Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe; Vollständig ausgefüllter Vordruck; Verjährungshemmung bei Steuerfahndung ohne förmliche Anordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Annahme der Bedürftigkeit setzt grundsätzlich voraus, daß der Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt ist.

2. Die Hemmung der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 AO 1977 tritt aufgrund der tatsächlichen Ermittlungshandlungen der Steuerfahnder ein und setzt keine förmliche Anordnung voraus.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2-4; AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erhob Klage wegen Einkommensteuer für 1978 bis 1983. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren ab. Es begründete dies damit, daß es ihm nicht möglich sei zu überprüfen, ob der Antragsteller die Prozeßkosten aufbringen könne. Der Antragsteller habe die abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unterschrieben. Außerdem habe die Klage hinsichtlich der Streitjahre 1980 bis 1983 keine ausreichende Aussicht auf Erfolg. Der Fahndungsprüfer habe die Überweisungen des Antragstellers von den Firmenkonten auf seine Privatkonten detailliert zusammengestellt. Wenn der Antragsteller behaupte, er habe von seinen Konten Betriebsausgaben bezahlt, treffe ihn dafür die Beweislast. Der Antragsteller habe sich jedoch dazu nicht substantiiert geäußert.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, zu deren Begründung er eine unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat. Außerdem macht er geltend, er werde in der Hauptsache nachweisen, daß die Überweisungen auf private Konten anschließend für betriebliche Aufwendungen verwendet worden seien und somit keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorlägen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag auf PKH sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO).

Der im Beschwerdeverfahren eingereichte amtliche Vordruck ist zwar vom Antragsteller unterschrieben worden. Er ermöglicht jedoch weiterhin keine vollständige Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers. Denn der Antragsteller hat den Teil des Vordrucks, der sich auf das Vermögen des Antragstellers und seines Ehegatten bezieht, überhaupt nicht ausgefüllt. Er hat die Kästchen nein und ja des Vordrucks nicht angestrichen oder sonstwie markiert und auch keine sonstigen Angaben in diesem Teil des Vordrucks gemacht, in dem Fragen zu verschiedenen Vermögenswerten gestellt werden.

Darüber hinaus ist die Beschwerde aber auch deshalb unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 ZPO verspricht. Die pauschale Behauptung des Antragstellers, er werde nachweisen, daß die Überweisungen auf private Konten anschließend für betriebliche Aufwendungen verwendet worden seien, ist nicht geeignet, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung zu begründen. Insoweit wären substantiierte Darlegungen und Belege zu den einzelnen Kontenbewegungen erforderlich gewesen.

Auch soweit das FG in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, daß für die Streitjahre 1978 und 1979 die Festsetzungsfrist für die im Jahre 1989 zur Post gegebenen Einkommensteuerbescheide abgelaufen sein könnte, weil es für diese Jahre an einer Prüfungsanordnung fehle, kann nach dem bisherigen Verfahrensstand eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage nicht angenommen werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß für diese beiden Jahre Steuererklärungen nicht abgegeben worden sind. Die Festsetzungsfrist hat damit gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, zu laufen begonnen.

Die Außenprüfung beim Antragsteller in der Zeit von November 1984 bis Juni 1985 hat damit vor Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen. Sie betraf die Kalenderjahre 1978 bis 1983. Sie ist ausweislich des Berichts über die Außenprüfung im Zusammenwirken mit einem Beamten des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen durchgeführt worden. Nach den vom Antragsteller nicht angegriffenen Ausführungen des FG hat der Fahndungsprüfer die Überweisungen auf die Konten des Klägers zusammengestellt. Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft gemäß § 171 Abs. 5 AO 1977 die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Im Falle der Ermittlungen durch die Steuerfahndung ist eine förmliche Anordnung zur Hemmung der Festsetzungsfrist nicht erforderlich (vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, 14. Aufl., § 171 Tz. 21; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 171 AO 1977 Rz. 69).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419575

BFH/NV 1994, 258

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