Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassungsfreie Revision: Anforderungen an die Rüge, das erkennende Gericht sei wegen der Mitwirkung eines erschöpften Richters nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen; Unzulässigkeit der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

 

Leitsatz (NV)

1. Für eine schlüssige Rüge, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO), weil ein Richter während der mündlichen Verhandlung an Erschöpfungszuständen gelitten habe, muß insbesondere dargelegt werden, wie sich der behauptete Erschöpfungszustand im einzelnen ausgewirkt hat und was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist, vor allem worüber verhandelt wurde.

2. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt nicht zur Statthaftigkeit der Revision nach § 116 Abs. 1 FGO; die hier in Betracht kommenden Mängel des finanzgerichtlichen Verfahrens sind abschließend aufgezählt.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1, 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Gewährung einer Investitionszulage als unbegründet ab.

Gegen das am 23. November 1992 zugestellte Urteil hat der Kläger unmittelbar Revision eingelegt. Die Revisionsbegründungsschrift hat er - nach einem entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats - am 18. Februar 1993 eingereicht; gleichzeitig hat er wegen des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist (am 25. Januar 1993) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Zur Begründung seines Rechtsmittels macht der Kläger geltend, das FG habe ihm das rechtliche Gehör verweigert. Außerdem trägt er vor, er habe beobachtet, daß die Richterin am FG A während der mündlichen Verhandlung an Erschöpfungszuständen litt und offensichtlich der mündlichen Verhandlung nicht mehr folgen konnte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der für den Streitfall gültigen Fassung findet abweichend von § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

2. Die Zulässigkeit der Revision folgt auch nicht aus § 116 Abs. 1 FGO, wonach dieses Rechtsmittel ausnahmsweise auch ohne Zulassung statthaft sein kann. Der Kläger hat keinen der dort genannten Verfahrensfehler schlüssig gerügt.

a) Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt schon deswegen nicht zur Statthaftigkeit, weil § 116 Abs. 1 FGO die Mängel, die die Revision auch ohne Zulassung ermöglichen, abschließend aufzählt. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht genannt (siehe z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 116 Anm. 1).

b) In dem Vorbringen, die Richterin am FG A habe während der mündlichen Verhandlung an Erschöpfungszuständen gelitten und der Verhandlung offensichtlich nicht mehr folgen können, kann die Rüge gesehen werden, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO).

Doch ist ein derartiger Mangel nur zu berücksichtigen, wenn er wirksam gerügt worden ist. Die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen müssen ausreichend und geeignet sein, den Mangel darzutun. Allgemeine Behauptungen genügen nicht. Für eine schlüssige Rüge, das Gericht sei wegen eines während der mündlichen Verhandlung an Erschöpfungszuständen leidenden Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, muß insbesondere dargelegt werden, wie sich der behauptete Erschöpfungszustand im einzelnen ausgewirkt hat und was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist, vor allem worüber verhandelt wurde (vgl. hierzu auch den BFH-Beschluß vom 28. August 1986 V R 18/86, BFHE 147, 402, BStBl II 1986, 908, zu einem eingeschlafenen Richter).

Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers nicht. Er hat den angeblichen Erschöpfungszustand der Richterin am FG A nicht näher beschrieben. Auch hat er nicht dargelegt, welche wesentlichen Vorgänge der Verhandlung diese Richterin nicht habe wahrnehmen können.

3. Die Revision ist nach alledem bereits deswegen gemäß § 126 Abs. 1 FGO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist. Auf die Frage, ob dem Kläger wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 1 FGO) gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, kommt es mithin nicht mehr an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419143

BFH/NV 1994, 45

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