Leitsatz (amtlich)

1. § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO enthält gegenüber dem gemäß § 155 FGO sinngemäß anwendbaren § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO keine Sonderregelung in dem Sinne, daß bei einer Vertretung sowohl durch einen Rechtsanwalt als auch daneben durch einen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten (§ 107 Abs. 3 AO i. V. m. § 62 Abs. 2 FGO) die Kosten beider Bevollmächtigter erstattungsfähig sind.

2. Haben zusammenveranlagte Eheleute als Streitgenossen in gemeinsam erteilten Prozeßvollmachten zunächst einen Rechtsanwalt und später zu dessen Unterstützung einen Steuerberater mit ihrer Vertretung beauftragt, so können als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig nur die Kosten eines Prozeßbevollmächtigten als erstattungsfähig anerkannt werden.

2. Aufwendungen für ein im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegtes Privatgutachten, das sich mit einer schwierigen und höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage des Bewertungsgesetzes, also einem typisch steuerrechtlichen Problem befaßt, sind nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und können daher nicht erstattet werden.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 1, 3 S. 1, § 155; ZPO § 91 Abs. 2 S. 3; BRAGO § 6

 

Tatbestand

Die Kläger, Kostengläubiger und Beschwerdeführer (Kläger), die zusammen zur Vermögensteuer veranlagt wurden, ließen sich in einem Rechtsstreit, in dem der steuerliche Jahreswert bestimmter Leistungen des Ehemannes an seine Schwestern streitig war, vor dem FG zunächst nur durch eine Anwaltssocietät und später daneben auch durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater vertreten. Zur Stützung ihrer materiell-rechtlichen Darlegungen legten sie ein Privatgutachten vor. Das FG Hamburg gab der Klage im wesentlichen statt und legte die Kosten des Verfahrens dem Beklagten, Kostenschuldner und Beschwerdegegner (FA) zur Last.

Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die Kläger die Erstattung der Gebühren und Auslagen in Höhe von 9 621,60 DM sowie der Gutachterkosten in Höhe von 24 678,65 DM. Der Rechtspfleger setzte die zu erstattenden Kosten auf 6 614,85 DM fest. Die für die Zuziehung eines zweiten Bevollmächtigten geltend gemachten Kosten erkannte der Rechtspfleger unter Hinweis auf § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht an. Die Aufwendungen für das Privatgutachten sah er als nicht erstattungsfähig an.

Mit ihrer dagegen eingelegten Erinnerung beantragten die Kläger, die Aufwendungen für den zweiten Bevollmächtigten sowie das Gutachterhonorar als erstattungsfähig anzuerkennen.

Das FG wies die Erinnerung mit Beschluß vom 10. Juli 1974 II 20/74 (EFG 1974, 586) als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es auf den gemäß § 155 FGO sinngemäß anzuwendenden § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Steuerbevollmächtigte, deren Gebühren und Auslagen stets bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattungsfähig sind, könnten bei der in § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO enthaltenen Erstattungsbeschränkung nicht anders behandelt werden wie Rechtsanwälte. Die Sachdienlichkeit der Heranziehung eines im Steuerrecht besonders erfahrenen Wirtschaftsprüfers neben einem Rechtsanwalt könne eine zweite Gebühr nicht rechtfertigen. Die Bestellung gemeinsamer Bevollmächtigter schließe die Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO ebensowenig aus wie der Umstand, daß die Kläger sich auch getrennt hätten vertreten lassen können. Daß sie Streitgenossen waren, habe bei der Bestellung der Bevollmächtigten keine Rolle gespielt. Ausschlaggebend sei die Erwägung gewesen, daß ein schwieriger Prozeß von mehreren Bevollmächtigten besser geführt werden könne, als nur von einem. Der von den Klägern aus dem Beschluß des Kammergerichts vom 21. September 1973 1 W 1133/73 (Anwaltsblatt 1974 S. 27 und Der deutsche Rechtspfleger 1973 S. 437) abgeleiteten Beurteilung könne nicht gefolgt werden.

Die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für das Privatgutachten verneinte das FG unter Hinweis auf den Beschluß des BFH vom 16. Februar 1971 VII B 43-44/69 (BFHE 101, 484, BStBl II 1971, 400) und auf Gerold/Schmidt (Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 3. Aufl., § 21 Anm. 13).

Das FG ließ die Beschwerde wegen der Anwendbarkeit des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO in solchen Fällen zu, in denen Streitgenossen mehrere Bevollmächtigte gemeinsam bestellen.

