Leitsatz (amtlich)

Zu den Gebühren und Auslagen, die einem in eigener Sache vor dem Finanzgericht auftretenden Rechtsanwalt gemäß § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu erstatten sind, gehört nicht die rechnerisch darauf entfallende Umsatzsteuer.

 

Normenkette

BRAGO § 25; FGO §§ 139, 155; UStG §§ 1, 13; ZPO § 91 Abs. 2 S. 4

 

Tatbestand

In einem zwischen den Beteiligten anhängigen Rechtsstreit wegen Einkommensteuer legte das Hessische FG nach Erledigung der Hauptsache die Kosten des Verfahrens zu 98 % dem Kostenschuldner und Beschwerdegegner (FA) auf. Der Kostengläubiger und Beschwerdeführer (Kostengläubiger), ein Rechtsanwalt, hatte den Rechtsstreit in eigener Sache geführt. Der Urkundsbeamte des Gerichts setzte die dem Kostengläubiger zu erstattenden Aufwendungen fest. Dieser Betrag enthielt u. a. Umsatzsteuer.

Mit seiner Erinnerung machte das FA geltend, daß der in eigener Sache tatige Kostengläubiger keinen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer habe, da seine Tätigkeit nicht umsatzsteuerbar sei.

Das FG gab der Erinnerung statt. Die sinngemäße Anwendung der Fiktion des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO, so führte das FG aus, rechtfertige es nicht, Steuern zu erstatten, die nicht entstanden seien und nicht anfallen könnten. Die Ausnahmeregelung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO habe nur den Zweck, dem seinen eigenen Prozeß führenden Bevollmächtigten die ihm zustehende Vergütung zu sichern und seine Auslagen zu ersetzen. Steuerrechtlich sei keine Umsatzsteuer entstanden. Auch nach § 25 Abs. 2 Satz 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) i. V. m. § 139 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 FGO könnte Umsatzsteuer nur dann erstattet werden, wenn sie überhaupt angefallen sei; das treffe nicht zu.

Das FG ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Gegen den Beschluß des FG hat der Kostengläubiger Beschwerde eingelegt.

Er beantragt, den Beschluß des FG vom 27. Mai 1974 abzuändern, soweit darin nicht Umsatzsteuer festgesetzt worden ist.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG ist unter Hinweis auf den Beschluß des erkennenden Senats vom 2. November 1971 VII B 161/69 (BFHE 103, 314, BStBl II 1972, 94) zu Recht davon ausgegangen, daß ein im finanzgerichtlichen Verfahren in eigener Sache tätig gewordener Rechtsanwalt vom Erstattungspflichtigen Kostenersatz verlangen kann, wie wenn er durch einen anderen Bevollmächtigten vertreten worden wäre. § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist gemäß § 155 FGO i. V. m. § 139 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anwendbar. Zur näheren Begründung wird auf den Beschluß VII B 161/69 Bezug genommen. In dem jenem Beschluß zugrunde liegenden Fall hatte der Bevollmächtigte nicht die Erstattung von Umsatzsteuer beantragt.

Die sinngemäße Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren kann aber nicht dazu führen, daß dem in eigener Angelegenheit tätigen Rechtsanwalt auch Umsatzsteuer erstattet wird. Das FG hat zutreffend dargelegt, daß in der Person des Klägers kein steuerbarer Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 UStG vorliegt. Der Senat tritt den dahingehenden Ausführungen des FG, denen auch der Kostengläubiger nicht widersprochen hat, bei. Es würde dem Sinn und Zweck des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO widersprechen, wenn dem in eigener Angelegenheit tätig gewordenen Rechtsanwalt Umsatzsteuer erstattet werden müßte. Er würde dann nämlich einen Betrag als Umsatzsteuer erstattet bekommen, den er mangels Entstehung nicht an das FA zu entrichten brauchte. Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, die Fiktion des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO so weit auszudehnen.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, stellt auch § 25 Abs. 2 Satz 1 BRAGebO keine geeignete Grundlage für die Erstattung von Umsatzsteuer an einen in eigener Angelegenheit tätig gewordenen Rechtsanwalt dar. Nach dieser Vorschrift hat der bevollmächtigte Rechtsanwalt, der als Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 UStG) einen steuerbaren Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 UStG getätigt hat, einen Anspruch auf Ersatz der auf seine Vergütung entfallenden Umsatzsteuer gegen seinen Auftraggeber. Die Einbeziehung dieses Ersatzanspruches in die Fiktion des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO scheitert aber auch hier daran, daß Umsatzsteuer tatbestandlich nicht entstanden ist und daß nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ein nur fiktiver Ersatzanspruch nicht zur Erstattung von nicht entstandenen Auslagen führen kann.

Der vom FG zitierte Beschluß des erkennenden Senats vom 3. Februar 1970 VII B 129/69 (BFHE 98, 396, BStBl II 1970, 434) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Nach dieser rechtlich nicht unumstrittenen Entscheidung (vgl. zum Streitstand Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 139 FGO Anm. 17) hat der Kostenpflichtige die dem Rechtsanwalt des Erstattungsberechtigten zu zahlende Umsatzsteuer unabhängig davon zu erstatten, ob der Erstattungsberechtigte sie als Vorsteuer nach § 15 UStG abziehen kann oder nicht. Im Gegensatz zum vorliegenden Streitfall war nach dem jenem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt in der Person des Prozeßbevollmächtigten Umsatzsteuer entstanden, auf deren Ersatz er gemäß § 25 BRAGebO einen Anspruch hatte. Im Streitfall dagegen ist, wie bereits ausgeführt, Umsatzsteuer tatbestandlich nicht entstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72027

BStBl II 1977, 82

BFHE 1977, 333

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge