Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur grundsätzlichen Bedeutung der Fragen, ob § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 StrbEG auch für den Erben ausländischen Kapitalvermögens gelten

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG nicht nur für denjenigen gilt, der seine eigenen, bisher unrichtigen Angaben korrigiert hat, sondern auch für den Erben, der als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 153 AO 1977 verpflichtet war, die unvollständigen Angaben des Erblassers zu ergänzen, hat grundsätzliche Bedeutung. Der Erbe, der vor der Entscheidung stand, die vom Erblasser unvollständig erklärten Einkünfte aus ausländischem Kapitalvermögen zu korrigieren, befand sich in einer vergleichbaren Situation wie der "originäre" Steuerschuldner, der vor der Frage stand, ob er aus der Anonymität der Steuerunehrlichen heraustreten und seine Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Jahre ab 1986 (vollständig) der Besteuerung unterwerfen solle.

2. Grundsätzliche Bedeutung hat auch die Rechtsfrage, ob sich die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG ausnahmslos auf alle gemäß § 45 AO 1977 auf den Gesamtrechtsnachfolger übergegangenen Steuerschulden erstreckt oder ob diejenigen Steuerschulden von der Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG ausgenommen werden müssen, die auf ausländisches Kapitalvermögen entfallen.

 

Normenkette

StrbEG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Finanzgericht (FG) hat das angefochtene Urteil auf zwei, die Entscheidung jeweils selbständig tragende Gründe gestützt: Zum einen komme eine Nichtfestsetzung der auf die im Streitjahr 1985 erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallenden Einkommensteuer deshalb nicht in Betracht, weil die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Erben der ursprünglichen Steuerschuldner keine Steuern verkürzt hätten und sich folglich in bezug auf ihre Personen die Frage nach der Straffreiheit i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen (StrbEG) i. V. m. § 1 Abs. 1 StrbEG von vornherein nicht stelle. Zum anderen stehe der Anwendung des § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StrbEG auch § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG entgegen, weil es sich im Streitfall um Steuerschulden handele, die nach § 45 der Abgabenordnung (AO 1977) auf die Kläger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen seien.

Die Kläger haben für beide vom FG angeführten, selbständig tragenden Gründe jeweils eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung herausgestellt.

1. Zur ersten Begründung des angefochtenen Urteils

In diesem Zusammenhang haben die Kläger die Rechtsfrage formuliert, ob § 2 (Abs. 1 Satz 1) StrbEG nicht nur für denjenigen gelte, der seine eigenen, bisher unrichtigen Angaben bezüglich steuerlich erheblicher Tatsachen korrigiere, sondern auch für den Erben, der als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 153 AO 1977 verpflichtet sei, die unvollständigen Angaben des Erblassers zu ergänzen.

Mit Recht haben die Kläger darauf hingewiesen, daß diese Frage klärungsbedürftig sei, weil sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit ihr bislang noch nicht befaßt habe und man über ihre Beantwortung geteilter Meinung sein könne. Die rechtliche Unklarheit ergebe sich -- so die Kläger -- aus der Formulierung des in § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG in Bezug genommenen § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG "wird auch für weiter zurückliegende Zeiträume straffrei", weil diese Passage die Vermutung nahelege, die Vorschrift wende sich nur an diejenigen Steuerpflichtigen, die für die Jahre vor 1986 selbst unrichtige Steuererklärungen bezüglich ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen abgegeben hätten und sich damit strafbar gemacht haben könnten; ein Erbe sei dagegen naturgemäß für die falschen Steuererklärungen des Erblassers strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen. Es sei jedoch zu beachten, daß auch der Erbe infolge der ihn gemäß § 153 AO 1977 treffenden Pflicht zur Berichtigung der von ihm als falsch erkannten Steuererklärungen des Erblassers Gefahr laufe, sich wegen der durch den Erblasser nicht erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen strafrechtlich zu verstricken. Zutreffend weisen die Kläger ferner darauf hin, daß der Erbe, der vor der Entscheidung stehe, die vom Erblasser unvollständig erklärten Einkünfte zu korrigieren, zumindest bei den hier in Rede stehenden Einkünften aus ausländischem Kapitalvermögen, hinsichtlich derer eine Anzeige an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) gemäß § 33 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nicht zu gewärtigen ist, in einer vergleichbaren Situation stehe wie der "originäre" Steuerschuldner, der mit der Frage ringe, ob er "aus der Anonymität der Steuerunehrlichen heraustreten und seine Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Jahre ab 1986 (vollständig) der Besteuerung unterwerfen will" (Zitat aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89, BStBl II 1991, 652, 654). Diese vergleichbare Konstellation läßt in der Tat die These der Kläger als erwägenswert erscheinen, der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG stehe der Anwendung dieser Vorschriften auf den Erben nicht entgegen.

