Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Rechtsmitteln; Rüge fehlerhafter Ablehnung eines Antrags auf Terminsaufhebung; Begründung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (NV)

1. Ein nicht näher bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils begehrt wird, ist regelmäßig als Revision auszulegen.

2. Die Rüge, ein Antrag auf Terminsaufhebung sei zu Unrecht abgelehnt worden, eröffnet nicht die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO (BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1985 I R 195/84, BFH/NV 1986, 539).

3. Zu einer schlüssigen Begründung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört, daß der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355).

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1-2, § 116 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhob gegen die die Streitjahre (1984 bis 1985) betreffenden Einkommen- und Umsatzsteuerveranlagungen Klage beim Finanzgericht (FG). Trotz Aufforderung durch das Gericht reichte der Kläger weder Klagebegründungen ein noch bezeichnete er den Streitgegenstand. Daraufhin lud das FG den Kläger zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den 24. April 1989 ein. Am Freitag, den 21. April 1989, 14 Uhr, wurde beim Pförtner des FG ein Schriftsatz des Klägers abgegeben, mit dem dieser Verlegung der mündlichen Verhandlung beantragte. Der Kläger machte geltend, ein seit einiger Zeit geplanter Kurzaufenthalt außerhalb von D mache sein Erscheinen unmöglich. Dieser Schriftsatz wurde dem Berichterstatter, der zugleich den Vorsitzenden vertrat, am Morgen des 24. April 1989 vorgelegt.

Das Gericht führte die mündliche Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschien, durch und wies die Klagen ab.

Die Urteile wurden dem Kläger am 5. Mai 1989 zugestellt. Am 2. Juni 1989 ging beim FG ein Schriftsatz ein, in dem es heißt: ,,Wir nehmen Bezug auf Ihre o. g. Entscheidungen. Ich beantrage, diese ersatzlos aufzuheben. Der Kläger ist sehr wohl in der Zeit zwischen Ende 1988 bis zum 16. Juni 1989 (als definitives Ende) überlastet (viermal eine Woche auswärtiges Seminar als Beispiel)."

Auf Anfrage der Geschäftsstelle des beschließenden Senats teilte das FG mit, es vertrete die Auffassung, der Kläger habe nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulassungsfreie Revisionen einlegen wollen. Entscheidungen nach § 115 Abs. 5 FGO seien daher nicht ergangen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat sich dahin geäußert, daß es die Revisionen mangels Zulassung nicht für statthaft halte.

Der Senat hat die Revisionen zur Entscheidung miteinander verbunden (§ 73 Abs. 1 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Bei den eingelegten Rechtsmitteln handelt es sich um Revisionen. Das ergibt sich daraus, daß der Kläger in seinen diesbezüglichen Schreiben die Aufhebung der angefochtenen Urteile begehrt. Er hat auch der vom FA vorgenommenen Wertung seiner Rechtsmittel als Revisionen nicht widersprochen.

Die Revisionen sind unzulässig. Abweichend von § 115 Abs. 1 FGO findet die Revision nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Dies haben im vorliegenden Fall weder das FG noch der BFH getan.

Der Kläger hat auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel dargelegt, der eine zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO begründen könnte. Insbesondere ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, daß er i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war.

Die von ihm gerügte fehlerhafte Ablehnung eines Antrags auf Terminsaufhebung fällt nicht unter § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, sondern kann allenfalls als eine Versagung rechtlichen Gehörs zu werten sein, die nicht zu den Zulassungsgründen i. S. von § 116 Abs. 1 FGO zählt; eine zulassungsfreie Revision entfällt schon dann, wenn der Beteiligte bzw. sein Prozeßbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen worden ist (BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1985 I R 195/84, BFH/NV 1986, 539). Das FG hat den Kläger ordnungsgemäß geladen. Dieser mußte auch davon ausgehen, daß die anberaumte mündliche Verhandlung durchgeführt werden würde. Angesichts der Tatsache, daß seinem Antrag auf Terminsverlegung nicht stattgegeben worden war, konnte er nicht damit rechnen, daß der Termin aufgehoben werden würde. Da der Antrag erst am Freitag vor dem auf Montag angesetzten Termin um 14 Uhr beim Pförtner des Gerichts abgegeben wurde, konnte er nicht einmal sicher davon ausgehen, daß seine Eingabe den zuständigen Richter so rechtzeitig erreichen würde, daß dieser ihm eine eventuelle Terminsaufhebung noch mitteilen konnte.

Der Senat hat auch geprüft, ob das Begehren des Klägers Erfolg haben könnte, wenn sein Rechtsmittel nicht als Revision, sondern als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ausgelegt wird. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Kläger hat Gründe, die nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO die Zulassung der Revisionen rechtfertigen könnten, nicht vorgetragen. Insbesondere hat er - auch nicht sinngemäß - dargelegt, daß sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Zu einer schlüssigen Begründung dieser Verfahrensrüge gehört, daß der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355; Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 167 m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416836

BFH/NV 1990, 709

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