Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des § 68 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Kostenentscheidung bei teilweiser Erledigung der Sache

 

Leitsatz (NV)

  1. § 68 FGO ist auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde anwendbar.
  2. Die Änderung des Verfahrensgegenstandes nach § 68 FGO ist nur zulässig, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde selbst zulässig ist. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit wegen Ermäßigung des Rückforderungsbetrages durch das HZA übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist der Rechtsstreit als von Anfang an erledigt zu betrachten.
  3. Zur Offenkundigkeit der grundsätzlichen Bedeutung einer aufgeworfenen Rechtsfrage und zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Sache.
  4. Zur Kostenentscheidung bei teilweiser Erledigung der Sache im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.
 

Normenkette

EWGV 3665/87 Art. 21; FGO §§ 68, 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, §§ 135, 138 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellte im August und September 1995 Weichweizen der Marktordnungs-Warenlistennummer 1001 9099 unter Zollkontrolle. Mit der Zahlungserklärung legte sie Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Erstattung vor, in denen als Bestimmungsland für die Erzeugnisse China angegeben war. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) gewährte die für die Ausfuhr des Erzeugnisses beantragte Ausfuhrerstattung in Höhe eines Betrages von 20 ECU/t zuzüglich eines Zuschlags in Höhe eines Betrages von 1,3 ECU/t im Wege der Vorfinanzierung.

Die Klägerin hatte den Weizen mit Vertrag vom 15. November 1995 zu den darin im Einzelnen festgelegten Bedingungen an die Firma X verkauft. In dem Vertrag war als letzter Bestimmungsort der Ware die Volksrepublik China genannt.

Die Klägerin reichte die vorzulegenden Einfuhrnachweise dem HZA nicht ein. Vielmehr unterrichtete sie das HZA darüber, dass die mit dem Schiff MS … ausgeführte Ware in die Türkei umgeleitet worden sei und auch Zweifel daran bestünden, dass die mit drei weiteren Schiffen ausgeführte übrige Ware in China angekommen sei. Sie beantragte, im Zusammenhang mit dem vorgetragenen Sachverhalt höhere Gewalt anzuerkennen. Die Schiffe seien ohne Einfluss der Klägerin in die Türkei, nach Polen und Malta umgeleitet worden. Ein Teil der Ladung der MS … sei offensichtlich an eine Firma in Genf verkauft worden. Trotz Vorlage der in dem Kaufvertrag vorgesehenen Bestätigung habe die Fa. X die Ware mit dem Hinweis beanstandet, der Weizen sei nicht frei von Infektion mit "Tilletia Contraversa Kuhn" (TCK).

Das HZA forderte daraufhin von der Klägerin mit Bescheiden vom … die vorfinanzierte Ausfuhrerstattung zuzüglich eines Zuschlags von 20 % in Höhe von … DM zurück. Den Antrag auf Anerkennung höherer Gewalt lehnte es ab. Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) sah die Rückforderung der vorfinanzierten Ausfuhrerstattung gemäß Art. 11 Abs. 3 i.V.m. Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 351/1, in der maßgebenden Fassung) als rechtmäßig an, weil die Voraussetzungen für eine Gewährung der Ausfuhrerstattung nicht vorlägen. Die Zahlung der Ausfuhrerstattung sei nicht gerechtfertigt, weil das Erzeugnis das vorgesehene Bestimmungsland nicht erreicht habe. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin gegenüber der Rückforderung nicht berufen, weil die Gewährung der Ausfuhrerstattung im Wege der Vorfinanzierung ausdrücklich unter dem Vorbehalt gestanden habe, dass der Anspruch auf die festgesetzte Ausfuhrerstattung tatsächlich entstehe und vom Ausführer form- und fristgerecht nachgewiesen werde. Auch der Zuschlag von 20 % sei vom HZA zu Recht erhoben worden, weil die Voraussetzung dafür, dass er entfalle, nämlich dass der fällige Betrag aufgrund höherer Gewalt niedriger als der vorfinanzierte Betrag ist (Art. 33 Abs. 4 VO Nr. 3665/87), nicht vorläge. Schließlich komme die Anerkennung eines für andere Drittländer geltenden Erstattungsbetrages von 1 ECU/t, ggf. zuzüglich des nicht an ein bestimmtes Drittland gebundenen Zuschlags von 1,3 ECU/t ebenfalls nicht in Betracht, weil ernste Zweifel daran bestünden, dass die Ware innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung den Markt eines anderen Drittlandes erreicht habe, und die Klägerin entsprechende Belege nicht vorgelegt habe. Auch unter Berücksichtigung von Art. 21 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 gelte nichts anderes, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Ware aus Gründen höherer Gewalt in ein anderes Land als in das in der Lizenz genannte Bestimmungsland eingeführt wurde; den in diesem Fall vorgeschriebenen Nachweis, dass die Ware in ein anderes Bestimmungsland eingeführt worden sei, habe die Klägerin ebenfalls nicht erbracht.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision. Sie stützt die Beschwerde darauf, dass die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung habe und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Grundsätzliche Bedeutung hätten folgende Fragen, deren Klärung auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei:

