Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

Ein Prozeßkostenhilfe-Begehren darf nicht allein deshalb wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt werden, weil der Rechtsuchende Tatsachen erst im Klageverfahren vorgetragen und Beweise erstmals vor dem Finanzgericht angeboten hat.

 

Normenkette

FGO §§ 142, 155; ZPO §§ 114, 118 Abs. 2, §§ 294, 575

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Mit der beim FG anhängigen Anfechtungsklage begehrt der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) Aufhebung des am 16. Juli 1987 gegen ihn (und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau) ergangenen Einkommensteuerbescheides, durch den die Einkommensteuerschuld für 1982 auf 1 782 DM festgesetzt wurde. Streitig sind dabei drei Sachverhaltskomplexe:

- Berücksichtigung der Anschaffungskosten eines Abbruchhammers und eines Bohrhammers - jeweils nebst Zubehör;

- Berücksichtigung von Investitionszulage für die beiden Geräte;

- Erhöhung der vom Beklagten und Beschwerdegegner (dem FA), in der Einspruchsentscheidung anerkannten Kosten für verschiedene vom Antragsteller für seinen Betrieb angemietete Räume, vor allem für eine als Lagerraum dienende Garage in A.

Den mit einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers versehenen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) hat das FG wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgewiesen und dabei hinsichtlich des strittigen Mietaufwands den Standpunkt vertreten, insoweit seien die Erfolgsaussichten unklar. Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Durchführung der vom Antragsteller im Klageverfahren angebotenen Beweiserhebung (Zeugenbeweis) ankomme, reiche es für das PKH-Verfahren aus, daß eine Bestätigung des Vorbringens des Antragstellers möglich erscheine. Das könne zwar auch durch Auflagen nach den §§ 118 Abs. 2, 294 ZPO geklärt werden. Diese Regelung gelte aber im finanzgerichtlichen Verfahren dann nicht, wenn es - wie hier - um Tatsachen gehe, die der Antragsteller unter Verletzung seiner Mitwirkungspflichten erst im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht habe.

Mit der Beschwerde erstrebt der Antragsteller weiterhin Gewährung von PKH und Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten.

Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§§ 132, 155 FGO i. V. m. § 575 ZPO), weil es zweckmäßig erscheint, daß die zur Zeit fehlende Spruchreife durch das sachnähere FG herbeigeführt wird (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1986 VII B 39/86, BFH / NV 1987, 390, 391 m. w. N.).

1. Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. - Unter den gleichen Voraussetzungen kann auch ein Rechtsanwalt beigeordnet werden (§ 121 ZPO).

2. Der erkennende Senat kann die Erfolgsaussichten zunächst schon deshalb nicht abschließend beurteilen, weil das FG bislang das Klagebegehren nicht genau festgestellt hat. Der Antragsteller hat bisher lediglich Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 1987 beantragt und zur Begründung die oben genannten Einwände erhoben. Das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; BFH-Beschluß vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99) ist damit schon wegen der verschiedenen zum streitigen Zeitraum ergangenen Änderungsbescheide nicht ausreichend festgelegt, weil offen ist, ob und in welchem Umfang im Falle einer (teilweisen) Stattgabe welcher der vorigen Bescheide wieder aufleben soll (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).

a) Unzulässig ist die Klage jedenfalls hinsichtlich der begehrten Investitionszulage, weil hierüber durch besonderen Bescheid und anschließend in einem besonderen Verfahren zu befinden ist (§ 5 Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 8 InvZulG). Insoweit hat das FG die Erfolgsaussichten der Klage im Ergebnis zu Recht verneint.

b) Keinen Erfolg verspricht die Klage - nach den derzeit getroffenen Feststellungen jedenfalls - hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs für die beiden im Streitjahr angeschafften Geräte. Insoweit hat das FG das PKH-Begehren aus den im angefochtenen Beschluß genannten Gründen zu Recht zurückgewiesen.

c) Zu Unrecht aber hat das FG hinsichtlich des streitigen Mietaufwandes weitere Sachaufklärung im Rahmen dieses Verfahrens abgelehnt.

Zwar verlangt die Entscheidung über die (hinreichenden) Erfolgsaussichten der Klage nach § 114 Satz 1 ZPO grundsätzlich nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1986 III B 63-64/85, BFH / NV 1988, 438; vom 18. Mai 1988 X B 185/87, BFH / NV 1988, 731, und vom 2. August 1988 VII B 33/88, BFH / NV 1989, 146; Zöller, Zivilprozeßordnung, Kommentar, 15. Aufl. 1987, § 114, Rdnr. 30), so daß im PKH-Verfahren nur in Ausnahmefällen eine Zeugenvernehmung in Betracht kommt - nämlich dann, wenn sich anders nicht klären läßt, ob und inwieweit die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung gegeben sind (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl. 1987, § 142 Rz. 18). Auch hat der Rechtsuchende durch substantiiertes, in sich schlüssiges Vorbringen, durch vollständige Beweisantritte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Juni 1987 VII B 20/87, BFH / NV 1988, 261, und vom 13. Juni 1988 I B 114/86, BFH /NV 1988, 804) und durch weitere Mitwirkung im Rahmen des § 118 Abs. 2 ZPO an der Herbeiführung der Entscheidungsreife im PKH-Verfahren mitzuwirken (Gräber / Ruban, a. a. O.). Doch beziehen sich diese Mitwirkungspflichten nicht auf vorprozessuales Verhalten. Aus diesem Grunde kann selbst neues tatsächliches Vorbringen in der Beschwerdeinstanz einem PKH-Begehren noch zum Erfolg verhelfen (BFH in BFH / NV 1987, 390) und begründet die Verletzung vorprozessualer Mitwirkungspflichten keine Mutwilligkeit i. S. des § 114 Satz 1 ZPO (BFH in BFH / NV 1988, 804).

Solange daher das Gericht - wie im Streitfall das FG - seine Möglichkeiten, im Hauptsacheverfahren (etwa durch eine mit Fristsetzung verbundene Aufklärungsverfügung nach Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit) auf vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts hinzuwirken, noch nicht ausgeschöpft hat, ist grundsätzlich kein Raum für eine ,,Entscheidung nach Aktenlage" und im PKH-Verfahren nach den Regeln der Beweislastverteilung.

Auch kann der Senat keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen zivilgerichtlichem und finanzgerichtlichem Verfahren erkennen, die es (nach § 155 bzw. nach § 142 FGO) erlaubten, die Anwendung des § 118 Abs. 2 ZPO im Rahmen des finanzgerichtlichen PKH-Verfahrens von vornherein auszuschließen oder zu begrenzen. Die Besonderheiten des außergerichtlichen Vorverfahrens geben in diesem Zusammenhang aus den zuvor dargelegten Gründen für eine einschränkende Auslegung nichts her.

II. Die bisher unterlassenen Maßnahmen der weiteren Prozeßförderung (s. o. zu 2.) und Sachaufklärung (s. o. zu 2. c) wird das FG nunmehr nachholen und dann erneut über den PKH-Antrag entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416633

BFH/NV 1990, 260

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