Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitervermittlungsgarantie und Einkünfteerzielungsabsicht; Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Abweichung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist auch dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, daß das Urteil des FG bei Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils, von denen es abgewichen ist, anders ausgefallen wäre.

2. Für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht ist im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht nur auf eine vereinbarte Weitervermittlungsgarantie abzustellen, vielmehr sind auch Ereignisse in der Zukunft, d. h. nach der Anschaffung eines Grundstücks, zu berücksichtigen, wenngleich sie für sich gesehen nicht ausschlaggebend sein müssen.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; EStG § 21 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Antragsteller beteiligte sich mit Vertrag vom 24. März 1983 an einer Bauherrengemeinschaft (BHG), um für sich eine Wohnung und einen Tiefgaragenplatz zu errichten.

Der Gesamtaufwand in Höhe von 411 853 DM wurde im wesentlichen fremdfinanziert. Das Gebäude wurde am 17. September 1984 bezugsfertig. Ab Bezugsfertigkeit vermietete der Antragsteller seine Wohnung an die X-KG für fünf Jahre mit Verlängerungsoption. Die Wohnung ist bis heute nicht verkauft worden. Die aufgenommenen Darlehen sind inzwischen getilgt.

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der BHG wurde eine an den Antragsteller adressierte Weitervermittlungsgarantie vom 29. März 1983 gefunden. Darauf erließ der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) Änderungsbescheide. Dem Antragsteller wurden nunmehr mit Hinweis auf die fehlende Einkunftserzielungsabsicht keine Einkünfte aus diesem Objekt mehr zugerechnet.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der der erkennende Senat mit Beschluß vom heutigen Tage stattgegeben hat.

Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner am 21. Dezember 1998 abgelehnt. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 hat der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt. Zur Begründung wiederholte er im wesentlichen sein Vorbringen aus der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (-- Divergenz und unzureichende Sachaufklärung).

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des geänderten Feststellungsbescheids für die Jahre 1983 und 1984 auszusetzen, soweit der Bescheid auf der Nichtanerkennung der Gewinnerzielungsabsicht des Antragstellers beruht.

Das FA wendet sich gegen diesen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

Die Vollziehung der streitigen Feststellungsbescheide vom 13. Dezember 1990 war hinsichtlich der Feststellungen betreffend die Beteiligung des Antragstellers in den Jahren 1983 und 1984 auszusetzen, weil ernstliche Zweifel i. S. des §69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dazu ist bei einer anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde zunächst zu prüfen, ob mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist. Das ist hier der Fall (vgl. Beschluß vom 11. Februar 1999). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts können hier ferner nur dann bestehen, wenn auch unter Beachtung der nur noch beschränkten Prüfungsmöglichkeit des Revisionsgerichts -- evtl. nach Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) -- ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu rechnen ist (BFH- Beschluß vom 4. Juni 1996 VII S 9/96, BFH/NV 1996, 915, m. w. N.).

Bei summarischer Prüfung ist zunächst mit der Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils in einem zukünftigen Revisionsverfahren zu rechnen, weil das FG von einer Entscheidung des BFH abweicht (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Das FG-Urteil weicht vom Urteil des BFH vom 22. April 1997 IX R 17/96 (BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650) ab. Das FG geht davon aus, daß die tatsächliche Nichtinanspruchnahme der Garantie, das spätere Tilgungsverhalten des Klägers und der Umstand, daß er zwei Jahre später eine weitere Wohnung erworben habe, für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht des Antragstellers im Jahr der Anschaffung des Objekts und im Jahr danach nicht maßgebend sei. Demgegenüber geht der BFH in der angeführten Entscheidung davon aus, daß auch Ereignisse in der Zukunft im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen seien, wenngleich für sich gesehen nicht als ausschlaggebend (BFH-Urteil in BFHE 183, 142, 145 a. E.). Das FG hätte mithin auch spätere Ereignisse und Tatsachen im Rahmen seiner Gesamtwürdigung berücksichtigen müssen. Eine davon unabhängige Frage ist, welches Gewicht es diesen Tatsachen gegenüber anderen Tatsachen beigemessen hätte. Eine Abweichung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist aber gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, daß das Urteil des FG bei Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils anders ausgefallen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 21).

Aus den gleichen Gründen weicht das finanzgerichtliche Urteil vom BFH-Urteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87 (BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278) ab. Dabei ist in diesem Zusammenhang unerheblich, daß das BFH-Urteil die Gewinnermittlung betrifft.

Im zweiten Rechtszug vor dem FG ist bei summarischer Prüfung ferner ernstlich mit einer Aufhebung der angefochtenen Feststellungsbescheide und im wesentlichen mit einer Stattgabe der Klage zu rechnen (zu diesem Erfordernis vgl. BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99, zu 2.).

Das FG hat nicht nur unterlassen, bei der Würdigung der Umstände, die für oder gegen die Einkünfteerzielungsabsicht des Antragstellers sprechen, spätere Tatsachen zu berücksichtigen. Aus den Urteilsgründen ist auch nicht ersichtlich, ob der Antragsteller beim Abschluß des Vertrages vom 24. März 1983 die Weitervermittlungsgarantie kannte (zu diesem Erfordernis vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1995 IX R 70/93, BFHE 176, 424, BStBl II 1995, 460). Das ist hier zweifelhaft, weil die Garantie erst am 29. März 1983 ausgestellt worden ist. Für den Nachweis, daß der Steuerpflichtige das Angebot bei Abschluß der Verträge kannte, liegt die Feststellungslast beim FA (BFH-Urteil in BFHE 176, 424, BStBl II 1995, 460).

Der Senat sieht für dieses Verfahren keinen Anlaß, die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Bescheide einzuschränken, nachdem das FA während des Klageverfahrens mit Verfügung vom 30. September 1993 die Vollziehung der angefochtenen Feststellungsbescheide uneingeschränkt ausgesetzt hat.

Der BFH ist gemäß §69 Abs. 3 Satz 1 FGO zuständig für die Entscheidung über den Aussetzungsantrag. Während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ist dieser Gericht der Hauptsache (BFH-Beschluß vom 23. April 1986 I S 2/86, BFH/NV 1987, 811).

 

Fundstellen

Haufe-Index 171175

BFH/NV 1999, 925

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