Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiladung bei bestrittener Gesellschafterstellung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Klagebefugnis eines Gesellschafters -- und damit die Notwendigkeit seiner Beiladung -- ergibt sich aus dem Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes.

2. Klage gegen Umsatzsteuer, die eine Personengesellschaft betrifft, kann nur die Gesellschaft erheben. Hat lediglich ein Gesellschafter Klage erhoben, kommt eine Beteiligung der anderen Gesellschafter regelmäßig nicht in Betracht.

 

Normenkette

FGO §§ 48, 60 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

FG Mecklenburg-Vorpommern

 

Tatbestand

Der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladene) schloß im Mai 1991 mit dem Kläger und Beteiligten (Kläger) einen notariellen Vertrag zur Gründung der "X und Y ... GmbH". Die Eintragung ins Handelsregister unterblieb.

Zum 31. Dezember 1993 wurde das Gewerbe der Gesellschaft abgemeldet.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erließ im Dezember 1994 einen Gewinnfeststellungsbescheid, in dem es die Einkünfte des Jahres 1991 wegen Nichtabgabe auf 10 000 DM schätzte. Der Bescheid ist gerichtet an den Kläger "als Gesellschafter der X und Y ... GbR". Der Gewinn ist beiden Gesellschaftern je zur Hälfte zugerechnet.

Ferner setzte das FA in einem weiteren Bescheid die Umsatzsteuer im Schätzungswege auf 2400 DM fest. Der Bescheid ist gerichtet an den Kläger "als Gesellschafter der Firma X und Y ... GbR".

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Einspruch. Er macht geltend, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) habe nicht bestanden. Der Umsatzsteuerbescheid sei schon deswegen nichtig, weil in ihm ein unmöglicher Empfänger benannt sei. Eine GbR könne keine Firma haben und daher auch nicht so angesprochen werden. Außerdem seien die Besteuerungsgrundlagen zu hoch geschätzt worden. Zudem habe allein der Beigeladene Einkünfte erzielt.

Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, einkommensteuerrechtlich sei es unerheblich, ob die zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen bestehende Gesellschaft als Vor- GmbH oder als GbR qualifiziert werde. In jedem Fall habe es sich um eine Mitunternehmerschaft gehandelt, für deren Gesellschafter die Besteuerungsgrundlagen einheitlich und gesondert festzustellen seien. Der Umsatzsteuerbescheid sei trotz der unzutreffenden Rechtsformbezeichnung wirksam, da der Inhaltsadressat im Wege der Auslegung ermittelt werden könne.Ü

ber die hiergegen gerichtete Klage ist noch nicht entschieden. Das Finanzgericht (FG) hat den Beschwerdeführer gemäß §60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen.

Das FG vertrat die Auffassung, eine notwendige Beiladung komme stets dann in Betracht, wenn neben dem Kläger auch ein Dritter klagebefugt sei. Bei der Bestimmung der Klagebefugnis sei von der Regelungsaussage des angegriffenen Verwaltungsaktes auszugehen. Sowohl dem Feststellungs- als auch dem Umsatzsteuerbescheid liege die Annahme des Bestehens einer GbR zugrunde. Die Klagebefugnis des Beigeladenen folge hinsichtlich des Gewinnfeststellungs bescheides aus §48 FGO a. F. In der Umsatzsteuersache sei davon auszugehen, daß die Geschäftsführung und damit auch die gesetzliche Vertretung der Gesellschaft im Prozeß dem Kläger und seinem Mitgesellschafter gemeinsam zugestanden habe. Als gesetzlichen Vertreter habe daher dem Beigeladenen die Klagebefugnis i. S. des §40 Abs. 2 FGO kraft eigenen Rechts zugestanden. Auf die Frage, ob die Gesellschafter ihre Klagebefugnis nur gemeinsam hätten wahrnehmen können, komme es im Rahmen der notwendigen Beiladung nicht an.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Beigeladenen. Er macht geltend, die Beiladung müsse unterbleiben, weil er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vom Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein könne. Der Kläger und er hätten gleichzeitig mit dem GmbH-Vertrag weitere notariell beurkundete Verträge abgeschlossen. So habe der Beigeladene dem Kläger gegenüber ein unwiderrufliches Angebot zur Abtretung seines Geschäftsanteils abgegeben und dem Kläger ein Nießbrauchsrecht an diesem Anteil eingeräumt. Damit hätten alle Erträge aus dem GmbH-Anteil dem Kläger zugestanden. Des weiteren sei auch nur der Kläger alleinvertretungsberechtigt gewesen. Die GmbH sei nur gegründet worden, um die Güterfernverkehrsgenehmigung des Beigeladenen auf den Kläger bzw. auf ein ihm allein gehörendes Unternehmen zu übertragen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abge holfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Gewinnfeststellung

Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung i. S. des §60 Abs. 3 FGO sind erfüllt. Die Entscheidung in der Hauptsache kann dem Kläger und dem Beigeladenen gegenüber nur einheitlich ergehen. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Klagebefugnis nach dem Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes richtet. Dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid liegt die Annahme zugrunde, daß zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen eine gewerblich tätige GbR, jedenfalls aber eine gewerbliche Mitunternehmerschaft bestand. §60 Abs. 3 Satz 2 FGO steht der Notwendigkeit der Beiladung nicht entgegen. Die Klagebefugnis des Beigeladenen folgt aus §48 Abs. 1 Nr. 1 FGO a. F., da u. a. die Frage streitig ist, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Gesellschafter verteilt. Ob der Beigeladene tatsächlich am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist, ist nicht im Streit über die Berechtigung der Beiladung, sondern im Verfahren der Hauptsache zu klären.

2. Umsatzsteuer

Die Beschwerde ist mit der Maßgabe unbegründet, daß der Beschwerdeführer nicht notwendig, sondern einfach beizuladen war. Im Gegensatz zum Gewinnfeststellungsbescheid, der für eine Mehrzahl von Personen die Steuerbemessungsgrundlage einheitlich feststellt, richtet sich der Umsatzsteuer bescheid gegen die Gesellschaft als solche. Sie ist Unternehmerin (§2 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG --) und als Trägerin des Gesellschaftsvermögens Schuldnerin der Umsatzsteuer (§13 Abs. 2 UStG). Nur sie ist auch klagebefugt, und nur ihr gegenüber wirkt das Urteil. Kann die Gesellschaft nur durch gemeinsames Handeln mehrerer Gesellschafter vertreten werden, hat aber nur einer ohne Vollmacht des anderen Klage erhoben, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen -- der andere Gesellschafter ist nicht etwa beizuladen (Senatsurteil vom 21. Mai 1992 IV R 146/88, BFH/NV 1993, 303). Der Fall, daß mehrere Urteile hinsichtlich ein und derselben Besteuerungsgrundlagen ergehen, kann allenfalls dann eintreten, wenn Einzelbescheide gegen jeden der Gesellschafter ergangen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. Oktober 1987 X R 33--34/81, BFHE 151, 237, BStBl II 1988, 92). Das war vorliegend nicht der Fall.

Die Beiladung hat jedoch als einfache Beiladung i. S. des §60 Abs. 1 FGO Bestand. Der Beigeladene kommt möglicherweise als Haftender für die Umsatzsteuerschuld der Gesellschaft in Betracht (BFH-Urteil vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939). Seine recht lichen Interessen sind daher durch die Entscheidung berührt, so daß es ermessensgerecht ist, ihn gemäß §60 Abs. 1 FGO beizuladen (BFH-Beschluß vom 23. April 1996 VII B 240/95, BFH/NV 1996, 828).

Der Senat kann die für die einfache Beiladung notwendige Ermessensentscheidung selbst treffen, da er im Beschwerdeverfahren den Beiladungsbeschluß vollinhaltlich zu überprüfen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239, und vom 6. Mai 1988 VI B 35/87, BFH/NV 1989, 113).

Der Beigeladene verkennt die Bedeutung des §60 FGO. Durch die Beiladung wird nicht etwa seine Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft präjudiziert. Die Beiladung dient vielmehr nicht zuletzt den Interessen des Beigeladenen, der durch sie die Möglichkeit erhält, auf das Verfahren Einfluß zu nehmen, um dadurch zu verhindern, daß die Entscheidung seine Rechtsstellung nachteilig berührt (BFH-Beschluß in BFH/NV 1989, 113). Der Beigeladene übersieht insbesondere, daß die Bescheide in ihrer jetzigen Form unmittelbar (Gewinnfeststellung) oder mittelbar (Umsatzsteuer) auch ihn belasten und daß nur im Wege eines Klage verfahrens die Möglichkeit besteht, eine Aufhebung oder Änderung der belastenden Bescheide zu erreichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung ist lediglich dann abzusehen, wenn über einen Beiladungsbeschluß im Beschwerdeverfahren im Sinne des Rechtsmittelantrags entschieden wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. August 1988 VIII B 82/87, BFH/NV 1989, 249, und vom 14. April 1993 IX B 115/91, BFH/NV 1994, 482).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66873

BFH/NV 1998, 345

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