Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherung einheitlicher Rechtsprechung; Ermittlung des Totalgewinns bei wesentlichen Beteiligungen; grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

1. Für eine Divergenz ist es nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen worden sein.

2. Eine Abweichung kann deshalb auch dann vorliegen, wenn das FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der Bundesfinanzhof zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Indes reicht weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen, noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles, noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.

3. Das Halten und die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung steht wirtschaftlich dem Einzelunternehmen und der Beteiligung an einer OHG sehr nahe, weshalb § 17 EStG den umschriebenen Lebenssachverhalt als gewerbliche Betätigung erfasst.

4. Diese gewerbliche Betätigung unterliegt der Einkommensteuer, wobei die Zuordnung zu der Einkunftsart "Gewinn aus Gewerbebetrieb" sich nach § 17 EStG bestimmt. § 17 Abs. 1 EStG ordnet somit den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Damit wird jedoch nicht das Vorhandensein eines Gewerbebetriebes, sondern nur die Art des Veräußerungsgewinns als gewerbliche Einkünfte fingiert.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2, § 17 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 8 K 217/01)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2  2. Alternative FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

1. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen.

Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt.

Allerdings ist es nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein. Eine Abweichung kann deshalb auch vorliegen, wenn das FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der Bundesfinanzhof (BFH) zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles, noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.; vom 25. September 2002 IX B 14/02, BFH/NV 2003, 191).

b) Das FG hat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den zur Frage der Prüfung eines Totalgewinns ergangenen Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) und speziell zur Prüfung dieses Merkmals im Rahmen des Tatbestandes in § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf das BFH-Urteil vom 29. Juni 1995 VIII R 68/93 (BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722) sowie vom 2. Mai 2001 VIII R 32/00 (BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668) Bezug genommen und die wesentlichen maßstabsbildenden Grundsätze im angefochtenen Urteil (S. 9) inhaltlich wiedergegeben.

In Anwendung dieser Grundsätze und unter Einbeziehung sowohl der vom Kläger erklärten Gründungsabsicht, die GmbH lediglich zur Haftungsbegrenzung für die Erbengemeinschaft einzusetzen sowie der individuellen Verhältnisse der GmbH, ist das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zu dem vom klägerischen Begehren allerdings abweichenden Ergebnis gelangt, dass es von Anfang an, nämlich der Gründung dieser GmbH, an einer Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt habe.

Weder ausdrücklich noch auch nur konkludent hat das FG damit abstrakte, tragende und von den vermeintlichen Divergenzentscheidungen abweichende Rechtssätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Eine allenfalls unzulängliche rechtliche Würdigung des Streitfalles begründete indes kein Abweichen im Grundsätzlichen, sondern --wie ausgeführt-- eine lediglich fehlerhafte Anwendung dieser Rechtssätze im konkreten Fall.

Die Kläger führen im Übrigen selber aus, dass dem vermeintlichen Divergenzurteil des BFH in BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722 gerade kein mit dem Streitfall identischer Sachverhalt zugrunde liege. Sie wollen lediglich die rechtliche Würdigung des BFH zur Erhöhung einer GmbH-Beteiligung der im Streitfall gegebenen Umwandlung einer OHG-Beteiligung gleichsetzen.

Soweit die Kläger behaupten, das FG habe die Gewinnerzielungsabsicht nicht entsprechend dem Prüfungsschema des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 geprüft, weil das FG nicht berücksichtigt habe, dass das Unternehmen im Streitfall fast 40 Jahre lang tatsächlich die Möglichkeit eines Totalgewinns erfüllt habe, bemerken sie zwar, dass im Streitfall eine neu gegründete GmbH als eigenständiges Steuersubjekt zu beurteilen ist, lassen indes die der Umwandlung vorausgegangenen, vom FG jedoch zutreffend in seine Gesamtwürdigung einbezogenen einschneidenden Veränderungen der objektiven wirtschaftlichen Bedingungen, nämlich den Eintritt des Konkurses der Betriebs-GmbH und damit die Beendigung der Funktion des von der Erbengemeinschaft fortgeführten Besitzunternehmens im Rahmen der Betriebsaufspaltung völlig außer Acht.

Schließlich legen sie dar, die vom FG herangezogenen BFH-Entscheidungen (BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, sowie BFH-Urteil in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668) beträfen völlig andere Problemstellungen. Danach könnte schon aus diesem Grund eine Divergenz gar nicht vorliegen.

Der BFH hat im Übrigen im Urteil in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668 (m.w.N.) konkrete Anhaltspunkte dafür verlangt, dass aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft und/oder ihrer Gesellschafter auch langfristig mit einem Überschuss einschließlich einer Wertsteigerung nicht zu rechnen gewesen sei. Diese Prüfung hat das FG im angefochtenen Urteil gerade durchgeführt.

2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiiert Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen, um insoweit einen klärungsbedürftigen Meinungsstreit herauszuarbeiten. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2006 VIII B 48/05, BFH/NV 2007, 712, m.w.N.).

Eine grundsätzliche Bedeutung fehlt darüber hinaus bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung (BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 I B 168/05, BFH/NV 2006, 1121).

b) Die als klärungsbedürftig angeführte Rechtsfrage, ob die Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG zusätzlich vorliegen müssten, um eine Gewerblichkeit der Einkünfte nach § 17 EStG zu erreichen, hat der BFH bereits im Urteil vom 4. November 1992 X R 33/90 (BFHE 169, 357, BStBl II 1993, 292) dahin gehend beantwortet, auf der gedanklichen Grundlage, dass das Halten und die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung wirtschaftlich dem Einzelunternehmen und der Beteiligung an einer OHG sehr nahe stehe, lasse sich der durch § 17 EStG umschriebene Lebenssachverhalt als gewerbliche Betätigung erfassen. Diese unterliege nach § 2 Abs. 1 EStG der Einkommensteuer, wobei die Zuordnung zu der Einkunftsart "Gewinn aus Gewerbebetrieb" sich nach § 17 EStG bestimme. § 17 Abs. 1 EStG ordnet also den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Damit wird indes nicht das Vorhandensein eines Gewerbebetriebes, sondern nur die Art des Veräußerungsgewinns als gewerbliche Einkünfte fingiert (vgl. Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 56). Einer zusätzlichen Prüfung der Merkmale nach § 15 Abs. 2 EStG bedarf es mithin nicht.

c) Zu den weiteren Rechtsfragen, ob das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht bei dem Umwandlungssteuergesetz unterliegenden Vorgängen fortwirke und ob das Merkmal nach einer Einbringung in eine GmbH ggf. erneut nachzuweisen sei, haben die Kläger sich auch nicht ansatzweise mit Rechtsprechung und Schrifttum, insbesondere zum Umwandlungsrecht, auseinander gesetzt.

Im Übrigen haben sie lediglich die aus ihrer Sicht den konkreten Fall betreffenden Rechtsfragen in das Kleid einer im Allgemeininteresse liegenden Rechtssache gesteckt. Vor allem aber haben sie auch insoweit außer Acht gelassen, dass der zugrunde liegende Sachverhalt gerade keine Fortführung des eingebrachten Unternehmens lediglich in veränderter Rechtsform zum Gegenstand hat, sondern die objektiven wirtschaftlichen Bedingungen des von der Erbengemeinschaft fortgeführten Besitzunternehmens sich einschneidend --wie zuvor bereits ausgeführt-- geändert hatten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1822180

BFH/NV 2008, 61

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