Leitsatz (amtlich)

Die Aussetzung der Vollziehung wegen ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts darf nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, wenn und soweit es dem Steuerpflichtigen trotz zumutbarer Anstrengungen nicht möglich ist, eine Sicherheitsleistung zu erbringen.

 

Normenkette

FGO § 69

 

Tatbestand

Nach den Körperschaftsteuerbescheiden 1960 bis 1965 hat die Beschwerdeführerin (Steuerpflichtige) noch eine Körperschaftsteuer von 107 416 DM zu zahlen. Die Steuerpflichtige focht diese Bescheide mit der Klage an, mit der sie sich hauptsächlich gegen die Erhöhung des Festwertes für Gerüstteile und gegen die Hinzurechnung verdeckter Gewinnausschüttungen wandte. Außerdem beantragte sie, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen. Der Beschwerdegegner (FA) war damit einverstanden, beantragte jedoch, die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung der Steuerpflichtigen abhängig zu machen.

Das FG hat entschieden, daß die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1960 bis 1965 in Höhe von 107 416 DM gegen Sicherheitsleistung im Werte von 107 416 DM, die die Steuerpflichtige nach ihrer Wahl im Rahmen des § 132 AO leisten könne, für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsache beim FG ausgesetzt werde. Die Kosten des Verfahrens hat das FG gegeneinander aufgehoben.

Zur Begründung hat das FG ausgeführt, da das FA selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide einräume, bestehe für das Gericht bei der summarischen Überprüfung der Erfolgsaussichten keine Veranlassung, näher auf die Frage einzugehen, ob hier ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide bestehen. Die Aussetzung der Vollziehung sei aber von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, da nach dem Liquiditäts- und Vermögensstatus zum 30. Juni 1967 die wirtschaftliche Lage der Steuerpflichtigen die Steuerforderungen als gefährdet erscheinen lasse.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1960 bis 1965 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Diesen Antrag begründet sie damit, daß ihr die Leistung einer Sicherheit wegen der angespannten finanziellen Verhältnisse und mangels entsprechender Sicherungsgüter nicht möglich sei. Der vorgelegte Liquiditäts- und Vermögensstatus zum 30. Juni 1967, demgegenüber sich bisher keine Verbesserungen ergeben hätten, mache deutlich, daß auch bei Erfolglosigkeit des Verfahrens in der Hauptsache eine Verschlechterung der gegebenen wirtschaftlichen Situation kaum noch möglich sei. Die Auflage einer Sicherheitsleistung sei unbillig. Sie benachteilige die Unternehmen, deren wirtschaftliche und finanzielle Lage angespannt sei und die gerade deshalb auf die Aussetzung der Vollziehung eines im Streit befangenen Steuerbescheids besonders angewiesen seien. Die Steuerpflichtige meint, die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung dürfe nicht die Regel, sondern nur eine Ausnahme bilden.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG hat zu Unrecht angenommen, eine nähere Untersuchung, ob ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen, erübrige sich dadurch, daß das FA selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide geäußert habe. Auch bei der nach § 69 Absatz 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung muß sich das FG selbst mit der Frage befassen, ob gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Beschluß des BFH III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, BStBl III 1967, 182), und welcher Teil der festgesetzten Steuerbeträge von diesen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide betroffen wird. Soweit die festgesetzten Steuerbeträge von den Zweifeln nicht berührt werden, kommt eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht, es sei denn, daß die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte (§ 69 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 FGO) erfüllt sind. Soweit sich dagegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide auf die Höhe der festgesetzten Steuerbeträge auswirken, d. h. soweit die Steuer - wenn sich die Zweifel als berechtigt erweisen - herabzusetzen sein wird, ist die Vollziehung der Bescheide auszusetzen.

Die Aussetzung der Vollziehung ist zwar in der Regel von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen die Steuerforderung als gefährdet erscheinen läßt (BFH-Beschlüsse I B 7/67 vom 22. Juni 1967, BFH 89, 24, BStBl III 1967, 512; VI B 50/66 vom 8. März 1967, BFH 88, 78, BStBl III 1967, 294). Ist es aber der Steuerpflichtigen trotz zumutbarer Anstrengungen nicht möglich, die Sicherheitsleistung in der an sich erforderlichen Höhe zu erbringen - eine Frage, die das FG noch untersuchen muß -, so darf die Sicherheitsleistung nicht verlangt werden, soweit die Unmöglichkeit reicht. Denn es kann nicht der Sinn des § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO sein, die Steuerpflichtigen, die zur Leistung einer Sicherheit nicht in der Lage sind, von dem Rechtsvorteil der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids auszuschließen, obwohl ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids bestehen.

Für die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte (§ 69 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 FGO) verbleibt es dagegen bei der Regel, daß sie bei Gefährdung des Steueranspruchs nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67714

BStBl II 1968, 456

BFHE 1968, 89

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge