergänzung in der Pflicht des Gerichts zu einer Begründung seiner Entscheidung, aus der erkennbar wird, daß das Gericht seiner Pflicht, die Beteiligten zu hören und ihr wesentliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nachgekommen ist. Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfG in BVerfGE 65, 293, 295).

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO §§ 76, 96 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Zu den gerügten Verfahrensmängeln

Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mehrfach bemängelt hat, dem Finanzgericht (FG) habe sich eine weitere rechtliche Überprüfung und Würdigung des streitigen Sachverhalts aufdrängen müssen, liegt darin nicht die schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung infolge Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Denn die Klägerin beanstandet nicht, daß das FG den Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt habe. Vielmehr vermißt sie lediglich eine erschöpfende rechtliche Auseinandersetzung mit den von ihr und Teilen der Literatur vorgetragenen Argumenten gegen die vom FG geteilte Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 12. Juli 1979 II R 26/78 (BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631).

Als Verfahrensmangel ist insoweit allenfalls ein Verstoß des FG gegen das Recht der Klägerin auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --, § 96 Abs. 2 FGO) zu erwägen.

a) Nach den genannten Bestimmungen haben die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlaß der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Diesem Recht korrespondiert die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Sie findet ihre notwendige Ergänzung in der Pflicht des Gerichts zu einer Begründung seiner Entscheidung, aus der erkennbar wird, daß das Gericht seiner Pflicht, die Beteiligten zu hören und ihr wesentliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nachgekommen ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 10 a, m. w. N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. z. B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 1983 2 BvR 399/81, BVerfGE 65, 293, 295 m. w. N.).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Klägerin einen Gehörsverstoß nicht substantiiert darzulegen vermocht. Die Ausführungen der Klägerin geben keinen Anhalt dafür, daß das FG die Rechtsauffassung der Klägerin und der von ihr zitierten Literatur nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe. Dagegen spricht insbesondere, daß das FG im Tatbestand des angefochtenen Urteils die Rechtsauffassung der Klägerin und des von ihr zitierten Autors Oswald (Deutsche Steuer-Zeitung 1980, 15) -- wenn auch nicht in allen Details, so doch -- in ihrem wesentlichen Gehalt wiedergegeben hat (vgl. S. 4 f. der Vorentscheidung).

c) In ihrem Kern richten sich die überwiegenden Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift im Stil einer Revisionsbegründung gegen die vom FG im Anschluß an das Senatsurteil in BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631 angestellten rechtlichen Erwägungen. Damit rügt sie angebliche materiell-rechtliche Mängel, die nur im Revisionsverfahren beachtet werden könnten.

2. Zur grundsätzlichen Bedeutung

Die Klägerin hat zutreffend und substantiiert darauf hingewiesen, daß in der Literatur gegen die vom erkennenden Senat in BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631 entwickelten Rechtsgrundsätze, denen das FG gefolgt ist, nicht ungewichtige Einwände erhoben worden sind. Dennoch kommt der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung mangels Klärungsbedürftigkeit nicht zu, nachdem der erkennende Senat -- was der Klägerin bei Abfassung ihrer Beschwerdebegründung noch nicht bekannt sein konnte --, die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 28, 266, BStBl II 1979, 631 in jüngster Zeit (vgl. die nicht zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Senatsurteile vom 2. März 1994 II R 125/89 und vom 30. März 1994 II R 105/93, BFH/NV 1995, 70) in Kenntnis der dagegen in der Literatur erhobenen Einwände und Bedenken bestätigt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420024

BFH/NV 1995, 131

BFH/NV 1995, 132

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