2. Zur zweiten Begründung des FG-Urteils

Die Kläger haben dieserhalb die Rechtsfrage aufgeworfen, ob sich die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG ausnahmslos auf alle gemäß § 45 AO 1977 auf den Gesamtrechtsnachfolger übergegangenen Steuerschulden erstrecke oder ob nicht vielmehr -- entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung -- diejenigen Steuerschulden von der Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG ausgenommen werden müßten, die auf ausländisches Kapitalvermögen entfielen.

Wie die Kläger zutreffend bemerkt haben, hat sich der BFH auch mit dieser Frage noch nicht auseinandergesetzt. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG spricht zwar gegen eine restriktive Interpretation dieser Vorschrift in dem Sinne, daß sie ausländisches Kapitalvermögen und ausländische Kapitaleinkünfte nicht erfaßt. Gegen eine solche rein am (weiten) Wortlaut haftende Auslegung lassen sich indessen -- wie die Kläger plausibel dargelegt haben -- gewichtige Argumente anführen, die die in Rede stehende Rechtsfrage als höchstrichterlich klärungsbedürftig erscheinen lassen: Die Regelungen der §§ 1 und 2 StrbEG verfolgen das Ziel, dem Bürger aus rechts- und finanzstaatlichen Gründen den Weg in die Steuerehrlichkeit zu erleichtern. Steuerunehrliche sollen an die Legalität heran geführt werden, die steuerpflichtigen Einkünfte vollständig erfaßt und damit die Staatseinnahmen vermehrt werden (BVerfG-Urteil in BStBl II 1991, 652, 654). Dabei kommt -- wie die Kläger zutreffend ausgeführt haben -- dem Element der Freiwilligkeit der "Rückkehr in die Legalität" entscheidende Bedeutung zu. Ist der Fiskus in der Lage, sich die Steuereinnahmequelle auch ohne die (freiwillige) Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu erschließen, so bedarf es der in § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 StrbEG geschaffenen Anreize (Straffreiheit; Absehen von Steuerfestsetzungen für die Jahre vor 1986) nicht. Darin liegt offenbar -- wie auch die amtliche Gesetzesbegründung belegt (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 198, rechte Spalte) -- der Sinn der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG: Im Erbfall ist der Fiskus in aller Regel auf eine (freiwillige) Mitwirkung der Erben bei der Erschließung der Steuerquelle nicht angewiesen, weil die inländischen Vermögensverwalter und -verwahrer (z. B. Banken) dem FA gemäß § 33 ErbStG die Konten- und Depotbestände des Erblassers anzuzeigen haben (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 2 ZStAmnG, Rdnr. 18, m. w. N.; Schwarz/Dumke, Abgabenordnung, Anhang zu § 371 Rdnr. 144; Bilsdorfer, Deutsches Steuerrecht 1989, 87, 92; Urteil des FG Münster vom 29. Mai 1990 VI 7943/89 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 130).

Die Verpflichtung nach § 33 ErbStG trifft indessen -- worauf die Kläger zu Recht hingewiesen haben -- nur inländische Vermögensverwahrer und -verwalter. Bei den im Streitfall in Rede stehenden ausländischen Kapitalanlagen ist der deutsche Fiskus daher bei der Erschließung dieser Steuerquellen "auf die Mitwirkung des Erben angewiesen, als wäre dieser nicht Erbe, sondern der Steuerpflichtige (Erblasser) selbst" (Beschwerdebegründung S. 7). Die Richtigkeit der von den Klägern vertretenen Auffassung, der Gesetzgeber habe bei der Schaffung der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG "offenbar de(n) Fall über sehen ... , in dem ein Erbe ausschließlich ausländisches Kapitalvermögen erbt", ist folglich nicht von vornherein von der Hand zu weisen.

3. Mit Recht führen die Kläger aus, daß beide Rechtsfragen in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sind.

4. Beide Rechtsfragen können überdies über den Einzelfall hinaus für eine unbekannte Mehrzahl von gleichgelagerten Fällen Bedeutung erlangen. Ihrer grundsätzlichen Bedeutung steht auch nicht der Umstand entgegen, daß das StrbEG ausgelaufenes Recht darstellt; denn es ist nicht auszuschließen, daß die erwähnten Rechtsfragen nach wie vor in einer nicht unwesentlichen Zahl von Fällen entscheidungserheblich sein können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421297

BFH/NV 1996, 605

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