Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Klagebefugnis des im Einspruchsverfahrens notwendig Hinzuzuziehenden

 

Leitsatz (NV)

Die Klage eines Kommanditisten, der im Einspruchsverfahren der KG gemäß §360 Abs. 3 AO 1977 hätte hinzugezogen werden müssen, aber nicht hinzugezogen worden ist und auch nicht selbst Einspruch eingelegt hat, ist mangels Vorverfahren unzulässig.

 

Normenkette

AO 1977 § 360 Abs. 3-4; FGO § 44 Abs. 1-2, § 60 Abs. 3; ZPO § 62

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr (1985) einziger Kommanditist der ... GmbH & Co. KG, der Beigeladenen des Klageverfahrens. Die ... GmbH (GmbH) war die einzige Komplementärin, der Kläger deren Geschäftsführer.

Durch notariellen Vertrag vom 27. Dezember 1985 übertrug der Kläger das in seinem Sonderbetriebsvermögen befindliche Grund stück ... in ... unentgeltlich auf seinen Sohn. Die Übergabe erfolgte mit Wirkung vom 1. Januar 1986. Die Beigeladene ermittelte auf der Grundlage eines in Höhe von 130 000 DM ermittelten Entnahmewerts einen Entnahmegewinn von 82 435 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stellte die Einkünfte entsprechend fest; der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, der Entnahmewert sei mit 228 100 DM anzusetzen. Das FA erhöhte demgemäß den Entnahmegewinn auf 180 535 DM. Dagegen legte die Beigeladene Einspruch ein.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klage als unzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren nicht stattgefunden habe. Der Verfahrensgegenstand des Vorverfahrens und der Streitgegenstand des Klageverfahrens seien nicht identisch (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., §44 Rz. 11).

Auch daß der Kläger vom FA im Einspruchsverfahren nicht hinzugezogen worden sei, begründe seine Klagebefugnis nicht. Es fehle insoweit an der formellen Beschwer. Solange es mangels Hinzuziehung an einem Antrag fehle, sei auch dessen Zurückweisung und damit auch eine formelle Beschwer des Hinzuzuziehenden undenkbar (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. Februar 1990 I R 156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696). Da der Bescheid gegenüber dem Kläger bestandskräftig geworden sei, fehle es auch an einer zusätz lichen materiellen Beschwer durch die Einspruchsentscheidung. Sie erschöpfe sich in der Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696).

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit der Begründung, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger den geltend gemachten Verfahrensmangel (§115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), nämlich die gerügte Verwerfung seiner Klage, entsprechend den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet hat. Zweifel daran bestehen, weil es sich um einen sog. "error in iudicando" handeln könnte, der nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 27. Februar 1986 IV B 6/85, BFHE 146, 204, BStBl II 1986, 492; a. A. Gräber/Ruban, a.a.O., §115 Anm. 25) kein Verfahrensmangel i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.

Das FG hat die Klage des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Es durfte darauf abstellen, daß für die allein von ihm erhobene Klage kein Vorverfahren stattgefunden hat (§44 Abs. 1 und 2 FGO; BFH in BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696). Der Kläger macht mit der Beschwerde nicht mehr geltend, daß er selbst Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid vom 16. November 1990 erhoben hätte. Daß der Kläger in dem von der Beigeladenen an gestrengten Einspruchsverfahren gemäß §360 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) notwendig hätte hinzugezogen werden müssen, ist unerheblich (BFH-Urteil in BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., §360 AO 1977 Anm. 4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §360 AO 1977 Tz. 4). Denn der Kläger hat den auch ihm gegenüber wirksam ergangenen Feststellungsbescheid bestandskräftig werden lassen. Als lediglich Hinzuzuziehender hätte er aber nur dieselben Rechte geltend machen können, wie derjenige, der den Einspruch eingelegt hat (§360 Abs. 4 AO 1977). Hat er daher als ebenfalls Klage befugter keinen Einspruch eingelegt, kann er die Rücknahme des Einspruchs durch den Einspruchsführer nicht hindern (BFH- Beschluß vom 6. Juli 1977 I R 182/76, BFHE 122, 437, BStBl II 1977, 696). Hinzuzuziehender und Einspruchsführer sind nämlich keine notwendigen Streitgenossen i. S. von §62 der Zivilprozeßordnung (Senatsurteil vom 7. August 1986 IV R 137/83, BFHE 147, 224, BStBl II 1986, 910; BFH-Urteil vom 19. Januar 1989 V R 98/83, BFHE 156, 8, BStBl II 1990, 360).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom Kläger herangezogenen Senatsurteil vom 31. Juli 1980 IV R 18/77 (BFHE 131, 278, BStBl II 1981, 33). Denn in dem dort entschiedenen Fall hatte der im Einspruchsverfahren notwendig Hinzuzuziehende selbst Einspruch eingelegt. Der vom Kläger erwähnte Passus, daß die Klage der notwendig Hinzuzuziehenden selbst dann zulässig gewesen wäre, wenn diese nicht selbst Einspruch eingelegt und nicht notwendig zugezogen worden wären, stellt somit ein unbeachtliches obiter dictum dar. Jedenfalls kann der erkennende Senat für den Streitfall an dieser Auffassung nicht festhalten. Denn einen Verfahrensmangel hat das FA nur gegenüber dem tatsächlich Beteiligten, dem eigentlichen Einspruchsführer, begangen. Die Einspruchsentscheidung ist deshalb aber nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Auch das vom Kläger vorgebrachte Argument, durch die notwendige Beiladung nach §60 Abs. 3 FGO werde der Mangel der fehlenden Zuziehung nach §360 Abs. 3 AO 1977 geheilt, greift in seinem Fall gerade nicht. Denn wenn -- wie hier -- die KG nicht selbst gegen die Einspruchsentscheidung klagt, kann selbst der an sich klage befugte Gesellschafter nicht gemäß §60 Abs. 3 FGO beigeladen werden; ein solches Klageverfahren gibt es nicht.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66888

BFH/NV 1998, 14

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