Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren nach billigem Ermessen

 

Leitsatz (NV)

1. Übersteigt der Streitwert nicht 1 000 DM, kann das FG das Verfahren auch dann ohne mündliche Verhandlung durchführen, wenn die Beteiligten sich damit nicht ausdrücklich einverstanden erklärt haben.

2. Das FG ist nicht verpflichtet, von sich aus anzuzeigen, daß es gemäß § 94 a FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden will.

3. § 94 a FGO ist auch für die bereits vor seinem Inkrafttreten anhängigen Klageverfahren anwendbar.

 

Normenkette

FGO §§ 94a, 115 Abs. 2 Nr. 3; FGOÄndG Art. 9; VGFGEntlG Art. 3 § 5

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerde genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Bezeichnung des gerügten Verfahrensmangels i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf dem das Urteil des Finanzgerichts (FG) nach der Ansicht der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beruhen soll. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht schlüssig gerügt. Ein Verfahrensmangel liegt insbesondere nicht darin, daß das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Nach § 94 a FGO i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90 -- FGO-Änderungsgesetz --) kann das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder -- wie hier -- einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1 000 DM nicht übersteigt. Das Gericht entscheidet dann über die Klage durch Urteil (§ 94 a Satz 3 FGO). Durch diese Bestimmung wird es dem FG vor allem ermöglicht, das Verfahren auch dann ohne mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn sich die Beteiligten hiermit nicht ausdrücklich einverstanden erklärt haben (Gräber/Koch, Finanz gerichtsordnung, 3. Aufl., § 94 a Anm. 4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 94 a FGO). Die Beteiligten können dies jedoch dadurch verhindern, daß sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragen. Die Klägerin hat jedoch im Klageverfahren einen solchen Antrag nicht gestellt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte das FG im Streitfall von dieser Erleichterung auch Gebrauch machen, obwohl die Klage bereits im Jahr 1987 erhoben worden war und § 94 a FGO erst zum 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist (Art. 9 FGO- Änderungsgesetz). Der Gesetzgeber hat nämlich keine Bestimmung dahingehend getroffen, daß sie nur auf erst nach Inkrafttreten dieser Vorschrift anhängig gemachte Verfahren anzuwenden sei. Vielmehr ist § 94 a FGO an die Stelle des Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) getreten, der durch Art. 6 FGO-Änderungsgesetz aufgehoben worden ist und eine entsprechende Möglichkeit des FG bei einem Streitwert bis zu 500 DM vorsah.

Das FG war auch nicht verpflichtet, von sich aus anzuzeigen, daß es nach § 94 a FGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden wolle. Wie auch zu der Vorgängervorschrift in Art. 3 § 5 VGFGEntlG (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Juli 1983 VI B 180/82, BFHE 139, 22, BStBl II 1983, 762, und vom 5. Juni 1986 IX R 152/84, BFH/NV 1986, 629) hat der Gesetzgeber dem FG einen solchen Hinweis gerade nicht zur Pflicht gemacht.

Abgesehen davon hat die Klägerin den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch deshalb nicht schlüssig dargetan und somit nicht ordnungsgemäß bezeichnet, weil sie auch jetzt nicht dargelegt hat, was sie dem FG bei einem entsprechenden Hinweis oder bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte (BFH-Beschluß vom 29. Juli 1993 X B 210/92, BFH/NV 1994, 382). Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21. November 1994 geltend macht, das FG habe sich im Urteil angeblich nicht mit den Argumenten der Klageschrift auseinandergesetzt, kann sie damit nicht gehört werden, weil der Schriftsatz erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von einem Monat eingegangen ist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO).

Unter diesen Umständen kann auch dahinstehen, ob die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 27. April 1994 -- also innerhalb der Revisionsfrist -- nur vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, aber zugleich einen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 FGO geltend gemacht hat. Denn auch eine zulassungsfreie Revision wäre nicht statthaft, weil das FG -- wie bereits ausgeführt -- im Streitfall ohne mündliche Verhandlung entscheiden durfte, weil die Klägerin nicht ausdrücklich auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestanden hatte (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1986, 629).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420494

BFH/NV 1995, 802

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