Leitsatz (amtlich)

Der gleichlautende Ländererlaß vom 15.Mai 1985 (BStBl I 1985, 201) widerspricht § 20 Satz 2 BewG. Billigkeitsmaßnahmen infolge der Diskrepanz zwischen einer gegenüber der BFH-Rechtsprechung zum bewertungsrechtlichen Einfamilienhausbegriff weiteren bisherigen Verwaltungsübung können nur bei den Steuern erfolgen, für die die Artfeststellung maßgebend ist.

 

Orientierungssatz

§ 20 Satz 2 BewG verbietet die Anwendung des § 163 AO 1977 bei der Ermittlung der Einheitswerte, weil diese als Anknüpfungspunkt für eine Reihe von Steuern dienen und nach dem Grundgedanken des BewG dem gemeinen Wert entsprechen sollen. Dies gilt auch für die Feststellung der Grundstücksart (insoweit Aufgabe des BFH-Urteils vom 8.2.1985 III R 62/84).

 

Normenkette

BewG 1974 §§ 17, 19, 20 S. 2; AO 1977 § 163; EStG § 21a; GrStG § 15

 

Tatbestand

Im Jahre 1980 erhielten die Kläger eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung. Die baubehördliche Schlußabnahme erfolgte am 24.März 1982; die Wohnung im Erdgeschoß haben die Kläger bereits im Herbst 1981 bezogen.

In ihrer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1.Januar 1982 gaben die Kläger an, das Wohngebäude enthalte zwei Wohnungen, und zwar eine im Erdgeschoß mit 171 qm Wohnfläche und eine weitere Wohnung im Dachgeschoß mit 130 qm Wohnfläche. Anläßlich einer Ortsbesichtigung am 2.September 1982 kam der Bausachverständige zu dem Ergebnis, Wohn- und Eßzimmertrakt der Einliegerwohnung seien noch nicht fertiggestellt. Am 25.Mai 1984 fand eine erneute Ortsbesichtigung statt. In dem darüber gefertigten Aktenvermerk heißt es, im Wohn- und Eßzimmer der Dachgeschoßwohnung befänden sich Werkzeuge und Maschinen; es fehle noch die restliche Holzvertäfelung, die Fußbodenbeläge, Maler- und Tapezierarbeiten, Holzfensterbänke und Fußleisten.

Das Finanzamt (FA) vertrat die Ansicht, die geplante Wohnung im Dachgeschoß sei am 1.Januar 1982 noch nicht fertiggestellt gewesen; es handle sich um einen Bau in Bauabschnitten. Mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid vom 25.Juli 1984 stellte es deshalb die Grundstücksart Einfamilienhaus fest.

Mit der Klage begehren die Kläger, die Grundstücksart Zweifamilienhaus festzustellen. Sie begehren Vertrauensschutz in Anwendung der gleichlautenden Ländererlasse vom 15.Mai 1985 (BStBl I 1985, 201). Die Dachgeschoßwohnung sei im Dezember 1981 fertiggestellt gewesen und ab 1.Januar 1982 an die Tochter der Kläger vermietet worden.

Zur baulichen Gestaltung hat das Finanzgericht (FG) festgestellt, die Räume im Dachgeschoß seien zur Treppe hin nicht abgeschlossen. Der Zugang erfolge durch die Haustür im Erdgeschoß, von der aus man in die "Halle" trete. In dieser befände sich der offene Treppenaufgang nach oben sowie die Garderobe der Erdgeschoßwohnung. Von der "Halle" zweigten im Erdgeschoß drei Türen ab, von denen eine in den Arbeits- und Schlaftrakt der Erdgeschoßwohnung, die zweite in ein Gäste-WC und die letzte in den Wohnbereich der Erdgeschoßwohnung führe, von dem aus auch die Küche erreichbar sei. Verbindungstüren zwischen Wohnbereich und dem Schlaf- und Arbeitsteil bestünden nicht.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Das Wohngebäude enthalte i.S. der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. die Urteile vom 5.Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151, und vom 8.Februar 1985 III R 62/84, BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319) bewertungsrechtlich nur eine Wohnung, weil die Halle gemeinsame Verkehrsfläche beider Wohnungen darstelle. Ungeachtet der Frage, ob der genannte Ländererlaß in einem gesonderten Verfahren zu beachten sei, wirke sich die Übergangsregelung im Streitfall nicht aus, weil die Wohnung im Dachgeschoß am Stichtag noch nicht bezugsfertig gewesen sei und die bezugsfertigen Räume für sich allein nicht eine Zusammenfassung von Räumen zu einer Wohnung darstellten.

Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängeln. Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Errichtung in Bauabschnitten vorliege. Divergenz bestehe zum Urteil des BFH vom 25.Juli 1980 III R 46/78 (BFHE 132, 99, BStBl II 1982, 152), wonach das Fehlen geringfügiger Restarbeiten der Bezugsfertigkeit einer Wohnung nicht entgegenstehe. Das FG habe den Sachverhalt mangelhaft festgestellt; es hätte nur durch eine Ortsbesichtigung feststellen können, daß der Abschluß der Erdgeschoßräume zur Halle durch massive Haustüren mit Sicherheitsschlössern zum jeweiligen Wohnbereich vorgenommen worden sei. Schließlich habe das FG dadurch das rechtliche Gehör verletzt, daß es seine Auffassung über die Bedeutung des Wohn- und Eßzimmers im Dachgeschoß ebensowenig zur Diskussion gestellt habe wie seine Auslegung des zwischen den Klägern und deren Tochter abgeschlossenen Mietvertrages.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet.

1. Soweit die Kläger mangelnde Sachaufklärung rügen, ist die als aufklärungsbedürftig angesehene Tatsache der Türabschlüsse der Erdgeschoßwohnung zur Halle nicht entscheidungserheblich. Maßgebend ist nämlich allein der Umstand, daß die Halle --und zwar ohne daß es auf die Gestaltung der Türabschlüsse ankäme-- Durchgangsraum zur Treppe der Obergeschoßwohnung einerseits und notwendige Verkehrsfläche der Erdgeschoßwohnung andererseits ist und damit beiden Wohnbereichen dient.

2. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch in bezug auf die übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob das Hausgrundstück nach der bisherigen Verwaltungsübung als Zweifamilienhaus anzusprechen gewesen wäre, kann in einem Revisionsverfahren durch den BFH nicht geklärt werden, weil die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 15.Mai 1985 unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Entscheidung beeinflussen könnten.

§ 20 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) verbietet die Anwendung des § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) bei der Ermittlung der Einheitswerte, weil diese als Anknüpfungspunkt für eine Reihe von Steuern dienen (vgl. § 17 BewG) und nach dem Grundgedanken des BewG dem gemeinen Wert (§ 9 Abs.1 BewG) entsprechen sollen, bei dessen Findung ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse auszuscheiden haben (§ 9 Abs.2 Satz 3 BewG). Entgegen der Auffassung des III.Senats in der Entscheidung vom 8.Februar 1985 III R 62/84 gilt dies auch für die Feststellung der Grundstücksart (vgl. § 19 Abs.3 Nr.1 Buchst.a BewG), weil auch diese kraft ausdrücklicher Anknüpfung in den Steuergesetzen (vgl. § 21a des Einkommensteuergesetzes --EStG-- und § 15 des Grundsteuergesetzes --GrStG--) Auswirkungen auf unterschiedliche Steuern hat. An der angeführten Entscheidung des III.Senats hält der erkennende Senat, auf den die Zuständigkeit übergegangen ist, nicht mehr fest.

Da das Steuerrecht nur entweder den Vollzug des materiellen Rechtes oder die teilweise Verschonung aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme kennt, könnte der genannte Ländererlaß nur als eine Billigkeitsmaßnahme angesprochen werden. Diese ist aber durch § 20 Satz 2 BewG bei der Ermittlung der Einheitswerte ausgeschlossen. Dabei ist noch darauf hinzuweisen, daß diese "Billigkeitsmaßnahme" zu einer Verschärfung der Grundsteuerbelastung führen müßte (§ 15 Abs.2 GrStG: abweichende Steuermeßzahlen für Einfamilienhäuser einerseits und Zweifamilienhäuser andererseits), also eine vom Gesetz nicht ermöglichte Erweiterung der Steuerlast über die kraft Gesetzes geschuldete Steuer hinaus nach sich ziehen würde.

Aus § 20 Satz 2 BewG folgt somit zwingend, daß der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes durch eine auf § 163 AO 1977 fußende Anpassungsregelung nur bei den von der Artfeststellung abhängenden Folgesteuern in Betracht kommen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61273

BFHE 147, 267

BFHE 1987, 267

DB 1986, 2418-2418

DStR 1987, 52-52 (ST)

HFR 1987, 9-10 (ST)

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