Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgemäße Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Beschwerdefrist erforderlich

 

Leitsatz (NV)

Beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, binnen der Beschwerdefrist für eine Divergenz lediglich eine Entscheidung des BFH anzuführen und die Aufgabe der BFH-Rechtsprechung zu behaupten, so reicht das für eine ordnungsgemäße Begründung nicht aus.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 03.10.1989; Aktenzeichen 1 BvR 1245/88)

 

Tatbestand

Durch Urteil vom 3. Juni 1987 wies das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Kürzung des Gewerbeertrages (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) ab. Das FG ließ die Revision nicht zu. Das Urteil wurde der Klägerin am 5. August 1987 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 1. September 1987 - beim FG eingegangen am 3. September 1987 - erhob die Klägerin Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und kündigte an, die Begründung innerhalb der gesetzlichen Frist nachzureichen. Außerdem heißt es: ,,Die Revision begründet sich auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO, und zwar auf das BFH-Urteil vom 29. 4. 1987 I R 10/86 (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung lt. Urteil vom 24. 2. 71 I R 174/69 - zitiert auf Seite 11 des Urteils -)."

Mit dem am 2. Oktober 1987 beim FG eingereichten Schriftsatz machte die Klägerin geltend, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 1987 I R 10/86 (BFHE 150, 59, BStBl II 1987, 603) in wesentlichen Punkten ab; der BFH halte nicht mehr an den Urteilen vom 24. September 1970 I R 21/70 (BFHE 100, 210, BStBl II 1970, 871) und vom 24. Februar 1971 I R 174/69 (BFHE 101, 396, BStBl II 1971, 338) fest, die das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Die Klägerin hat sie innerhalb der gesetzlichen Frist nicht ordnungsgemäß begründet.

Die Klägerin hat zwar innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), die am 7. September 1987 ablief (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 und 3 und § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), mit dem am 3. September 1987 eingegangenen Schriftsatz gegen das ihre Klage abweisende Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie hat diese aber innerhalb der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 FGO; vgl. dazu Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 55, und Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Tz. 83 und 87) weder in der Beschwerdeschrift selbst noch durch einen besonderen Schriftsatz (vgl. dazu zuletzt BFH-Beschluß vom 4. August 1987 VII B 36/87, BFH / NV 1988, 242) in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet.

Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützt, so muß die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil des FG abweicht, ,,bezeichnet" werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Gefordert ist eine genaue Bezeichnung des BFH-Urteils mit Aktenzeichen und Datum oder der Fundstelle. Die Notwendigkeit der Bezeichnung der BFH-Entscheidung bedingt zwangsläufig zusätzliche Erläuterungen in der Beschwerdeschrift. Das ergibt sich aus einer am Wortlaut sowie am Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung. Soll die Behauptung einer Divergenz die Revision eröffnen, ist außerdem darzutun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Dieser Rechtssatz braucht zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen zu sein, muß sich jedoch aus der angeführten Entscheidung hinreichend deutlich ergeben (vgl. zum Vorstehenden BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Dazu muß der Beschwerdeführer abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze aus divergenzfähigen Entscheidungen - im Streitfall aus der genannten Entscheidung des BFH - so bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar wird (Beschluß in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Diese genaue Darlegung ist als Folge des Begründungszwanges Sache des Beschwerdeführers. Für das Formerfordernis der Beschwerdebegründung reicht es nicht aus, daß das Revisionsgericht selbst Umstände erkennt oder erkennen kann, aus denen sich eine Begründung im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO herleiten ließe (BFH-Beschluß vom 29. Juni 1987 X B 26/87, BFH / NV 1988, 239).

Dieser Darlegungspflicht ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, in der Beschwerdeschrift vom 1. September 1987 die Vorschrift des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO und das BFH-Urteil in BFHE 150, 59, BStBl II 1987, 603 mit der Bemerkung ,,Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung lt. Urteil vom 24. 2. 1971 I R 174/69" zu zitieren. Abstrakte Rechtssätze des zitierten BFH-Urteils und des vorinstanzlichen Urteils hat sie weder angegeben noch gegenübergestellt.

Ob die Ausführungen der Klägerin in den Schriftsätzen vom 1. Oktober 1987 und 15. Januar 1988 den oben dargestellten Anforderungen genügen, ist unerheblich, weil diese Schriftsätze erst nach Ablauf der Beschwerdefrist am 7. September 1987 eingegangen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424268

BFH/NV 1989, 700

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