Mit ihrer gegen den Beschluß eingelegten Beschwerde rügen die Kläger die erstattungsrechtliche Gleichstellung der Vertretung durch zwei Rechtsanwälte mit der Vertretung durch Rechtsanwalt und Steuerberater. Der Umstand, daß beide gleichermaßen im finanzgerichtlichen Prozeß zugelassen seien und daß jeder für sich die Fähigkeit zum sachgemäßen Vortrag und zur Führung des Rechtsstreits besitze, ändere nichts an ihrer durch Ausbildung und Tätigkeit bedingten unterschiedlichen Qualifikation und Erfahrung. Es gehe darum, ob es aus ihrer - der Kläger - Sicht als zweckentsprechend angesehen werden durfte, einen Steuerberater und einen Anwalt hinzuzuziehen. Sie hätten das Risiko doppelter Kosten bewußt in Kauf genommen, weil sie der Ansicht gewesen seien, daß es bei Vorgängen, die Handelsrecht und Steuerrecht berührten, zweckmäßig sei, Steuerberater und Rechtsberater zu befragen. Es sei nicht im voraus erkennbar geworden, ob allein steuerrechtliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen würden. Wie sich aus der Urteilsbegründung ergebe, sei es auch um die Auslegung und zivilrechtliche Bedeutung der Gewinnbezüge der Schwestern des Klägers gegangen.

Zur Frage der Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für das Privatgutachten rügen die Kläger, daß das FG, wie sich aus dem Beschluß ableiten lasse, die Kosten eines Gutachtens zu Spezialfragen deutschen Rechts unter keinen Umständen für erstattungsfähig ansehe. Das sei mit § 91 Abs. 1 ZPO nicht vereinbar. Es komme nur darauf an, ob die Kosten aus der Sicht des Steuerpflichtigen als zweckentsprechend angesehen werden konnten. Da es sich um schwierige und höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfragen gehandelt habe, müsse es als sachgemäßer Aufwand angesehen werden, das Gutachten einer Kapazität auf dem betreffenden Rechtsgebiet einzuholen.

Die Kläger beantragen, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses und des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Aufwendungen für den zweiten Prozeßbevollmächtigten sowie für das Gutachten als erstattungsfähig anzuerkennen und die Kosten entsprechend dem Antrag vom 28. August 1973 festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß den Klägern nur die vom Rechtspfleger festgesetzten Gebühren und Auslagen erstattet werden können. Wie der BFH in seinem Beschluß vom 16. Februar 1971 VII B 154/68 (BFHE 101, 486, BStBl II 1971, 398) entschieden hat, sind im steuergerichtlichen Verfahren die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für mehrere Prozeßbevollmächtigte nur insoweit zu erstatten, als sie die Gebühren und Auslagen eines Prozeßbevollmächtigten nicht übersteigen. Die Vorschriften über die Kostenerstattung gehören zu den Bestimmungen über das Verfahren im Sinne des § 155 FGO, die durch die sinngemäße Anwendung der Regelungen in § 91 ZPO zu ergänzen sind. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den genannten Beschluß, an dem der Senat festhält, Bezug genommen.

Der Einwand der Kläger, daß Rechtsanwälte und Steuerberater als Prozeßbevollmächtigte im Hinblick auf ihre durch Ausbildung und Tätigkeit bedingten unterschiedlichen Qualifikationen und Erfahrungen nicht gleichgestellt werden könnten, läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO eine Sonderregelung enthalte und § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, stehen alle in § 107 Abs. 3 AO aufgeführten Bevollmächtigten auch im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. § 62 FGO) gleichrangig nebeneinander. Die sinngemäße Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO bedeutet deshalb, daß auch bei Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und daneben eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten die Kosten nur insoweit erstattet werden können, als sie die Kosten eines der in § 107 Abs. 3 AO bzw. § 62 FGO erwähnten Bevollmächtigten nicht übersteigen. Dem von den Klägern hervorgehobenen Umstand, daß es im Streitfall nicht nur auf schwierige steuerrechtliche, sondern auch auf zivilrechtliche Fragen angekommen sei, kommt keine den § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO einschränkende Bedeutung zu. Wie der BFH bereits in seinem Beschluß VII B 154/68 betont hat, können auch im Zivilprozeß schwierige Fragen auf einem anderen Rechtsgebiet auftreten, die einen Beteiligten veranlassen könnten, einen zweiten, auf diesem Rechtsgebiet erfahrenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Auch für diesen Fall sieht aber § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO keine Ausnahmen vor.