- Ist es der Einfuhr in ein Drittland gleichzustellen, wenn das Bestimmungsland als Staatshandelsland dergestalt über das gekaufte und einzuführende Getreide verfügt, dass es dieses statt es einzuführen weiterverkauft und den Staatsbürgern dieses Landes statt des Getreides der Verkaufspreis zugute kommt?

- Liegt ein Fall höherer Gewalt vor, wenn das Bestimmungsland, ohne einen Grund für eine Mängelrüge zu haben, die Ware umdirigiert und in ein anderes Drittland verkauft?

- Ist nach Art. 21 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 der Einfuhrnachweis zu erbringen, wenn lediglich der Teil der Erstattung, der dem niedrigsten Erstattungssatz entspricht, in Anspruch genommen wird, oder reicht der Nachweis der Ausfuhr aus der EU aus?

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen. Ferner hat es mitgeteilt, dass im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 21. März 2002 VII R 35/01 (BFHE 198, 247) die Erstattung in Höhe der monatlichen Zuschläge (Reports), welche Teil der Grunderstattung sind, zu gewähren ist. Deshalb hat es mit dem gemäß § 68 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Senat übersandten Berichtigungsbescheid vom … Dezember 2002 die angefochtenen Bescheide vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahin berichtigt, dass ein Betrag in Höhe von insgesamt … DM zuviel zurückgefordert worden ist, so dass sich der Rückforderungsbetrag auf insgesamt … DM ermäßigt. Soweit das HZA damit die Grunderstattung gewährt hat, hat es den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Hauptsache ist hinsichtlich des Betrages von … DM erledigt, weil das HZA insoweit den ursprünglichen Rückforderungsbetrag durch Bescheid vom … Dezember 2002, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ermäßigt hat und die Beteiligten die Sache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

§ 68 FGO ist auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde anwendbar. Daran hat sich durch die Neufassung des § 68 FGO durch Art. 1 Nr. 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) gegenüber der früheren Regelung (vgl. dazu BFH, Urteil vom 23. März 1993 IX R 130/92, BFHE 171, 181, BStBl II 1993, 606) nichts geändert.

Der geänderte Bescheid ist gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Da nach der Neufassung des § 68 FGO nicht mehr die Stellung eines Antrags durch den Kläger Voraussetzung dafür ist, dass der geänderte Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird, ist es unerheblich (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 68 FGO Rz. 12), ob es sich bei dem geänderten Rückforderungsbescheid um einen Änderungsbescheid oder um die teilweise Rücknahme eines Bescheides handelt (vgl. noch zur früheren Rechtslage BFH, Beschluss vom 12. Februar 1998 VII B 252/97, BFH/NV 1998, 1140, m.w.N.). Die Änderung des Verfahrensgegenstandes ist jedoch auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nur wirksam, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde selbst zulässig ist. Insoweit ist die zum Revisionsverfahren entwickelte Rechtsprechung (vgl. BFH, Beschluss vom 11. Februar 1991 X R 149/90, BFHE 163, 307, BStBl II 1991, 462) auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, das Teil des Revisionsverfahrens ist, übertragbar.

Hinsichtlich der dritten von der Klägerin gestellten Frage ist die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig. Diese Frage betrifft einen abtrennbaren Teil des Rückforderungsanspruchs, nämlich die Gewährung der Ausfuhrerstattung nach einheitlichen Sätzen, die das HZA der Klägerin in dem geänderten Rückforderungsbescheid zugestanden hat. Zweifel an der ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) bestehen zwar, weil die Klägerin sich auf Ausführungen zur unrichtigen Anwendung des Art. 21 VO Nr. 3665/87 beschränkt, aber nichts zur über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung der Rechtsfrage und deren Klärungsbedürftigkeit im Allgemeininteresse ausgeführt hat. Die grundsätzliche Bedeutung der Frage ist aber offenkundig und bedurfte daher keiner weiteren Darlegung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32). Dies ergibt sich daraus, dass zu einer entsprechenden Frage das Revisionsverfahren VII R 35/01 beim BFH anhängig gewesen ist, das zwar bereits bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, aber noch nicht allgemein, durch entsprechende Veröffentlichungen bekannt war, und daraus, dass das FG zu der Frage in ständiger Rechtsprechung eine andere Auffassung als der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vertreten hat, wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 198, 247 ausgeführt hat.

