Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei einem nicht mehr zu realisierenden Vermietungsprojekt

 

Leitsatz (NV)

Zur Prüfung und Ermittlung der Einkünfteerzielungsabsicht, wenn sich eine ursprünglich vorhandene Vermietungsabsicht nicht verwirklichen lässt, weil die Gemeinde die notwendigen planungsrechtlichen Änderungen ablehnt.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1-2, § 115 Abs. 2 Nr. 3; EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 27.10.2005; Aktenzeichen 10 K 4853/00)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GbR, erwarb im Jahr 1992 ein unbebautes Areal, das sie mit einem Baustoffmarkt und einem Hotel bebauen und anschließend vermieten wollte. Dazu war die planungsrechtliche Umwidmung des Gebietes erforderlich, die die Gemeinde jedoch 1994 ablehnte. Alternativplanungen zur Bebauung des Geländes mit Wohnungen scheiterten daran, dass die Gemeinde die erforderliche Änderung des Bebauungsplanes spätestens 1995 ebenfalls ablehnte. Anschließend bemühte sich die Klägerin kontinuierlich um eine Vermarktung des Grundstücks. Unter Vermarktung stellte sie sich sowohl eine Vermietung als auch eine Veräußerung des Grundstücks vor. Für das Streitjahr (1998) erklärte die Klägerin negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 98 484 DM.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) verneinte die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin, u.a. weil diese seit dem Ankauf des Grundstücks bis zum Jahr 2000 keine Einnahmen erklärt hatte, und lehnte eine gesonderte und einheitliche Feststellung des erklärten Werbungskostenüberschusses für das Streitjahr ab.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab: Zunächst habe die Klägerin sehr wohl die Absicht gehabt, aus dem Ankauf, der Bebauung und der anschließenden Vermietung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Diese zunächst vorhandene Absicht sei aber nicht mehr zu realisieren gewesen, nachdem die Gemeinde die erforderlichen planungsrechtlichen Änderungen spätestens 1995 abgelehnt hatte. Zwar habe sich die Klägerin auch in der Folgezeit um eine Vermietung des Grundstücks bemüht. Eine wirtschaftlich sinnvolle Bebauung und anschließende Vermietung sei aber spätestens ab 1996 nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ausgeschlossen gewesen. Die Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sei gegenüber der Verkaufsabsicht ab 1995 zumindest stark in den Hintergrund getreten, auch wenn sie nicht ganz aufgegeben worden sei. Dies schließe die Feststellung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zumindest im Jahre 1998 aus. Die Klägerin könne sich nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juli 2003 IX R 102/00 (BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940) berufen. Dieses Urteil gelte nur für den Fall, dass ein Grundstück nach einer auf Dauer angelegten Vermietung leer steht. Im Streitfall gehe es hingegen um den umgekehrten Fall, dass ein Grundstück bisher noch überhaupt nicht bebaut und vermietet worden sei.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Klägerin, die Revision wegen Verfahrensmängeln nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufgrund von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) aufzuheben; der Rechtsstreit ist an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

1. Die Vorentscheidung verstößt gegen die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO). Das FG hat den von der Klägerin mehrfach (auch in der mündlichen Verhandlung) beantragten Zeugenbeweis nicht erhoben, obwohl sich ihm diese Zeugenvernehmung aufdrängen musste. Die Zeugen waren dafür benannt, dass es neben den von der Klägerin eingereichten Anzeigen eine Vielzahl von weiteren Anzeigen, Gesprächen und Besichtigungen gegeben habe, die jedoch nicht zu einer Vermarktung der im Streitfall maßgeblichen Grundstücksfläche geführt hätten. Da die Klägerin nach den Feststellungen des FG unter "Vermarktung" sowohl einen Verkauf als auch eine Vermietung verstand, hätte das FG nicht ohne die Vernehmung der beiden Zeugen zu seiner Einschätzung gelangen dürfen, die Absicht der Klägerin zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei ab 1995 zumindest stark in den Hintergrund getreten, auch wenn sie nicht ganz aufgegeben worden sei. Allein diese --anhand der getroffenen Feststellungen nicht nachprüfbare-- Einschätzung schließt nach der Rechtsauffassung des FG die Feststellung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr (1998) aus. Sie ist indessen verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen; denn dem FG musste sich die Erforderlichkeit der Zeugenvernehmung aufdrängen, weil so hätte geklärt werden können, welches Gewicht den Vermietungsbemühungen neben den Verkaufsbemühungen zukam.

2. Die Vorentscheidung verstößt ferner gegen § 96 FGO. Nach Abs. 1 der Vorschrift hat das Gericht seiner Entscheidung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Abs. 2 regelt den Anspruch auf rechtliches Gehör, der u.a. die Verpflichtung des Gerichts begründet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 30, m.w.N.).

Wie aus dem Tatbestand der Vorentscheidung hervorgeht, hat die Klägerin vorgetragen, sie habe immer Vermietungsabsicht gehabt. Diese bestehe "auch heute noch". Sie habe derzeit einen Interessenten an der Hand und wolle das Grundstück mit Solarzellen bebauen. Daraus könnten sich ab 2006 erhebliche Einnahmen ergeben.

Mit diesem Vorbringen hat sich das FG nicht auseinandergesetzt. Dies wäre indes erforderlich gewesen, denn das Vorbringen war entscheidungserheblich. Wenn es sich in tatsächlicher Hinsicht als zutreffend erwiesen hätte, wäre jedenfalls ab 2005 von einer Vermietungsabsicht auszugehen. Dies könnte sich auch auf die Beurteilung des Streitjahres auswirken. Das FG hätte dann untersuchen müssen, ob sich aus der ab 2005 festzustellenden Vermietungsabsicht ein Rückschluss auf die Vermietungsabsicht der Klägerin im Streitjahr ergibt.

3. Der Senat hält es für angezeigt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO), damit das FG den angebotenen Zeugenbeweis erheben und das bislang übergangene Vorbringen der Klägerin prüfen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1644268

BFH/NV 2007, 226

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