Leitsatz (amtlich)

Erhebt ein Steuerpflichtiger eine Untätigkeitsklage nach § 46 FGO, so ist das bei Erhebung der Untätigkeitsklage nicht abgeschlossene Einspruchsverfahren das Vorverfahren im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

 

Normenkette

FGO § 46 Abs. 1-2, § 139 Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einer Untätigkeitsklage die Erstattung der Kosten des Bevollmächtigten der Steuerpflichtigen nach § 139 Abs. 3 FGO für ein Vorverfahren in Betracht kommen kann.

Das FG hat dies bejaht und auch die Voraussetzungen für die Erstattung als erfüllt angesehen. Gegen den Beschluß des FG hat das FA Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, daß es bei Untätigkeitsklagen kein Vorverfahren gebe, und daß deshalb begrifflich eine Kostenerstattung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht möglich sei.

Das FG hat das die Untätigkeitsklage der Steuerpflichtigen betreffende Verfahren durch Beschluß vom 18. August 1967 wegen Erledigung in der Hauptsache eingestellt, nachdem das FA den angefochtenen Bescheid aufgehoben hatte. Die Kosten des Verfahrens wurden dem FA auferlegt. Dieser Beschluß wurde rechtskräftig. Auf den Hinweis der Steuerpflichtigen, es sei noch über ihren Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren sei notwendig gewesen, zu entscheiden, erließ das FG am 25. September 1967 einen weiteren Beschluß, durch den es "in Ergänzung" des Beschlusses vom 18. August 1967 diesem Antrag nach § 139 FGO entsprach.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde des FA, die sich ausdrücklich nur gegen den Beschluß vom 25. September 1967 richtet, ist nicht begründet.

Erstattungsansprüche nach § 139 Abs. 3 FGO sind Teil des Kostenfestsetzungsverfahrens (Beschluß Gr. S. 5-7/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 150, BStBl II 1968, 56). Sie sind demgemäß von dem Einstellungsbeschluß unabhängig und daher selbständig anfechtbar. Wenn im Streitfall der Beschluß vom 25. September 1967 vom FG auch als Ergänzung bezeichnet wurde, so war er doch eine von dem Einstellungsbeschluß unabhängige Entscheidung, die selbständig anfechtbar ist (vgl. Beschluß I B 68/67 vom 13. März 1968, BFH 91, 561, BStBl II 1968, 442). Der Senat hat demnach in der vorliegenden Sache nur über die vom FG im Beschluß vom 25. September 1957 ausgesprochene Erstattungspflicht der Gebühren und Auslagen des Prozeßbevollmächtigten der Steuerpflichtigen zu befinden. Die Einwendungen des FA, die Untätigkeitsklage sei unzulässig gewesen und der Rechtsstreit sei in der Hauptsache nicht erledigt gewesen, wenden sich gegen den unanfechtbar gewordenen Beschluß vom 18. August 1967 und sind daher für die im vorliegenden Verfahren zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.

Der Einwand des FA, bei einer Untätigkeitsklage gebe es kein Vorverfahren im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, kann keinen Erfolg haben. Die Entscheidung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder eines Beistands sei für das Vorverfahren notwendig gewesen, setzt begrifflich voraus, daß ein solches Verfahren stattgefunden hat. Diese Voraussetzung ist nicht zweifelhaft, wenn das FA eine Einspruchsentscheidung erlassen hat. Im Streitfall ist eine solche Entscheidung nicht ergangen. Das FG hat vielmehr, nachdem das FA dem Hauptbegehren der Steuerpflichtigen dadurch entsprochen hatte, daß es den Bescheid über die sofortige Fälligstellung der Vermögensabgabe nach § 94 Abs. 1 AO aufgehoben hatte, das Verfahren der Untätigkeitsklage der Steuerpflichtigen wegen Erledigung in der Hauptsache eingestellt. Dadurch wurde entgegen der Auffassung des FA eine Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO aber nicht unmöglich. Die Besonderheit der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1, 2 FGO besteht darin, daß sie gerade voraussetzt, daß die vom Steuerpflichtigen begehrte Einspruchsentscheidung nicht ergangen ist. Sie ist nur dann zulässig, wenn das FA nicht innerhalb der in § 46 FGO gesetzten Fristen nach Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs über diesen entscheidet. Diese in § 46 Abs. 1, 2 FGO gesetzten Fristen sind lediglich zusätzliche Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit. Sie machen eine Untätigkeitsklage aber nicht zu einer besonderen Klageart. Ihrem Wesen nach ist die Untätigkeitsklage vielmehr immer eine Klage im Sinne des § 40 FGO. Vom Klagebegehren hängt es ab, ob sie eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage ist. Im vorliegenden Fall, in dem sich die Steuerpflichtigen in der Hauptsache gegen den Bescheid über die sofortige Fälligstellung der Vermögensabgabe wandten, handelte es sich um eine Anfechtungsklage, bei der die Rechtmäßigkeit des Fälligkeitsbescheides Streitgegenstand war. Das Vorbringen der Steuerpflichtigen zur Begründung ihres Einspruchs, mit dem sie vor Erhebung der Untätigkeitsklage die Aufhebung des Fälligkeitsbescheides zu erreichen suchten, hängt engstens zusammen mit der später erhobenen Klage, die ebenfalls auf Aufhebung des Bescheides über die sofortige Fälligkeit gerichtet war. Es ist das Vorverfahren im Sinne des § 139 Abs. 3 FGO. Eine andere rechtliche Beurteilung würde die Steuerpflichtigen benachteiligen, die zur Verfolgung ihrer Rechte den ohnehin ungewöhnlichen Weg der Erhebung einer Untätigkeitsklage beschreiten müssen. Es bestehen daher im Streitfall keine Bedenken gegen die Annahme, daß in der Hauptsache, der Untätigkeitsklage, ein Vorverfahren im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO stattgefunden hat.

Das FG hat die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten bejaht. Diese Würdigung ist angesichts der Schwierigkeit der Rechtsfragen, die sich in formeller und materieller Hinsicht durch die unzulässigerweise erfolgte öffentliche Zustellung des Bescheides über die sofortige Fälligstellung der Vermögensabgabe für die Steuerpflichtigen ergaben, nicht zu beanstanden. Die gegen die Entscheidung des FG eingelegte Beschwerde kann unter diesen Umständen keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68278

BStBl II 1969, 438

BFHE 1969, 431

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