Die Beteiligten haben die Sache hinsichtlich des Teilbetrages, um den das HZA den ursprünglichen Rückforderungsbetrag ermäßigt hat, auch übereinstimmend für erledigt erklärt. Zwar hat die Klägerin die Sache nicht wie das HZA ausdrücklich für erledigt erklärt. Ihrem Schriftsatz vom … Dezember 2002, in dem sie mitgeteilt hat, dass sich der Rückforderungsbetrag durch den beigefügten Änderungsbescheid des HZA entsprechend ermäßigt hat, ist jedoch zu entnehmen, dass sie sich insoweit nicht mehr als beschwert ansieht und sie den Rechtsstreit deshalb ebenfalls als von Anfang an erledigt betrachtet.

2. Im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig, weil die Klägerin die Gründe (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO), auf die sie ihre Beschwerde stützt, nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise schlüssig dargelegt hat.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist es auch nach der Neufassung der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO durch das 2.FGOÄndG in Anbetracht der insoweit gegenüber der FGO a.F. unveränderten Vorschrift des § 115 Abs. 2 Nr. 1 erforderlich, dass die Klägerin nicht nur ―wie hier geschehen― konkrete Rechtsfragen formuliert, sondern auch auf deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren sowie auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.

Abgesehen davon, dass die Beschwerde nichts zur allgemeinen über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der aufgeworfenen ersten beiden Rechtsfragen ausführt, fehlt es unter anderem auch an Ausführungen zu deren Klärungsfähigkeit. Tatsächlich ist diese nicht gegeben, weil das FG keine Feststellungen als Voraussetzung dafür getroffen hat, dass die Fragen im Revisionsverfahren vom BFH, für den die Feststellungen des FG bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), geklärt werden könnten. Das FG hat nämlich nicht festgestellt, dass statt des Käufers tatsächlich das Bestimmungsland als Staatshandelsland über das Getreide verfügt hat, indem es das Erzeugnis weiterverkauft und vor Erreichen des Bestimmungslandes in andere Drittländer umdirigiert hat. Das Urteil enthält auch keine Feststellungen darüber, dass das Bestimmungsland keinen Grund für eine Mängelrüge hinsichtlich des Getreides gehabt hat. Es hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die spätere Untersuchung des Getreides durch den chinesischen Quarantänedienst positiv war und die Käuferfirma in Bezug auf die betreffende Ladung ggf. zur Zurückweisung berechtigt war.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang weiter die Frage aufwirft, ob im Streitfall der Verfall der Sicherheiten und damit die Rückforderung der Ausfuhrerstattung nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße, fehlen Ausführungen, aus denen sich die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage ergeben soll, vollständig.

Ferner rügt die Klägerin, dass das FG gegen die umfangreiche Rechtsprechung zur höheren Gewalt verstoßen habe, weil es verneint habe, dass der Umstand, wie China mit dem Getreide verfahren habe, ein Fall höherer Gewalt sei. Sollte die Klägerin mit diesem Vorbringen eine Divergenz zur Rechtsprechung des EuGH geltend machen wollen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), mangelt es auch insoweit an einer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Denn dazu wäre es erforderlich gewesen, abweichende Rechtssätze aus den jeweiligen Urteilen des EuGH und dem des FG so einander gegenüberzustellen, dass die Divergenz deutlich wird (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 42). Daran lässt es die Beschwerde fehlen. Ausführungen, wonach das erstinstanzliche Gericht die Rechtsprechung des EuGH nicht richtig auf den Fall angewandt haben soll, reichen nicht aus (vgl. BFH, Beschluss vom 29. Mai 2002 VII B 8/02, BFH/NV 2002, 1323).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 i.V.m. § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Danach fallen dem HZA gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO die Kosten für das gesamte Verfahren insoweit zu, wie die Hauptsache durch den Änderungsbescheid vom 4. Dezember 2002 erledigt ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 68 FGO Rz. 26). Der Klägerin fallen die Kosten insoweit zu, als sie mit ihrer Anfechtungsklage hinsichtlich des restlichen Rückforderungsbetrages im finanzgerichtlichen Verfahren unterlegen (§ 135 Abs. 1 FGO) und die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen worden ist (§ 135 Abs. 2 FGO). Die entgegenstehende Kostenentscheidung des FG ist gegenstandslos.

 

Fundstellen

Haufe-Index 939124

BFH/NV 2003, 1065

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