Entscheidungsstichwort (Thema)

Mandatsentzug und Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (NV)

Der Entzug (oder die Niederlegung) des Mandats allein berührt als rein interner Vorgang nicht das verfahrensrechtliche Vertretungsverhältnis. - Der Vollmachtgeber muß sich das Verschulden des Bevollmächtigten zurechnen lassen, solange das Vertretungsverhältnis nicht durch entsprechende Erklärung gegenüber dem FA oder dem FG beendet ist.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 62; AO 1977 § 80 Abs. 1 S. 4

 

Tatbestand

Der Kläger, der Antragsteller und Beschwerdeführer in diesem Verfahren (Antragsteller), greift vor dem Finanzgericht (FG) die Bescheide des beklagten Finanzamts (FA) über Einkommen- und Umsatzsteuer 1982 an.

Im Einspruchsverfahren hatte der Antragsteller am 30. Januar 1985 dem Rechtsanwalt A. Vollmacht erteilt, die dieser am 1. Februar 1985 beim FA mit der Ankündigung vorgelegt hatte, unverzüglich weiter in dieser Sache Stellung zu nehmen. Als dies trotz einer mit Fristsetzung verbundenen Aufforderung nicht geschehen war, hatte das FA die Rechtsbehelfe mit Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 1985 zurückgewiesen, da zu ihrer Begründung nichts vorgebracht worden sei. Die (mit ordnungsgemäßer Belehrung versehene) Rechtsbehelfsentscheidung ist dem Bevollmächtigten am 13. Mai 1985 (mit Postzustellungsurkunde) zugestellt worden.

Am 17. Juli 1985 hat der Antragsteller Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt - letzteres mit der Begründung, er habe von der Einspruchsentscheidung erst am 19. Juni 1985 erfahren, weil sein damaliger Bevollmächtigter ihn erst verspätet davon unterrichtet habe. Im übrigen habe er dem Rechtsanwalt A., schon im April 1985 das Mandat entzogen. Daß dieser den Rechtsbehelf nicht begründet habe, könne ihm nicht angelastet werden.

Den (mit einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse versehenen) Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) hat das FG mit der Begründung abgelehnt, die Klage habe wegen der Fristversäumnis keine ausreichende Aussicht auf Erfolg. Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht.

Mit der Beschwerde erstrebt der Antragsteller weiterhin die Gewährung von PKH und macht zur Begründung geltend, er habe weder die Klage- noch die Wiedereinsetzungsfrist schuldhaft versäumt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den PKH-Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. - Unter den gleichen Voraussetzungen kann außerdem ein Rechtsanwalt beigeordnet werden (§ 121 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die beim FG anhängige Anfechtungsklage keine hinreichende Erfolgaussichten bietet. Sie wurde verspätet erhoben. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht.

Heilung der Fristversäumnis hätte nach § 56 Abs. 1 FGO erfordert, daß der Antragsteller ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, die einmonatige Klagefrist (§ 47 FGO) einzuhalten. § 56 Abs. 2 FGO verlangt außerdem, daß der Wiedereinsetzungsantrag zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird (Satz 1), daß die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden (Satz 2) und daß die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird (Satz 3). - Der Antragsteller hat keinen Wiedereinsetzungsgrund vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht und überdies auch die Antragsfrist nicht gewahrt.

Die Nichteinhaltung der Klagefrist kann nicht als unverschuldet angesehen werden. Der Antragsteller muß sich das Verschulden seines früheren Bevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 56 Rz. 6 m. w. N.). Die Kündigung oder die Niederlegung des Mandats (die im übrigen, was Zeitpunkt und Einzelheiten angeht, weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht wurde) ist als interner Vorgang unbeachtlich. Entscheidend war insoweit allein der dem FA gegenüber erklärte Widerruf (§ 80 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung - AO 1977 -; vgl. auch Gräber / Koch, a.a.O., § 62 Rz. 69 und die dortigen Nachweise). Er trägt nach Aktenlage das Datum vom 17. September 1985, wurde also erst nach Klageerhebung ausgesprochen. Warum Rechtsanwalt A. nicht rechtzeitig selbst (,,vorsorglich") Klage erhob oder den Antragsteller hierzu veranlaßte, ist ebensowenig dargelegt worden wie die Ursache für den verspäteten Widerruf und die verspätete Weiterleitung der Einspruchsentscheidung an den Antragsteller. Die (zudem verspätet in das Wiedereinsetzungsverfahren eingebrachte) Behauptung, die Akten seien verlegt gewesen, ist zu allgemein gehalten und im übrigen ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.

Unabhängig von den zuvor genannten Mängeln der Antragsbegründung ist kein Grund dafür erkennbar, daß der Antragsteller die Frist des § 56 Abs. 2 FGO versäumt hat und, nachdem er von der Einspruchsentscheidung und ihrer Zustellung am 13. Mai 1985 Kenntnis erhalten hatte, nicht unverzüglich selbst Klage erhob, sondern damit fast einen weiteren Monat zuwartete.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416875

BFH/NV 1991, 74

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