An der im Vorstehenden dargelegten Rechtslage ändert sich auch nichts dadurch, daß die Bevollmächtigten nicht für einen, sondern für beide Kläger tätig geworden sind. Die zusammenveranlagten Kläger waren Streitgenossen (§ 155 FGO i. V. m. § 61 ZPO). Als solche hätten sie sich getrennt von einem oder mehreren Rechtsanwälten vertreten lassen können mit der Folge, daß die Anwaltskosten beider Kläger im Rahmen des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO erstattungsfähig gewesen wären (so: Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 91 E IV b 6; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 91 Anm. IX 4; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 34. Aufl., § 100, Anm. 6 A). Von dieser Möglichkeit einer getrennten Vertretung haben die Kläger aber keinen Gebrauch gemacht. Das mag daran gelegen haben, daß die Ehefrau des Klägers - die Klägerin - unbestritten kein ins Gewicht fallendes Vermögen besaß. Statt dessen haben die Kläger in gemeinsamen Willenserklärungen zunächst dem Rechtsanwalt und später daneben auch dem Steuerberater Prozeßvollmacht erteilt. Der Grund dafür lag, wie die Kläger selbst vorgetragen haben, darin, daß in dem einheitlich geführten Prozeß besondere steuerliche Schwierigkeiten zutage traten, die die Kläger veranlaßten, zur Unterstützung des prozeßerfahrenen und im Zivilrecht versierten Rechtsanwalts einen steuerlich erfahrenen Steuerberater heranzuziehen. Das ist, wie den Umständen des Falles zu entnehmen ist, auf den Rat des Rechtsanwalts geschehen. Der zweite Bevollmächtigte wäre, wie die Kläger dem FG auf Anfrage im Erinnerungsverfahren mitgeteilt haben, auch dann bestellt worden, wenn nur der Kläger als der eigentliche Vermögensinhaber geklagt hätte. In einem solchen Falle können als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig nur die Kosten eines Prozeßbevollmächtigten als erstattungsfähig anerkannt werden. Es verhält sich dann nicht anders, als wenn mehrere Streitgenossen von vornherein nur einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung im Prozeß beauftragt hätten, was nach § 6 der BRAGebO dazu führt, daß der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal erhält (im Ergebnis ebenso: Wieczorek, a. a. O., unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg 15/84; FG-Berlin, Beschluß vom 5. Januar 1970 VI 94/69, EFG 1970, 238).

Auf den Beschluß des Kammergerichts vom 21. September 1973 1 W 1133/73 können sich die Kläger nicht berufen. Zunächst haben in dem jenem Beschluß zugrunde liegenden Falle die mehreren Streitgenossen von vornherein gemeinsam mehrere Anwälte mit ihrer Vertretung beauftragt und nicht zunächst nur einen, auf dessen Rat später ein zweiter zur Unterstützung herangezogen wurde. Außerdem hat das Kammergericht die Erstattungsfähigkeit von zwei anwaltlichen Prozeßgebühren für einen Fall anerkannt, in dem auf jeden Streitgenossen im Innenverhältnis ein Teil der Anwaltskosten entfiel, und zwar nur bis zur Höhe der durch die Beauftragung nur eines Rechtsanwalts erwachsenden Beträge. Im vorliegenden Streitfalle hat der klagende Ehemann aber die Kosten beider Prozeßbevollmächtigter im Innenverhältnis selber getragen, so daß eine Ausgleichspflicht nicht in Betracht kommt.

2. Das FG hat auch zu Recht den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für das Privatgutachten mit der Begründung zurückgewiesen, daß sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren. In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, daß die Kosten für Privatgutachten, die ein Prozeßbevollmächtigter während des gerichtlichen Verfahrens eingeholt hat, grundsätzlich nicht zu erstatten sind (vgl. BFH-Beschluß VII B 43-44/69 und die dort angegebene Literatur und Rechtsprechung). Nur in Ausnahmefällen oder unter besonderen Voraussetzungen können solche Aufwendungen erstattet werden. Das gilt z. B. dann, wenn schwierige technische Fragen zu beurteilen waren oder wenn mit dem eingeholten Gutachten ein bereits vorliegendes Gutachten des anderen Beteiligten widerlegt werden soll (vgl. BFH-Beschluß VII B 43-44/69). Der Senat läßt es dahinstehen, ob, wie das FG meint, Aufwendungen für ein Rechtsgutachten auch dann objektiv erforderlich und damit erstattungsfähig sein können, wenn es fernliegende Rechtsfragen aus Sondergebieten zum Inhalt hat, deren Kenntnis auch bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe und bei Finanzrichtern nicht vorausgesetzt und auch durch Benutzung von Schrifttum nicht oder nur sehr schwer erworben werden kann. Keiner der vorstehend aufgeführten Ausnahmefälle liegt im Streitfall vor. Wie das FG ohne Beanstandung ausgeführt hat, hat der Gutachter die Frage untersucht, ob bei der Feststellung des steuerlichen Gesamtvermögens des Klägers die Kapitalwerte bestimmter Verpflichtungen gegenüber seinen Schwestern unter Berücksichtigung der Begrenzungsvorschrift in § 16 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1965 errechnet werden müssen oder nicht. Auch wenn es sich dabei um eine sehr schwierige und höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage handelte, betraf sie dennoch ein typisch steuerrechtliches Problem, das auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen von den dazu berufenen Finanzrichtern gelöst werden konnte und auch gelöst worden ist. Im angefochtenen Beschluß des FG ist unwidersprochen festgestellt, daß die im Gutachten erwähnten Entscheidungen und das behandelte Schrifttum allen Bevollmächtigten und Richtern zugänglich waren und daß das Gericht in der Begründung des Urteils sich weder auf die gutachtlichen Ausführungen beschränkt hat noch von ihnen ausgegangen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71631

BStBl II 1976, 574

BFHE 1977, 14

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