Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwer; zeitanteilige AfA im Fertigstellungsjahr

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Finanzamt ist durch ein fehlerhaftes Urteil des Finanzgerichts dann nicht beschwert, wenn das Finanzgericht die Steuer zu hoch festgestellt hat, ohne daß dadurch eine Bindung in späteren Veranlagungszeiträumen eintritt.

2. Zur Zubilligung nur zeitanteiliger Absetzungen gem. § 7 Abs. 5 EStG 1979 im Fertigstellungsjahr.

 

Normenkette

AO 1977 § 157 Abs. 2; FGO § 115; EStG 1979 § 7 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete im Jahr 1979 ein Mietwohnhaus, das zum 1. November 1979 bezugsfertig wurde. Die Herstellungskosten beliefen sich auf . . . DM.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1979 beantragten die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) die Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1979 in Höhe von 3,5 v. H. zeitanteilig für zwei Monate als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) entsprach diesem Antrag nicht und setzte als AfA nach § 7 Abs. 5 EStG 1979 statt des AfA-Betrages für zwei Monate den Jahresbetrag der AfA von . . . DM an, wodurch sich eine Einkommensteuer von 0 DM ergab.

Mit ihrer Klage wiederholten die Kläger nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren ihr Begehren, als AfA nur den Betrag für zwei Monate und dementsprechend einen Einkommensteuerbetrag für den Veranlagungszeitraum 1979 anzusetzen.

Sie sind der Auffassung, daß, entgegen Abschn. 42 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien i. d. F. vom 14. April 1976, § 7 Abs. 5 EStG 1979 die Möglichkeit zur zeitanteiligen Absetzung im Fertigstellungsjahr eröffne.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 240 abgedruckten Gründen stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unzulässig und demgemäß durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision ist u. a., daß das FA durch das angefochtene Urteil des FG beschwert ist. Dabei kommt es bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses des FA nicht auf dessen formelle, sondern auf dessen materielle Beschwer an (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1971 GrS 7/70, BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120, und vom 15. Juli 1975 VIII R 193/71, BFHE 116, 447, BStBl II 1975, 858; BFH-Urteile vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338, und vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566).

Materiell beschwert ist ein Beteiligter, wenn der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung für ihn nachteilig ist (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Vor § 115 Anm. 12). Materiell beschwert ist das FA durch ein fehlerhaftes Urteil des FG nur, wenn das FG die Steuer zu niedrig festgesetzt, oder wenn es Besteuerungsgrundlagen ausnahmsweise mit bindender Wirkung für künftige Veranlagungen festgestellt hat (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522), und wenn dadurch unter Einbeziehung künftiger Steuerfestsetzungen insgesamt eine geringere Steuer anfallen könnte.

Das FG hat im vorliegenden Fall in seinem Urteil die Einkommensteuer höher festgesetzt, als es das FA im Einkommensteuerbescheid 1979 getan hatte. Das FA ist durch die höhere Festsetzung der Einkommensteuer nicht dadurch beschwert, daß es in die Lage geraten könnte, aufgrund künftiger Steuerfestsetzungen eine geringere Steuer zu erhalten.

Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden (§ 157 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Feststellung der Besteuerungsgrundlage des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung im Einkommensteuerbescheid 1979 als eines negativen Betrages ist eine solche unselbständige Besteuerungsgrundlage. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß das FG die Besteuerungsgrundlage abweichend vom FA behandelt hat. Die Entscheidung des FG, die AfA in geringerem Umfang, als es das FA begehrt hat, anzusetzen und dementsprechend die Steuer höher festzusetzen, beschwert das FA nicht. Dabei ist davon auszugehen, daß das FA aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung im Einkommensteuerrecht in den Folgejahren die Einkommensteuer ermitteln und die AfA zu berücksichtigen hat, wie es dem Gesetz - hier also den AfA-Sätzen gemäß § 7 Abs. 5 EStG - entspricht, und zwar ohne an den Ansatz im Einkommensteuerbescheid 1979 in der Gestalt, die er durch das FG gefunden hat, gebunden zu sein.

Daß durch die Nachholung der im ersten Jahr nicht vorgenommenen AfA dem FA ein Nachteil entstehen wird, ist so wenig wahrscheinlich und wäre zudem der Höhe nach so unbedeutend, daß er im Streitfall unberücksichtigt bleiben kann. Eine Nachholung kommt nämlich - wenn überhaupt - erst nach 50 Jahren in Betracht (vgl. Senats-Urteil vom 3. Juli 1984 IX R 45/84, BFHE 141, 518, BStBl II 1984, 709). Erst dann wäre der Restwert linear abzusetzen (vgl. Hermann / Heuer /Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 EStG Anm. 490).

Erwägungen, aufgrund Bilanzzusammenhangs könnten Bindungswirkungen entstehen, greifen bei den Überschußeinkünften nicht Platz.

Da die Revision unzulässig ist, ist es dem Senat verwehrt, darüber zu befinden, ob die Ansicht des FA, die Klage hätte als unbegründet abgewiesen werden müssen, zutreffend ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417501

BFH/NV 1991, 391

BB 1991, 1475

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