Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungsnaher Aufwand

 

Leitsatz (NV)

Werden an einem rund 50 Jahre alten, zur Vermietung bestimmten Einfamilienhaus im Jahr nach dem Kauf mit verhältnismäßig hohen Gesamtkosten das Dachgeschoß ausgebaut, die Heizungs-, Elektro- und (teilweise) Sanitärinstallationen erneuert, eine Türöffnung und eine Wand versetzt, eine Fensteröffnung geschlossen und Bodenfliesen sowie der Innenanstrich erneuert, so bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Beurteilung aller Reparatur- und Modernisierungsmaßnahmen als Herstellungsaufwand, u. U. auch Anschaffungskosten.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, 3 Nr. 7, § 21 Abs. 1; EStDV § 82b; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin zu 1 (Antragstellerin) erwarb durch Kaufvertrag vom 18. September 1986 ein 1932 mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, das ihr am 31. Dezember 1986 übergeben wurde. Die Anschaffungskosten betrugen insgesamt 357 000 DM, wovon nach Meinung der Antragsteller und Beschwerdegegner zu 1 und 2 (Antragsteller) ca. 78 v. H. und nach Meinung des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt - FA -) ca. 60 v. H. auf das Gebäude entfielen. Zu Beginn des Streitjahres 1987 ließ die Antragstellerin an dem Gebäude mit einem Aufwand von insgesamt 176 322 DM u. a. das Dachgeschoß für Wohnzwecke ausbauen, die veralteten, jedoch noch gebrauchsfähigen Heizungs-, Elektro- und (teilweise) Sanitärinstallationen durch modernere Einrichtungen ersetzen, eine Türöffnung und eine Wand versetzen, eine Fensteröffnung schließen und Böden mit Fliesen sowie den Innenanstrich erneuern. Ab 1. Mai 1987 vermietete sie das Haus.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr behandelten die Antragsteller den auf den Dachausbau entfallenden Teil der Aufwendungen in Höhe von 73 908,58 DM als Herstellungskosten und den Rest in Höhe von 102 413 DM als sofort abziehbaren Erhaltsaufwand, dessen Abzug sie für das Streitjahr gemäß § 82 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe eines Drittels beantragten. Das FA veranlagte zunächst erklärungsgemäß, versah den Einkommensteuerbescheid jedoch mit dem Vorbehalt der Nachprüfung. Später vertrat es die Auffassung, daß der auf das Gebäude entfallende Teil der Anschaffungskosten nur 60,2 v. H. betrage und daß es sich bei den als Erhaltungsaufwand geltend gemachten Kosten um Anschaffungskosten handele. Über den Einspruch gegen den dementsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA ab. Nachdem die Antragsteller nunmehr bei dem Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung beantragt hatten, setzte das FA die Vollziehung hinsichtlich des Streitpunktes der Aufteilung der Anschaffungskosten auf Gebäude sowie Grund und Boden in Höhe eines Einkommensteuerteilbetrages von 686 DM aus. Das FG gab dem Begehren der Antragsteller auch in Höhe des weiterhin streitigen Betrags von 16 840 DM statt.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verneint das FA das Vorliegen ernstlicher Zweifel; denn die strittigen Aufwendungen seien Anschaffungskosten des Gebäudes. Außerdem habe der Bundesfinanzhof (BFH) an der bisherigen Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand festgehalten.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1987 vom 30. März 1989 in Höhe eines weiteren Teilbetrags von 16 840 DM abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.

Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen nach ständiger Rechtsprechung seit dem Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66 (BFHE 87, 447, BStBl II 1967, 182) vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dies ist aufgrund einer summarischen Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der betroffenen Bescheide zu entscheiden.

Der Senat läßt unerörtert, ob hier Herstellungsaufwand nicht schon deshalb in Betracht kommt, weil in der Zusammenfassung der Ausbau-, Reparatur- und Modernisierungsmaßnahmen eine Generalüberholung des Gebäudes liegen könnte (vgl. Senats-Urteil vom 16. September 1986 IX R 126/84, BFH/NV 1987, 149); denn jedenfalls sind ernstliche Zweifel an der Möglichkeit der Beurteilung anschaffungsnaher Reparatur- und Modernisierungskosten als Herstellungsaufwand, unter Umständen auch Anschaffungskosten, nach der vom Senat im Urteil vom 11. August 1989 IX R 44/86 (BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53) bestätigten ständigen BFH-Rechtsprechung nicht gegeben. Sofort als Werbungskosten abziehbar sind lediglich laufender Erhaltungsaufwand, der jährlich üblicherweise anfällt (Senats-Beschluß vom 23. Juni 1988 IX B 178/87, BFH/NV 1989, 165) und verhältnismäßig geringe Aufwendungen für Schönheitsreparaturen vor Bezug des Gebäudes (vgl. Urteil vom 11. August 1989 IX R 87/86, BFHE 158, 326, BStBl II 1990, 130).

Geht man hiervon aus, sind entgegen dem FG-Beschluß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der anschaffungsnahen Aufwendungen gegeben, weil die Antragsteller mit verhältnismäßig hohen Aufwendungen das möglicherweise verbilligt erworbene Gebäude unstreitig weitgehend modernisiert haben. Es kann bei summarischer Betrachtung auch davon ausgegangen werden, daß sich dadurch der Nutzungswert des Wohnhauses erheblich erhöht hat. Darauf, ob sich auch der Wert des Gebäudes durch die Baumaßnahmen im Ausmaß der Aufwendungen erhöht hat, wie es nach dem Sachverständigengutachten zu verneinen sein soll, kommt es nicht an (vgl. auch BFH-Urteile vom 22. Februar 1973 VIII R 72/68, BFHE 109, 36, BStBl II 1973, 483, und vom 12. Februar 1985 IX R 114/83, BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690, Ziff. 1 b 3. Abs. der Gründe).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417165

BFH/NV 1991, 87

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