Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine ordnungsgemäße NZB: Begründung durch den Prozessvertreter; keine Rüge weiterer Zulassungsgründe nach Ablauf der Begründungsfrist; kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH im NZB-Verfahren; keine bedingte Wiederaufnahmeklage; grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensmängel

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht ordnungsgemäß begründet, wenn sich der Prozessvertreter nicht eigenverantwortlich mit dem Streitstoff auseinandersetzt und lediglich vom Beschwerdeführer verfasste Schriftsätze unterzeichnet und an den BFH weiterleitet.
  2. Eine Verfahrensrevision kann nur aufgrund von Verfahrensverstößen im finanzgerichtlichen Verfahren, nicht hingegen durch solche der Finanzbehörde, die dem Bereich des materiellen Rechts zugeordnet sind, zugelassen werden.
  3. Nach Ablauf der Begründungsfrist sind allenfalls noch Ergänzungen oder Erläuterungen bezüglich der innerhalb der Frist ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe zu berücksichtigen.
  4. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist nur über den Zugang zum BFH zu entscheiden, weshalb u.a. ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nicht in Betracht kommt.
  5. Eine nur bedingt erhobene Wiederaufnahmeklage ist unzulässig, weil im Prozessrecht Klarheit über das Schweben oder Nichtschweben eines Rechtsstreits bestehen muss.
 

Normenkette

FGO § 62a Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 Sätze 1, 3, § 134

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde bereits deshalb nicht ordnungsgemäß begründet worden ist, weil die Beschwerdebegründung vom 23. Oktober 2002 keine zur Vertretung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) berechtigte Person verfasst hat. Der Schriftsatz enthält zwar auf dem Deckblatt als Prozessvertreter Namen und Anschrift von zwei postulationsfähigen Rechtsanwälten (vgl. § 62a Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO) und ist von einem der Prozessvertreter unterschrieben. Nach Stil und Inhalt des Schriftsatzes bestehen aber Zweifel, ob sich die Prozessvertreter mit dem Streitstoff eigenverantwortlich auseinander gesetzt und nicht lediglich vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) persönlich verfasste Schriftsätze unterzeichnet und weitergeleitet haben (vgl. dazu Beschlüsse des BFH vom 4. Februar 1999 II B 54/98, BFH/NV 1999, 960, und vom 6. Juni 2002 X B 163/01, BFH/NV 2002, 1441, jeweils m.w.N.). Diese Zweifel werden verstärkt durch die Bemerkung im Erwiderungsschriftsatz vom 2. Mai 2003, die Prozessvertreter machten lediglich für den Beschwerdeführer nach dessen Ausarbeitung und Diktion weitere Ausführungen.

2. Jedenfalls sind die nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO behaupteten Zulassungsgründe nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, wie sie in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung konkretisiert worden sind, dargelegt worden. Dies hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) zutreffend unter Hinweis auf die ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung im Schriftsatz vom 13. Dezember 2002 im Einzelnen ausgeführt.

a) Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen angebliche Mängel in prozessrechtlich längst abgeschlossenen Verfahren, insbesondere in den Klageverfahren …, die allesamt nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind.

Im Übrigen erfasst der Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur Verfahrensmängel im finanzgerichtlichen Verfahren, nicht jedoch Verfahrensverstöße der Finanzbehörde (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juni 2001 VI B 76/01, BFH/NV 2001, 1591). Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert, die Tatsachen schlüssig vorzutragen, die den gerügten Verfahrensverstoß ergeben sollen. Dazu müssen die entsprechenden Prozessvorgänge genau umschrieben werden. Schlüssig ist das Vorbringen, wenn die vorgetragenen Tatsachen ―ihre Richtigkeit unterstellt― ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts, den behaupteten Verfahrensmangel belegen. Ferner ist grundsätzlich darzutun, weshalb das angefochtene Urteil i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.

Diesen Anforderungen genügen die in erster Linie erhobenen Rügen wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie wegen Verstößen gegen die Sachaufklärungs- bzw. gegen die Amtsermittlungspflicht des Gerichts offensichtlich nicht.

b) Eine die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO rechtfertigende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Insbesondere begründet eine angeblich fehlende Entscheidung des BFH zu einzelnen Rechtsfragen noch nicht deren grundsätzliche Bedeutung (BFH-Beschluss vom 22. August 2002 II B 169/01, BFH/NV 2002, 1609). Überdies muss es sich um vom Einzelfall losgelöste, nicht nur für den Streitfall bedeutsame, bestimmte klärungsbedürftige und in einem künftigen Revisionsverfahren zudem auch klärbare Rechtsfragen handeln (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. November 2002 I B 155/01, BFH/NV 2003, 330, und vom 2. Dezember 2002 IX B 135/02, BFH/NV 2003, 342). Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung können in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zum Erfolg führen. Nur ausnahmsweise ist die Revision in Fällen eines schwerwiegenden Fehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zuzulassen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474). Derartige Fehler können jedoch nur bei offensichtlicher Gesetzwidrigkeit oder schwerwiegenden Verstößen gegen Verfahrensgrundrechte in Betracht kommen.

3. Nach Ablauf der ―verlängerten― Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO) sind weitere Schriftsätze allenfalls noch als Ergänzung oder Erläuterung zu den innerhalb der Frist ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründen zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2001 X B 112/01, BFH/NV 2002, 346).

Die erst nach Ablauf der Begründungsfrist gestellten Anträge sind ―unbeschadet ihrer auch aus weiteren Gründen bestehenden Unzulässigkeit― bereits deshalb prozessual unbeachtlich.

Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen nur über den Zugang zum BFH zu entscheiden, so dass eine Aussetzung der Vollziehung und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften oder auch die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht in Betracht kommt (BFH-Beschluss vom 14. Mai 2002 VII B 76/01, nicht veröffentlicht ―n.v.―; die Verfassungsbeschwerde dagegen hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen: Beschluss vom 17. Dezember 2002 1 BvR 1320/02, Deutsche Steuer-Zeitung 2003, 205).

Nicht ersichtlich ist, wegen welcher konkret versäumter Fristen der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.

Schließlich kann ein Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 134 FGO nicht vom Erfolg der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde abhängig gemacht werden. Eine bedingt erhobene Wiederaufnahmeklage ist unzulässig, weil im Prozessrecht Klarheit über das Schweben oder Nichtschweben eines Rechtsstreits bestehen muss (BFH-Beschluss vom 26. März 2001 III R 46/00, BFH/NV 2001, 1137, m.w.N.; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 134 FGO Rz. 26).

4. Von der Darstellung des Tatbestandes sowie von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 952740

BFH/NV 2003, 1214

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