Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen abgelehnte Aussetzung des Klageverfahrens auch nach Entscheidung zur Hauptsache zulässig; Aussetzung des Klageverfahrens wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit der Sonderausgabenhöchstbeträge

 

Leitsatz (NV)

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen einen die Aussetzung des Verfahrens ablehnenden Beschluß des FG entfällt nicht dadurch, daß das FG zur Hauptsache entscheidet.

Wird mit der Klage gegen einen endgültigen ESt-Bescheid die Verfassungswidrigkeit der Sonderausgabenhöchstbeträge (§ 10 Abs. 3 EStG) gerügt, ist das Klageverfahren auszusetzen, bis das BVerfG über die bei ihm zu diesem Streitpunkt anhängigen Verfassungsbeschwerden entschieden hat.

 

Normenkette

FGO §§ 74, 128 Abs. 2 Halbs.2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Mit Schreiben vom 4. Januar 1993 teilte das FG den Klägern mit, da nach dem Ergehen der beiden Rechtsakte die Voraussetzungen für das Ruhen des Verfahrens entfallen seien, beabsichtige es, das Verfahren wieder aufzunehmen.

Die Kläger äußerten daraufhin, sie hielten den Klageantrag zum Grundfreibetrag nicht mehr aufrecht, würden in der mündlichen Verhandlung aber beantragen, die geltend gemachten Versicherungsbeiträge in voller Höhe zum Abzug als Sonderausgaben zuzulassen. Zur Begründung verwiesen sie auf die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1220/88. Ferner beantragten sie, das Verfahren ausgesetzt zu lassen. Auch hinsichtlich des Kinderfreibetrags liege noch keine abschließende Entscheidung vor. Das Ruhen des Verfahrens sei daher weiterhin geboten.

Durch Beschluß vom 10. Februr 1993 hob das FG die Anordnung über das Ruhen des Verfahrens auf. Es führte aus, das Ruhen des Verfahrens sei durch Zeitablauf beendet. Aus Gründen der Rechtsklarheit erscheine eine Aufhebung des Beschlusses vom 13. Dezember 1990 angezeigt. Entgegen den Ausführungen der Kläger sei es weder geboten noch erscheine es zweckmäßig, nunmehr die Aussetzung des Verfahrens oder erneut das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Die von den Klägern erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die gesetzlichen Regelungen über die Höchstbeträge bei Versicherungsbeiträgen und über die Höhe der Kinderfreibeträge seien nicht begründet. Entsprechende Verfassungsbeschwerden hätten unter grundrechtlichen und haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Aussicht auf Erfolg. Hierzu lägen dem FG keine Massenverfahren vor. Die Kläger widersprächen der Anbringung entsprechender Vorläufigkeitsvermerke.

Die Kläger erhoben gegen diesen Beschluß Beschwerde, der das FG nicht abhalf. Es beraumte mündliche Verhandlung auf den 28. April 1993 an und wies die Klage durch Urteil ab.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Nach § 128 Abs. 2, Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist gegen Entscheidungen über eine Aussetzung des Verfahrens die Beschwerde gegeben. Die Beschwerde ist nicht dadurch unzulässig geworden, daß das FG nach Ablehnung der Aussetzung zur Hauptsache entschieden hat. Das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde besteht weiter fort, weil eine rechtswidrige Ablehnung des Aussetzungsantrags gegen die Grundordnung des Verfahrens verstößt, die als Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf entsprechende Beschwerde zur Zulassung der Revision führt. Für diese Nichtzulassungsbeschwerde ist dem Kläger ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (BFH-Beschluß vom 25. August 1993 X B 32/93, BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797 m.w.N.).

2. Die Beschwerde ist begründet.

Zu Unrecht hat das FG eine Aussetzung des Verfahrens abgelehnt. Die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO liegen im Streitfall wegen der beim BVerfG anhängigen Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit der Sonderausgaben-Höchstbeträge (§ 10 Abs. 3 EStG) vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf seinen Beschluß in BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797, Bezug.

Offenbleiben kann im Streitfall, ob eine Aussetzung des Verfahrens auch dann geboten ist, wenn das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid hinsichtlich der Streitpunkte für vorläufig erklärt hat (zur Vorläufigkeitserklärung während des finanzgerichtlichen Verfahrens vgl. BFH-Beschluß vom 18. September 1992 III B 43/92, BFHE 169, 110, BStBl II 1993, 123), denn die Einkommensteuer ist im Streitfall endgültig festgesetzt worden. Der die Aussetzung ablehnende Beschluß des FG ist daher aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419582

BFH/NV 1994, 568

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